Sonntag, 31. August 2014

Von der Pflicht hinzuschauen

So unscheinbar das Format, so drastisch sein Inhalt: In "War Porn" nimmt der deutsche Fotojournalist Christoph Bangert sprichwörtlich kein Blatt vor den Mund bzw. die Linse. Ungefiltert präsentiert er dem Leser eine Auswahl seines fotografischen Archivs der Grausamkeiten des Krieges, vor allem in den Ländern der arabischen Welt.

© Christoph Bangert
Der Kriegsfotograf Christoph Bangert zeigt auf drastische Art und Weise, was Menschen sich auch heute, über 100 Jahre nach dem Beginn des ersten Weltkriegs, noch in Kriegen und Konflikten antun. Die im Buch versammelten Fotografien stammen aus dem Gazastreifen, Indonesien, Israel, dem Libanon, dem Irak und Afghanistan und sind zwischen 2003 und 2011 entstanden. Viele dieser Reisen unternahm Bangert im Auftrag der amerikanischen Tageszeitung "The New York Times".

Der komplette Artikel ist auf Qantara zu lesen.

Dienstag, 12. August 2014

Von Information zur Informationslosigkeit

Was passiert, wenn ein im journalistischen Kontext entstandenes Bild in einen rein künstlerischen Kontext überführt wird, lässt sich zur Zeit an einer Arbeit des Fotografen Luc Delahaye in der Ausstellung „Damage Control – Art and Destruction since 1950“ im Luxemburger Museum für zeitgenössische Kunst Mudam in Luxemburg Stadt beobachten. Die Ausstellung wurde organisiert vom Washingtoner  Hirshhorn Museum und der amerikanischen Smithsonian Institution.

Im Untergeschoss des Mudam hängen zwei großformatig präsentierte Fotografien von Luc Delahaye aus seiner Serie „History“. Darunter ist eines seiner bekanntesten Bilder mit dem Titel „Jenin Refugee Camp“. Es zeigt die Ruinen des Flüchtlingslagers der palästinensischen Stadt Jenin nach einem Militäreinsatz während der 2. Intifada im Jahr 2002. Dieses Bild und ein zweites aus dem Irak-Krieg werden nebeneinander in einem Raum mit Arbeiten aus der Serie „jpeg“ von Thomas Ruff präsentiert. Zu Delahayes Bild von Jenin gibt es keinerlei Bildunterschriften, die auf die dargestellte Situation und den Kontext, in dem die Aufnahmen entstanden sind, hinweisen. Damit werden die Fotografien in einem dokumentarischen Sinn wertlos und funktionieren nur noch als selbstreferentielle, auf das Ästhetische reduzierte Bilder. Was bleibt ist eine Szene der Zerstörung. Auch wenn Luc Delahaye dafür bekannt ist, dass er seinen Arbeitsschwerpunkt vom journalistischen auf das Künstlerische verlagert hat ist in Frage zu stellen, ob er selbst eine solche Präsentation für gut heißen würde.

In der Zeitschrift Fotogeschichte veröffentlichte Agnes Matthias im Jahr 2004 einen guten Artikel, in dem sie ausführlich auf die Unterschiede von journalistischen und künstlerischen Fotografien eingeht, unter anderem am Beispiel der Arbeit von Luc Delahaye. Über den stattfindenden Funktionswandel schreibt sie: „die ästhetische Dimension der Bilder wird durch bestimmte Präsentationsstrategien in den Vordergrund gerückt, die Information, die diese in ihrem ursprünglichen Verwertungszusammenhang transportieren sollte, tritt zurück[1]. Dies ist in großer Deutlichkeit in der Luxemburger Ausstellung zu beobachten.

Das hier beschriebene Problem entsteht auch durch die Überführung von journalistischen Fotografien in die fotografische Sammlung eines Museums.  Einmal im Besitz einer privaten oder öffentlichen Sammlung stehen die Fotografien nur noch als Referenten für sich selbst und ähneln einem Gemälde. Wie im Fall der Luxemburger Ausstellung werden sie herangezogen um thematische Ausstellungen und kuratorische Einfälle zu bebildern. Ob der Fotograf sein Bild in einem solchen Kontext präsentieren würde, ist dabei völlig zweitrangig. Hier findet ein immenser Funktionswandel der Fotografie statt, die aus dem journalistischen Dokument die Illustration eines kuratorischen Konzepts macht.

Die Ausstellung ist noch bis zum 12. Oktober zu sehen. Weitere Informationen gibt es auf der Homepage des Museums.



[1] Matthias, Agnes (2004): "Die Fotografie, der Krieg und das Feuilleton." Fotogeschichte Heft 94, Jhrg. 24, S. 44.