Freitag, 5. Dezember 2014

Afrikastereotype im Buchcover


Das erste was wir sehen, wenn wir ein Buch in die Hand nehmen, ist das Cover. Noch bevor wir uns dem Text zuwenden, ist es eine Art Aufmacher, ein Einstieg der Lust machen soll, den Text zu lesen. Wie problematisch dies sein kann und welche Stolperfallen dabei auf dem Weg liegen, ist mir bei der Lektüre des Buches „Die Landkarte der Finsternis“ von Yasmina Khadra aufgefallen. Die Taschenbuchausgabe ist Anfang 2014 im List Verlag erschienen. Hier einige Gedanken dazu.

Zu erst einmal eine Betrachtung auf der Bildebene. Zu sehen ist ein kleiner Junge mit schwarzer Hautfarbe, bekleidet mit einer kurzen weißen Hose. Die Hände hält er über dem Kopf verschränkt. Er dreht dem Betrachter den Rücken zu und steht leicht schräg im Bild auf einer großen weißen Fläche, vermutlich einem Sandstrand. Er schaut in die Ferne, in der am Horizont, der sich ungefähr im goldenen Schnitt befindet, ein Wasserband sowie ein schwarzer Streifen zu sehen sind, die vermutlich zu einer bewaldeten Insel oder einem Küstenstreifen gehören. Als Text sind auf dem Cover der Name des Autors, der Verlag, sowie der Zusatz Roman zu finden. Der Titel lautet „Die Landkarte der Finsternis“.


Nun ist es nachvollziehbar, dass der Betrachter versucht, den Titel mit dem Bild in Verbindung zu bringen. Und ab hier wird es perfide. Finsternis ist ein Begriff der aus dem kolonialen Repertoire der Beschreibung Afrikas stammt. Finsternis beschreibt das Dunkle und damit werden in einer rassistischen Stereotypisierung auch Menschen mit dunkler Hautfarbe verknüpft. Insofern entstehen durch Titel und Bild eine direkte Beziehung zwischen dem schwarzen Jungen und dem Begriff der Finsternis, der eine Reproduzierung rassistischer, kolonialer Denkmuster bedeutet. Dafür ist es grundsätzlich egal, ob der Titel vielleicht sogar ironisch gemeint ist oder was auch immer. Auf dem Cover steht er für sich.

Noch absurder wirkt die Kombination, wenn man den dazugehörigen Roman gelesen hat. Außer dass die beiden weißen Protagonisten, ein deutscher Arzt und ein deutscher Industrieller, auf dem Weg in die Komoren waren, wo es möglicherweise einen solchen Strand gibt, passieren sie einen Strand nur als Gefangene sogenannter „Piraten“. Eine Anleihe, worauf sich das Titelbild bezieht, gibt es somit nicht. Dabei ist natürlich klar, dass Buchcover eine Illustrationsfunktion haben, und das Kaufinteresse wecken sollen und somit oft vom Text abstrahiert ausgewählt werden. Sie sollten aber sowohl sensibel auf den Bildinhalt, als auch das Thema des Buches gewählt werden und stereotypisierte und verquere Konnotationen wie in diesem Fall tunlichst vermeiden.

Natürlich ließe sich weit hergeholt argumentieren, durch den weißen Strand und den blauen Himmel entstehe ein Kontrast zum Begriff der Finsternis. Aber in welche Richtung auch immer mögliche Rechfertigungsstrategien laufen, angesprochen wird der Betrachter durch das Bedienen rassistischer und kolonialer Stereotype. Dies ist mehr als bedauerlich. Dabei soll hier näher nicht darauf eingegangen werden, dass auch der Text selbst eine traurige Wiederholung stereotyper Afrikabilder von Konflikt und Gewalt darstellt und man sich von Yasmina Khadra mehr erwartet hätte.

Aufschlussreich, ist auch ein Vergleich des Titels der französischen Originalausgabe mit seiner deutschen Variante. Im Original heißt das Buch „L’équitation africaine“, was übersetzt so viel heißt wie die afrikanische Gleichung. Insofern ist „Landkarte der Finsternis“ keine Übersetzung, sondern eine neuer Titel und eine verunglückte Reminiszenz auf ein eigentlich überkommen geglaubten Blick auf Afrika. Überzeugungs- und Sensibilisierungsarbeit ist somit nicht nur bei Gestaltern von Buchcovern, sondern auch bei Lektoren und Übersetzern zu leisten.

P.S.: Ein guter Artikel der sich etwas allgemeiner mit dem stereotypen Bild Afrikas im Westen und der Verwendung des Begriffs Finsternis zur Beschreibung von Afrika befasst, stammt vom SZ-Korrespondenten Arne Perras.

Das Auge des Chronisten

  Noch bis zum 15. Januar 2015 ist im Willi-Brandt-Haus in Berlin die Ausstellung "Ara Güler – Fotografien 1950 – 2005" zu sehen. Im Mittelpunkt der Ausstellung steht die türkische Metropole Istanbul, deren Dokumentation sich Güler Zeit seines Lebens verschrieben hat.

02 © Ara Güler, Fischer, Istanbul, 1950

 "Für mich haben Retrospektiven eine tiefergehende Bedeutung als normale Ausstellungen, weil sie eine Zusammenfassung des ganzen Lebens eines Menschen bieten und dem Zuschauer erlauben, tiefer einzutauchen. Sie eignen sich dazu, den Künstler insgesamt zu präsentieren. Ob das dann auch befriedigend ist, hängt natürlich vom präsentierten Werk und der Meinung des Besuchers ab, das kann ich nicht beurteilen. Fest steht für mich, dass sie einen größeren Wert als normale Fotoausstellungen haben."

Der komplette Artikel ist auf dem Onlineportal Qantara zu lesen.