Dienstag, 11. März 2014

Kriegsbilder zur Visualisierung


In der vergangenen Woche hat mich eine Fotografie, die als Aufmacher zum Artikel Urlaub im Krisengebiet der Deutschen Welle (DW) erschienen ist, stutzig gemacht: das Bild kam mir sehr bekannt vor. Es ist eine Fotografie des Berliner Fotografen Sebastian Bolesch, welche auch als Titelbild der Thementage Krieg erzählen des Haus der Kulturen (HKW) der Welt in Berlin fungiert hat. Nun ist es nichts ungewöhnliches, das Fotografen ihre Bilder mehrfach verwenden und weiter vermarkten. Oft geschieht dies dadurch, dass ihre Bilder in Online Bilddatenbanken abrufbar sind und dort für den Käufer nicht nachvollziehbar ist, wer das Bild bereits in welchem Kontext verwendet hat. Insofern ist es wahrscheinlich eher als unglücklicher Zufall zu bezeichnen, dass genau dieses Bild Boleschs in so kurzer Zeit zwei Mal publiziert wurde und vor allem als Titelbild der Thementage so große Verbreitung fand.

Gegenüberstellung der Screenshots von den Webseiten des HKW und der DW

Was an diesem Fall jedoch lehrreich erscheint, ist der Umgang mit Archivbildern aus Kriegs- und Krisenregionen. An diesem Bild lässt sich exemplarisch aufzeigen, wie Bilder alleine aus Gründen der Visualisierung ausgewählt und publiziert werden. Dass dieses Bild aus Gründen der Visualisierung ausgewählt wurde lässt sich an zwei Faktoren ablesen. Zum einen veröffentlichen weder die DW noch das HKW Hintergrundinformationen zum Bild. Es gibt weder eine geografische noch eine zeitliche Zuordnung, also keinerlei Kontextualisierung. Darüber hinaus hat das Bild kaum Informationswert. Es zeigt eine geteerte Straße in einer flachen Landschaft vor dunklen Wolken, auf der im Vordergrund ein umgedrehter Sprengkörper zu sehen ist, in dem eine Fahne steckt. Nur damit wird auf einen Kriegs- und Konfliktkontext verwiesen. Gleichzeitig bekommt das Bild aufgrund der fehlenden regionalen Bezugnahme etwas Generisches und eignet sich aus diesem Grund hervorragend für eine Visualisierung von Krieg. An der weiteren Bebilderung des Artikels zeigt sich, dass hier die Bilder mit der Textebene korrespondieren. So sind Bilder von der internationalen Tourismusbörse (ITB) zu sehen, die der Aufhänger des Artikels sind. Des Weiteren ist z.B. ein Bild aus Nordkorea zu sehen, was mit der touristischen Bestrebungen des Landes, die im Artikel erwähnt werden, korrespondiert. Umso deutlicher wird damit, dass Boleschs Bild die Funktion des Eyecatchers als visuellem Aufmacher des Artikels hat.

Grundsätzlich ist zu fragen, ob ein Artikel wie „Urlaub im Krisengebiet“, der die ITB in Berlin und Krisenregionen die sich als Tourismusziele vermarkten zum Ausgangspunkt nimmt, nicht auch ohne abstrakten visuellen Aufmacher auskommt. Denn eine abstrahierte Visualisierung birgt immer die Gefahr, dem Entstehungskontext der Bilder nicht gerecht zu werden. Umgekehrt ist es weitaus schwieriger, das Thema „Urlaub im Krisengebiet“ mit konkreten, visuell attraktiven Bildideen umzusetzen. Aber genau dies ist und bleibt die Herausforderung für Bildredakteure, ebenso wie es die Herausforderung für Fotografen ist sich mit der Frage zu beschäftigen, wie sie damit umgehen, dass ihre Bilder dekontextualisiert zur Visualisierung eingesetzt werden.



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