Mittwoch, 23. Dezember 2015

Foto-Archive in Israel/Palästina


Der israelisch-palästinensische Konflikt spielt sich nicht nur im alltäglichen Leben der Menschen in der Region ab, sondern auch in der Auseinandersetzung zweier konkurrierender Meta-Narrative bzw. nationaler Erzählungen. Ein wichtiger Pfeiler dieser Narrative ist die kollektive Erinnerung. Eine zentrale Rolle in der kollektiven Erinnerung spielen historische Fotografien und vor allem deren gezielter Einsatz bzw. das gezielte Nutzen zur Untermauerung bestimmter politischer Positionen in der Erinnerung. In diesem Zusammenhang ist eine zentrale Frage, aus welchen Quellen sich die historischen Fotografien speisen und wer heute die Verfügungsgewalt über die Archive und damit die historischen Fotografien hat. 

Es gibt eine ganze Reihe von Archiven mit historischen Fotografien aus der Region, die auch im Internet zugänglich sind. Am besten sortiert und am umfangreichsten sind die Archive zionistischer Organisationen wie der World Zionist Organization (WIZO) oder des jüdischen Nationalfonds (JNF). Dies ist insofern nicht verwunderlich, als dass seit der Gründung dieser Organisationen Fotografen in deren Namen tätig waren, um die Umsetzung des zionistischen Projekts zu dokumentieren. Ein anderes wichtiges und ebenfalls sehr politisches Archiv ist die National Photo Collection, die vom Presseamt der israelischen Regierung, dem Government Press Office (GPO) in Jerusalem verwaltet wird. Neben den Fotografien der Pressefotografen der israelischen Regierungen finden sich hier die Nachlässe bedeutender israelischer Fotografen wie Zoltan Kluger.

Neben den Archiven der zionistischen Organisationen und des israelischen Staates existieren auch umfangreiche private Sammlungen, die ebenfalls online zugänglich sind. Die umfangreichste und bekannteste Sammlung, die vor allem kommerziell genutzt wird, ist unter dem Namen „The Photo House“ bekannt und vermarktet Bilder des Tel Aviver Fotostudios von Rudi Weissenstein. Seit Mitte der 1930er Jahre dokumentierte er das Leben in der Mittelmeermetropole und dem Jishuv. Verschiedene private Fotosammlungen sind auch über die israelische Nationalbibliothek zugänglich.

Weniger umfangreich und weniger gut sortiert sind Archive auf palästinensischer Seite. Dies hängt zum einen damit zusammen, dass die Fotografie historisch gesehen auf Seiten der Palästinenser eine weniger große Rolle spielte als im zionistischen Projekt und zum anderen damit, dass das Projekt der Errichtung eines palästinensischen Staates bis heute in den Kinderschuhen steckt. Am systematischsten wurde das Leben der Palästinenser von den Fotografen des Hilfswerks der Vereinten Nationen für palästinensische Flüchtlinge (UNRWA) dokumentiert. Seit wenigen Jahren wird deren Archiv systematisch digitalisiert. Einige Werke palästinensischer Fotografen finden sich auch im Archiv der Arab Image Foundation aus dem Libanon. Die in Ramallah ansässige gemeinnützige Organisation Al-Qattan Foundation plant im Rahmen des von zu errichtenden Kunstmuseums auch ein Archiv palästinensischer Fotografie aufzubauen.

Bis heute gibt es nur wenig Forschung über die Bedeutung fotografischer Archive in der kollektiven Erinnerung der Israelis und der Palästinenser sowie die politische Verwertung der Bilder zur Unterstützung des jeweiligen Narrativs. Unbestreitbar ist sicherlich, dass die Archive politisch gelesen werden müssen. In einem der wenigen Aufsätze zum Thema schreibt die israelische Kuratorin Rona Sela über die zionistischen Foto-Archive auf der Plattform Ibraaz: „These archives are not neutral and are connected to a national ideological system that loads them with meaning and a Zionist worldview“. Es besteht insofern ein großes Ungleichgewicht, als dass es auf Seiten der Palästinenser sehr viel weniger umfangreiche Fotografie-Archive gibt. Hier Bedarf es in Zukunft großer Anstrengungen diese aufzubauen.






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