Donnerstag, 23. April 2015

Mediale Inszenierung und Bildpolitik des IS


Dass die Bilder des "Islamischen Staates" so präsent in unseren Medien sind, hängt weniger mit der tatsächlichen Relevanz der dokumentierten Ereignisse zusammen, als vielmehr mit der kurzfristig gedachten Aktualitätslogik der Massenmedien. Einige medienkritische Anmerkungen von Felix Koltermann.

Kaum ein journalistisches Medium – egal ob Tageszeitung, Onlinemedium oder Fernsehsender – hat im vergangenen Jahr auf Bilder des sogenannten "Islamischer Staates" (IS) verzichtet. Verbunden mit den Bildern war die Rhetorik eines vermeintlichen Bilderkrieges, ausgelöst vor allem durch die vom IS verbreiteten Enthauptungsvideos.

Damit verbunden ist die Frage, wie groß die Bedeutung dieser Bilder tatsächlich ist, wo sie ihre eigentliche Wirkmächtigkeit entfalten und wie sie mit politischen Entscheidungen, in der Region politisch oder militärisch zu intervenieren oder dies zu unterlassen, interagieren.

Die meisten Bilder, die uns über den IS erreichen, sind Teil klassischer Kriegspropaganda und wurden vom IS selbst produziert. Viele Bilder zeigen dabei inszenierte Ereignisse, egal ob es um eine Enthauptung vor der Kamera oder das Plattwalzen der Grenzbefestigung zwischen dem Irak und Syrien geht. Es sind sogenannte "Image Operations", Operationen mit Bildern. Es sind Bildakte, die Teil einer ausgeklügelten PR sind, die sich modernster Mittel und vor allem neuer Verbreitungskanäle, wie den sozialen Medien, bedient.

Der komplette Artikel steht auf Qantara.

Mittwoch, 15. April 2015

Den Krieg im Blick


Vergangene Woche eröffnete im Essener Folkwang Museum die Ausstellung „Conflict, Time, Photography“. Kaum ein Feuilleton, dass in den vergangenen Tage die Schau nicht rezensiert hätte. Selbst die Tagesschau der ARD brachte am vergangenen Donnerstag zur Prime-Time einen kurzen Einblick in die Ausstellung. Konzipiert wurde die Ausstellung in Zusammenarbeit mit der Tate Modern in London und der Staatlichen Kunstsammlung in Dresden und ist in Essen noch bis zum 5. Juli zu sehen.



Beeindruckend ist die Schau zunächst ein Mal aufgrund der Zahlen. In 13 Räumen sind 125 fotografische Arbeiten zum Thema Krieg und Konflikt zu sehen. Dabei nimmt die Ausstellung für sich in Anspruch, nicht die Geschichte der Kriegsfotografie erzählen zu wollen, sondern eine neue und unkonventionelle Perspektive auf die Bildgeschichte des Krieges zu eröffnen. Das Ordnungsprinzip der Ausstellung ist der Zeitpunkt der Rückschau, der Moment, an dem die fotografische Arbeit entstand, vom Moment danach bis zu Jahrzehnten später.

Versammelt sind in Essen Werke der bekanntesten zeitgenössischen Fotografen, von Don Mc Cullin über Luc Delahaye bis hin zu Stephen Shore, aber auch Frühwerke der Kriegsfotografie beispielsweise von Roger Fenton. Im Vordergrund steht die Auseinandersetzung mit den Kriegsfolgen, den Spuren von Gewalt und Zerstörung auf die Landschaft und die Architektur. Es sind eher dokumentarische als fotojournalistische Arbeiten, eher künstlerische als erzählerische Arbeiten zu sehen. Die Augenzeugenschaft vor allem journalistischer Kriegsfotografie, ist weitestgehend abwesend. Stattdessen wird der Moment danach inszeniert, wie in den großformatigen Arbeiten von Luc Delahaye während der Zeit der westlichen Interventionen in Irak oder Afghanistan im Krieg gegen den Terror.

Über allem schwebt das kuratorische Konzept, der Blick auf den Krieg aus unterschiedlicher zeitlicher Distanz. Den Arbeiten selbst sieht man nicht an, in welchem Abstand zum Ereignis sie aufgenommen wurden, was beispielsweise am  Grad der Reflexion sichtbar werden könnte. Was sich ändert sind natürlich die dargestellten Gegenstände, weil die Ruinen der alliierten Flächenbombardements natürlich nur Wochen und Monate später, nicht jedoch Jahrzehnte später zu finden sind. So macht sich die Fotografie dann auf die Suche nach anderen Spuren, den Spuren von NS-Bauten oder Denkmälern.

Natürlich gibt es auch in dieser Ausstellung Höhepunkte. Erschreckend ist das Bild von Eiichi der eingebrannten Silhouette eines Wachsoldaten an der Wand nach dem Atombombenabwurf in Hiroshima. Verstörend ist das Bild „Patio Civil“ von Luc Delahaye. Er fotografierte ein Massengrab aus dem Bürgerkrieg in Spanien, das aufgrund der Zweidimensionalität und der Übergröße an klassische Gemälde erinnert. Toll ist die Intervention im öffentlichen Raum von Emeric Lhuisset im Nordirak als Hommage an den getöteten kurdischen Schriftsteller Sardasht Osman. Er hängte nicht fixierte SW-Abzüge von Osman in die Straßen die innerhalb von wenigen Stunden schwarz wurden und damit zu einer Anklage mutierten.

Im vergangenen Jahr veröffentlichte der deutsche Fotograf Christoph Bangert sein vieldiskutiertes Buch „War Porn“. Seine Kritik ist, dass Redaktionen zu wenig das Leid und die Gewalt im Krieg zeigen. Ähnliches gilt für die Essener Schau. Was der Betrachter hier zu sehen bekommt, ist zu weiten Teilen der distanzierte Blick auf den Krieg, ein cleaner, künstlerischer und irgendwie auch künstlicher Blick auf Gewalt und Zerstörung. Zumindest die Chance auf radikale Nachdenklichkeit, wie es das Museum Folkwang für sich in Anspruch nimmt, wird damit vertan.

Die Ausstellung ist noch bis zum 5. Juli zu sehen. Das Museum ist Dienstag bis Sonntag von 10 - 18 Uhr geöffnet, Donnerstag und Freitag bis 20 Uhr.

Freitag, 10. April 2015

Schreiben als Destillierung von Beobachtung


Der Amerikaner Stephen Shore ist einer der bekanntesten künstlerisch-dokumentarischen Fotografen unserer Zeit. In den vergangenen Jahren hat er am Projekt „This Place“ über Israel und die Westbank mitgewirkt. Im vergangenen Herbst sprach ich mit ihm über seine theoretischen Reflexionen über das Medium Fotografie, die er im Buch „The Nature of Photographs“ veröffentlicht hat.



FK: Herr Shore, neben ihrer fotografischen Arbeit schreiben sie auch über Fotografie. Wo sehen sie den Unterschied im Schreiben über Fotografie und in ihrer eigenen fotografischen Arbeit?

SS: Mein Schreiben ist sehr viel theoretischer und eine Destillierung der Beobachtungen meines Prozesses als Fotograf oder des fotografischen Prozesses. Was ich bisher immer vermieden habe, ist über den Inhalt von Bildern zu schreiben, weil ich Fotografie so sehr als deskriptives Medium liebe. Ich ärgere mich immer wieder über Leute, die sich ständig mit der Bedeutung ihrer eigenen Bilder beschäftigen. Ich bin dagegen der Meinung, dass Bilder für sich selbst stehen können. Wenn eine gute Fotografie funktioniert, aktiviert sie viele verschiedene Ebenen, auch unbewusste. Manchmal wissen Künstler überhaupt nicht, wie viele Ebenen durch ihre Arbeit aktiviert werden. Wenn sie dann beschreiben, was das Bild für sie bedeutet, gibt dies nicht das ganze Bild wieder. Die Bedeutung eines Bildes ist oft viel größer als das, was sie beschreiben. Dies möchte ich vermeiden. Ich möchte, dass Fotografie Fotografie ist und dass Schreiben etwas anderes ist.

FK: Ihr bekanntes Schreibprodukt ist das Buch "The Nature of Photographs", das viele Fotografen beeinflusst hat. An einer Stelle im Buch schreiben sie, dass fotografieren ein interaktiver Prozess zwischen der Wahrnehmung und einem mentalen Zustand ist. Könnten sie dies genauer ausführen?

SS: Wenn ein Fotograf die Welt betrachtet, sieht er, oder besser sehe ich – und ich sollte hinzufügen dass ich normalerweise mit einer 8x10 Inch Kamera arbeite – die Welt nicht durch die Linse der Kamera. Die 8x10 Inch Kamera ist keine Verlängerung des Auges. Das Bild entsteht immer im Kopf des Fotografen. Ich weiß, wie das Bild aussehen wird, bevor ich es mache. Man sucht das Bild nicht mit seiner Kamera. Die Kamera ist nur ein Hilfsmittel um das zu zeigen, für was ich mich entschieden habe. Wir haben es also mit einem mentalen Bild zu tun. Und im Fall einer 8x10 Inch Kamera hat dies auch praktische Gründe, weil die Kamera so groß und unhandlich ist, dass die Arbeit mit ihr nur funktioniert, wenn man das Bild vorher im Kopf hat. Die Kamera ist dann das Handwerkszeug, die das Bild vollendet. Ich denke, das gleiche gilt auch für Fotografen die mit einer Kleinbildkamera arbeiten, nur das der Prozess schneller und intuitiver abläuft. Auch sie haben das Bild im Kopf, bevor sie es machen. Das bedeutet im Umkehrschluss nicht, dass wir eine festgefügte Idee davon haben, was das Bild sein wird. Die Fotografie basiert auf dem, was wir sehen. Darum habe ich gesagt, dass der Ausgangspunkt die Wahrnehmung ist und die generiert ein Bild in unserem Kopf, welches uns wiederum sagt, was wir mit der Kamera machen sollen.

FK: Wenn wir jetzt die Frage nach dem Inhalt dazunehmen, wo liegt dessen Bedeutung? Sehen sie auch den Inhalt, wenn das Bild im Kopf entsteht?

SS: Der Inhalt ist nicht in theoretischer Form vorhanden, ich denke nicht darüber nach. Manchmal sagen mir z.B. Studenten, dass sie ihrer Arbeit das Thema Identität umsetzen. Ich weiß nicht einmal ob ich sagen kann, was das bedeutet. Ich arbeite so nicht. Aber ich erkenne, wenn eine Beziehung entsteht, zwischen dem Inhalt den ich sehe und mir selbst. Es ist ein Gefühl das ich dann habe, dass dieser Inhalt eine Bedeutung hat. Diese muss nicht unbedingt intellektueller Natur sein, es kann auch emotional oder spirituell, oder alles zusammen sein. Aber wenn ich dieses Gefühl spüre, weiß ich das dort ein Bild ist.

FK: Sie schreiben in "The Nature of Photographs" dass die Fotografie eine analytische Disziplin ist. Meinen sie damit was wir gerade diskutiert haben?

SS: Nein, darunter verstehe ich etwas viel einfacheres. Ich nutze diese Definition um die Fotografie von der Malerei zu unterscheiden, die ein synthetisches Produkt ist. Man startet mit einer weißen Leinwand und jeder Strich, den der Künstler setzt, fügt dem Bild Komplexität hinzu. Das ist das Kennzeichnende für alle synthetischen Disziplinen. Eine analytische Disziplin macht genau das Gegenteil. Man startet mit der Welt und sucht eine Struktur in ihr, oder stülpt ihr die eigene Struktur über. Meist ist es eine Verknüpfung aus beidem.

FK: Ich habe das Gefühl, dass die Unterscheidung die sie gerade gemacht haben, sehr wichtig ist für den Diskurs über Fotografie, weil sie dazu beiträgt, den Diskurs über Fotografie vom Diskurs der Kunstgeschichte zu trennen. Denn der Diskurs der Kunstgeschichte kommt aus der Malerei und bezieht sich somit auf ein synthetisches Produkt.

SS: Richtig. Genauso ist es. Ich habe schon darüber geschrieben, dass viele Menschen die über Fotografie schreiben, ein Vokabular benutzen, welche aus der Kunstgeschichte kommt, einfach nur deshalb, weil sowohl Fotografie als auch Malerei rechteckige bildnerische Darstellungsformen sind. Der Begriff der Komposition ist ein gutes Beispiel dafür. Komposition beschreibt einen synthetischen Prozess. Wenn Fotografen anfangen zu komponieren, werden ihre Bilder allzu sehr vereinfacht. Meiner Ansicht nach denken die meisten interessanten Fotografen, die ich kenne, nicht einmal im Traum darüber nach, dass das, was sie tun, etwas mit komponieren zu tun hat.

FK: Herr Shore, vielen Dank für das Gespräch.