Montag, 19. November 2012

Gaza: Krieg im Web 2.0?

Seit dem Beginn der Eskalation des Konflikts im Nahen Osten zwischen der israelischen Regierung und der Hamas ist der Verlauf der Auseinandersetzung im Web 2.0 auch zunehmend im Fokus von Blogbeiträgen und Artikeln. So zeichnete John Mason den Verlauf des Konflikts auf der Foto-Plattform Instagram nach. In einem Kommentar auf „The Daily Beast“ ging Ali Gharib auf Twitter-Nachrichten über den Krieg und die Involvierung von Journalisten ein.

Was in der vor allem über Twitter ausgetragenen Auseinandersetzung über den Konflikt zu beobachten ist, ist ein Kampf um die Deutungshoheit des Konflikts und seiner aktuellen Eskalation. Diejenigen, die hier in die Auseinandersetzung eingestiegen sind, sind die direkten Konflikt-Parteien wie die israelische Armee IDF und pro-israelische Gruppen sowie der Hamas nahestehende Gruppen. Zu beobachten ist ein Kampf um die Narrative. Das besondere an der Auseinandersetzung im Web 2.0 ist, das auf diese Art und Weise die Nachrichten und damit die Auseinandersetzung direkt das Publikum erreichen und die Auseinandersetzung nicht mehr gefiltert über die Presse ausgetragen wird. Die Gruppen versuchen, die öffentliche Meinung über die neuen Medien direkt zu beeinflussen, ohne den Umweg über die Presse nehmen zu müssen. Dies ist eine dramatische Wende und verlagert die Auseinandersetzung in die Weiten des Internets.

Was wegfällt ist die Funktion des Journalismus und seiner Medien, die Informationen zu kontextualisieren und einzuordnen, Hintergrundinformationen zu liefern und verschiedene Meinungen zu Wort kommen zu lassen. Auch eine Lösungsorientierung wie sie der konfliktsensitive Journalismus fordert, ist hier nicht Teil der Auseinandersetzung. Besonders drastisch wird dies am Verbreiten von Bildern ziviler Opfer sichtbar. Beide Seiten nutzen diese Bilder, um Emotionen auf ihre Seite zu ziehen und mit der „Beweiskraft“ des Bildes die Legitimität des eigenen Handelns bzw. die Illegitimität des Handelns des anderen zu untermauern. Was wegfällt ist eine Kontextualisierung und Einordnung der Bilder in das Konfliktgeschehen. Als relevante Information werden diese Bilder somit fast wertlos, da sie nur als reine Bestätigung von Faktischen – dieser Mensch auf dem Bild wurde verwundet – dienen.

Im Zusammenhang mit der Diskussion dieses Phänomens poppt in der Diskussion immer wieder der Begriff des Bilder-Krieges oder Medien-Krieges auf. Meiner Ansicht nach ist es nicht problematisch diesen Begriff zu verwenden. Ein Mal in den allgemeinen Sprachgebrauch übergegangen und als Fakt akzeptiert, liefert der Begriff des „Bilder-Kriegs“ z.B. der IDF die Legitimation, Hamas nahestehende Sender zu bombardieren. Insofern ist der Gebrauch dieses Begriffes im Interesse der Konflikt-Parteien und sollte von daher von den Medien und Wissenschaftlern tunlichst gemieden werden. Die tatsächlichen Kriegshandlungen werden immer noch mit Waffen von den Konflikt-Parteien verübt. Was in den Medien und über die Medien stattfinden, ist hingegen eine Auseinandersetzung über die Deutungshoheit des Konflikts und der Geschehnisse. Diese kritisch hin auf ihre Qualität, die Einhaltung journalistischer Standards und eine Konfliktsensitivität zu überprüfen, sollte sich die Kommunikationswissenschaft zur Aufgabe machen.

Dienstag, 6. November 2012

Über die Heroisierung des Krieges à la Hollywood


Auf den Seiten 30/31 der aktuellen Ausgabe des Stern-Magazin VIEW ist zu sehen, wie die Heroisierung von Soldaten im zeitgenössischen Krieg funktioniert: über die Einbeziehung von Hollywood. Ein großformatiges über eine Doppelseite gehendes Bild zeigt vier US-Amerikanische Soldaten die um einen auf dem Boden liegenden verletzten Kameraden gruppiert sind. Die Überschrift zur Bild-Text-Seite lautet „Saving Private Ryan“. Im kurzen Bild-Text wird die Szenerie weiter erläutert:

Ein in Afghanistan bei einer Bombenexplosion verletzter US-Soldat verdankt sein Leben seinen Kameraden.

Baraki/Afghanistan – Noch schweben Staub und Qualm in der Luft. Aber auch wenn gerade keiner weiß, ob nicht weitere Gefahr droht, sind gleich vier Männer dieser US-Patrouille ihrem verletzten Kameraden beigesprungen – und retten so das Leben des Private Ryan.

Bei der Detonation des im Boden versteckten Sprengkörpers wurden die Beine des Soldaten Ryan Thomas getroffen, seine zerfetzten Hosenbeine sind blutdurchtränkt. Während der Trupp-Sanitäter die Wunden verbindet, hält ein Kamerad beruhigend die Hand des 21-Jährigen und spricht mit ihm. Zwar gelingt es zunächst, die starken Blutungen zu stillen, doch Ryan Thomas muss schnellstens in ein Feldlazarett. Im Laufschritt tragen die Männer den Verletzten zu dem bereits gelandeten Rettungshubschrauber.

Und tatsächlich: Ihr Kamerad überlebt – wie der Soldat im Steven Spielbergs oscar-gekröntem Film „Saving Private Ryan“. (VIEW, November 2011, Seite 30/31)

Was hier gezeichnet wird, ist das Bild von Kameradschaft und Heldentum im Krieg. Die Umstände des Anschlags und der Konflikt in Afghanistan spielen kaum eine Rolle. Die Botschaft lautet, dass die Soldaten füreinander einstehen und sich auch unter Gefahr, ohne auf das eigene Leben zu achten, retten. Auf diesen Aspekt weist der Text mit der Formulierung „Aber auch wenn gerade keiner weiß, ob noch weitere Gefahr droht“ noch ein Mal besonders hin. Dazu kommt der positive Ausgang der Geschichte, symbolisiert durch den in einem kleinen Bild gezeigten wartende Rettungshubschrauber zu der die Bildunterzeile sagt: „Der Helikopter bringt Thomas in Sicherheit. Später wird er zur Behandlung nach Deutschland ausgeflogen“. So steht am Ende der Rettungsaktion das rettende Krankenhaus in Deutschland.

Interessant ist der erzählerische Duktus der Bild-Untertextes, der dem ganzen die nötige Dramatik verleiht und Nähe herstellt. „Noch schweben Staub und Qualm in der Luft ...“ beginnt der Text und sofort ist der Leser damit in der Aktualität des Geschehens. Eine Recherche der kompletten Bilderstrecke in der Bilddatenbank von AFP lässt dagegen  vermuten, dass seit der Explosion schon einige Zeit vergangen ist. Dort scheint es bzgl. des Rauchs – insbesondere aufgrund der auf anderen Bildern deutlich erkennbaren orangenen Farbe des Rauchs – als wäre dieser durch Leuchtfakeln entstanden, die vom Militär genutzt werden um dem Rettungshubschrauber einen Landeplatz anzuzeigen. Möglicherweise ist es auch ein Übersetzungsfehler: In der Original-Caption ist von „dust and smoke flares“ die Rede, wobei Smoke Flares als Rauch oder Leuchtfakeln ins Deutsche übersetzt werden. Der Staub stammt mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit nicht von der Explosion, da auch die verbundenen Beine des Soldaten  darauf hinweisen, dass die Explosion schon etwas länger zurückliegt.

Besonders perfide ist an diesem Beispiel, wie ein Hollywood-Spielfilm hier als Referenz für soldatisches Handeln im Krieg gesetzt wird: Nicht mehr der  Film orientiert sich an der Realität, sondern die Realität am Film. „Ihr Kamerad überlebt – wie der Soldat im Steven Spielbergs oscar-gekröntem Film „Saving Private Ryan““ heißt es im Text. Dabei ist wichtig zu wissen, dass „Saving Private Ryan“ eine fiktive Geschichte ist, die auf der Folie der Landung der Alliierten in der Normandie erzählt wird. Eine Gruppe von US-Soldaten wird im Film losgeschickt um den hinter den feindlichen Linien abgesprungen Soldaten zu retten. Gesteigert wird im Artikel die Bedeutung des Filmes durch den Hinweis auf den Oscar-Gewinn. Dies macht die Geschichte des Films jedoch nicht realer oder glaubwürdiger. Die einzige Verbindung zwischen Film und Soldat ist der Name des Soldaten: Ryan. Dass diese fiktive Geschichte hier als Folie für den Afghanistan-Krieg genutzt wird, ist das wohl deutlichste Zeichen für die Propaganda-Botschaft die sich hier entfaltet.

Auch das Bild an sich spricht nicht dafür, dass der Aufhänger der Geschichte ein herausragendes Nachrichtenbild war.  Das Bild verfügt weder über herausragende visuelle Qualitäten, noch hat es einen besonderen Nachrichtenwert. Rettungs-Aktionen wie diese gehören zum Alltag des Krieges westlicher Streitkräfte in Afghanistan. Umso interessanter ist die Frage, warum VIEW die amerikanischen Soldaten zu Helden stilisiert und was damit bezweckt wird. Dank dem Hinweis auf die filmische Kriegs-Maschinerie von Hollywood funktioniert dieses Stilisierung (fast) perfekt.

Mittwoch, 31. Oktober 2012

Dokumentarfotografie und lokale Referenz

Per Zufall bin ich beim surfen auf die Website des guatemaltekischen Foto-Festivals GuatePhoto[1] gestoßen, das im November in Guatemala Stadt stattfinden wird. Beim Blick auf die Aufmachung der Webseite, die dort präsentierten Bilder und Themen habe ich angefangen mich zu fragen, wie viel lokale Referenz ein Festival eigentlich braucht, welches sich unter anderem mit Dokumentarfotografie beschäftigt.

Vielleicht ist zu Beginn dieser Reflektion, ein Blick auf meinen persönlichen Hintergrund durchaus wichtig. Für viele Jahre habe ich mich in verschiedenen Organisationen mit der politischen Situation und den Menschenrechten in Guatemala beschäftigt. Davon ist natürlich im Hinterkopf ein bestimmtes Bild des zentralamerikanischen Landes geblieben. Wie jedes Bild ist dieses natürlich subjektiv geformt. Es ist geprägt von den Erinnerungen an den Bürgerkrieg und seine nicht verarbeiteten Folgen, vom Wissen um die Gewaltwellen die das Land überzogen und überziehen, sowie dem Gedanken an die krasse soziale Ungleichheit die im Land herrscht. Nicht verwunderlich also dass ich mich frage, ob dieses Bild Guatemalas auch auf einem lokalen Fotografie-Festival präsent ist.

Nun ist diese Frage natürlich erst ein Mal hypothetisch – und als solches, also als reine gedankliche Spielerei, soll sie auch behandelt werden – da ich ausser über die Webseite des Festivals keinen Überblick über die Arbeiten habe, die auf dem Festival gezeigt werden. Ich kann also keine Aussage treffen, ob z.B. die lokalen ausstellenden Fotografen diese von mir angesprochene Perspektive – diesen Blick – auf ihr Land thematisieren oder nicht. Aber ich kann Fragen in den Raum werfen die vielleicht das Potential haben, über die aktuelle Form globalisierter Fotografie kritisch nachzudenken.

Denn mit nichts anderes haben wir es meiner Ansicht gerade zu tun. Wenn es visuell kaum einen Unterschied macht, ob ein Fotografiefestival in Deutschland, den USA, Japan oder Guatemala stattfindet, ist dies sicherlich ein Ausdruck globalisierter Bildkultur. So weit so gut. Aber ist es das was wir eigentlich wollen? Ist dies die Konsequenz der Dominanz bildjournalistischer Fotografie europäischer und nordamerikanischer Prägung? Welchen Interessen wird dies gerecht?

Bleiben wir noch ein Mal beim Beispiel Guatemala. Man kann sicherlich vom Festival GuatePhoto nicht verlangen, die Realität des Landes repräsentativ abzubilden. Aber sollte ein Festival nicht zumindest einen Blick auf die sozialen Realitäten des Landes, in dem das Festival stattfindet, aufzeigen? In Guatemala sind fast 60% der Bevölkerung Indigenas, meist Nachfahren der Maya. Die – meist weiße – städtische Oberschicht macht nur einen kleinen Teil der Bevölkerung aus. Aber visuell ist sie viel stärker repräsentiert.

Ein anderer Blick auf eine guatemaltekische Fotoschule, die Fototeca, zeigt dies deutlich. Dort wird der Workshop „Fotografie Documental y Eventos“ (Dokumentarfotografie und Events)[2] angeboten mit dem Ziel zu lernen, wie Hochzeiten in einem Dokumentarstil fotografiert werden können. Unzweifelhaft lassen die Beispielbilder darauf schließen, dass es hier um die weiße Oberschicht geht. Dies gilt auf ähnliche Art und Weise auch für die Modefotografie der Region.

Ist es nun überzogen von Fotografie-Institutionen in Guatemala und anderen Ländern des globalen Südens zu verlangen, dass sie sich mit ihrer Gesellschaft beschäftigen? Ist es nicht wichtig, dass diese Institutionen sich ihrer privilegierten Stellung in der Gesellschaft bewusst sind und über die Grenzen der eigenen Schicht hinaus denken und vor allem fotografieren? Was heißt dies im Umkehrschluss für Institutionen in Deutschland? Was sind Themen und Felder die hier systematisch ausgeblendet werden?

Ich denke, dass diese Perspektive hier wie dort wichtig ist. Ebenso wie wir uns in Deutschland fragen müssen, wo das Bild und die Perspektive Nicht-Weißer in den Medien ist und wie marginalisierte Gruppen in der Fotografie repräsentiert werden bzw. sich dieses Medium aneignen, gilt dies für alle anderen Länder der Welt ebenso. Natürlich darf die Konsequenz bezogen auf Guatemala umgekehrt auch nicht der exotische, indigenistische Blick auf die Gesellschaft sein, der nach visuellen Stereotypen in Form von alten Menschen in Trachten vor armen Holzhütten sucht. Aber zwischen diesem Blick und demjenigen auf die Welt der weißen Oberschicht, gibt es unzählige Realitäten die zu zeigen ungemein interessant ist und die zweifelsohne auch gezeigt werden. Vielleicht bedarf es ein bisschen mehr der Anstrengung, diese Perspektiven auch zugänglich zu machen.


[1] http://guatephoto.org/
[2] http://lafototeca.org/index.php?option=com_k2&view=item&id=205:foto-documental-y-eventos-iv%C3%A1n-guevara-lab-internacional&Itemid=33

Montag, 22. Oktober 2012

Neue Publikationen zu Fotografie und Krieg

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Wie auch auf diesem Blog thematisiert, gab es in diesem und dem letzten Jahr einige Ausstellungen, die sich im weitesten Sinn mit dem Thema von Fotografie und Konflikt beschäftigten. Im folgenden möchte ich auf einige neue Publikationen zu diesem Themenkomplex hinweisen, darunter zum Teil die Kataloge der erwähnten Ausstellungen, aber auch einige neuere wissenschaftliche Publikationen.

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Hier die Liste der Publikationen mit kurzen Kommentaren:

-       Beil, Ralf und Ehmann, Antje (Hrsg.) (2011): Serious Games: Krieg Medien Kunst

Katalog einer multimedialen Ausstellung auf der Margaretenhöhe in Darmstadt 2011.

-       Dander, Patrizia und Enwezor, Okwui (Hrsg.) (2012): Bild Gegen Bild / Image Counter Image, Verlag der Buchhandlung König

Katalog der gleichnamigen Ausstellung im Münchner Haus der Kunst 2012.

-       Hillgärtner, Jule (2012): Krieg darstellen, Kadmos Verlag

Dissertation der Kunstwissenschaftlerin und Ausstellungsleiterin der RAY 2012.

-       Hoffmann, Felix (2012): Unheimlich vertraut. The Uncanny Familiar, Verlag der Buchhandlung König


Katalog der gleichnamigen Ausstellung bei C/O Berlin im Jahr 2011.

 

-       Petersen, Thomas und Schwender, Clemens (Hrsg.) (2011): Die Entschlüsselung der Bilder. Methoden zur Erforschung visueller Kommunikation, Von Halem

Neues Methodenbuch für die empirische Kommunikationsforschung bezogen auf das Medium Bild.

-       RAY Fotografieprojekte (2012): MAKING HISTORY - RAY 2012 Fotografieprojekte Frankfurt/RheinMain, Hatje Cantz Verlag

Katalog der gleichnamigen Ausstellung des Fotografiefestivals in Frankfurt.

-       Runge, Evelyn (2011): Glamour des Elends, Böhlau Köln

Dissertation über sozialkritische Fotografie am Beispiel von Sebastia Salgado und Jeff Wall.

-       Verschueren, Ralf (2012): Picturing Afghanistan: The Photography of Foreign Conflict , Hampton Press

Interessante Untersuchung über die pressefotografische Darstellung des Afghanistankrieges.

Montag, 15. Oktober 2012

Fotojournalismus – Alles eine Frage der Haltung?


Was unterscheidet den professionellen Fotojournalisten in Zeiten der Allgegenwart von Smart-Phones und Digitalkameras eigentlich vom gewöhnlichen Amateur-Fotografen oder Bildproduzenten? Wenn eines der zentralen Kriterien der Nachrichtenwelt heute die Schnelligkeit ist, die wie auch immer fotografierte Dokumentation eines Ereignisses, wofür braucht es dann noch professionelle Fotojournalisten?

Um es gleich vorwegzusagen: es soll hier nicht um eine Bashing der Fotojournalisten gehen, um einen Abgesang auf ihre Profession. Ich möchte hingegen ein paar Gedanken zu diesem Berufsstand formulieren, die mir wichtig erscheinen um diesen weiterzuentwickeln und als relevantes Berufsfeld zu erhalten. Der Hintergrund dieser Überlegungen liegt in vielen Gesprächen, die ich im vergangenen Jahr im Rahmen der Recherchen für meine Promotion mit Fotojournalisten geführt habe.

Dabei ist es mir wichtig, zuerst den Rahmen meiner Überlegungen zu skizzieren. Vor allem drei Phänomene sind es, die meiner Ansicht nach große Auswirkungen auf den zeitgenössischen Fotojournalismus haben. Zum einen der Siegeszug der Digitalkameras. Digitalkameras haben die Schwelle zum Einstieg in die (semi-)professionelle Fotografie erheblich gesenkt. Anhand der Kameras ist heute oft nicht mehr unterscheidbar, ob wir es mit einem Amateur oder einem Profi zu tun haben. Dazu kommen die Smartphones. Es ist davon auszugehen, dass heute in so gut wie jeder sozialen Situation mindestens eine Person anwesend ist, die ein Handy mit Kamera besitzt. Damit ist es auch möglich, von fast allen sozialen Situationen an Bilder zu kommen. Wenn kein Fotojournalist verfügbar war greifen die Medien auch heute schon auf Bilder von Smartphone-Benutzern zurück, sofern es sich um ein relevantes Ereignis und eine als wichtig empfundene (Bild-)Nachricht handelt. Ein dritter Aspekt ist die Allgegenwart von Bildern. Ob im öffentlichen Raum, in den U-Bahnen oder dem eigenen PC, ob auf dem eigenen Facebook-Profil oder den Flickr-Accounts von Freunden. Bilder sind überall und diese Verfügbarkeit lässt die Wertigkeit von Bildern und das Verständnis für die Notwendigkeit und die Berechtigung, professionell journalistische Bilder zu produzieren sinken.

Die Frage ist, wie das fotojournalistische Gewerbe sich demgegenüber positionieren kann. Denn dass eine Positionierung erfolgen muss, ist sicherlich allen klar, denn nicht umsonst ist das Gerede von der Krise des Marktes in den letzten Jahren nicht gerade weniger geworden. Natürlich ist es dabei wichtig, auf die Qualität einzugehen, auf den Unterschied in der Bildgestaltung und der fotografischen Arbeit von Amateuren und Profis. Denn hier sind unstreitbar Unterschiede zu finden. Und wenn es über das reine dokumentieren von Ereignissen hinaus um Features und Dokumentarfotoprojekte geht, haben natürlich nur noch Profis das Können und das Wissen um diese produzieren zu können. Aber leider ist dies nur ein kleiner Teil des Marktes, und ein Großteil der Bilderflut besteht heute aus tatsächlichen oder vermeintlichen Bildnachrichten, die eben theoretisch auch von Nicht-Profis produziert werden könnten.

Der zentrale Unterschied zwischen Amateuren und Profis muss meiner Ansicht nach an der Frage der Haltung festgemacht werden. Oder der Einstellung, wem dieser Begriff besser passt. Einige mögen hier sofort aufschreien, und einen Versuch vermuten, durch die Hintertür die Ideologisierung des Fotojournalismus einzufordern um journalistische Standards aus dem Fenster zu schmeißen. Weit gefehlt. Es geht mir darum zu erörtern, mich welchem Wissen, welcher Reflektion der eigenen Arbeit und gesellschaftlicher Prozesse Fotojournalisten ans Werk gehen sollten. Für den Smart-Phone Besitzer ist es einfach: Sieht er etwas was er interessant findet, drückt er auf den Auslöser. Bildethische Fragen, Einschätzungen zu seiner Rolle etc. müssen ihn nicht tangieren. Er ist Beobachter einer sozialen Situation, die er zufällig dokumentiert. Anders hingegen verhält es sich meiner Ansicht nach mit dem Fotojournalisten. Seine gesellschaftliche Aufgabe, aus welchem Grund auch immer er diese gewählt hat, ist die Produktion von Bildern in einem journalistischen Kontext. Damit verfügt er auch über eine gewisse gesellschaftliche Macht. Er sollte sich, anders als der Smart-Phone Benutzer über die Konsequenzen seines gesellschaftlichen Handelns Gedanken machen. Hier kommt der Punkt der Haltung hinzu. Haltung bedeutet für mich, dass der Fotojournalist sich seiner gesellschaftlichen Verantwortung bewusst ist, dass er die Art und Weise wie und was für Bilder er produziert reflektiert und selbstkritisch ist bezüglich der Rolle von Bildern in der Gesellschaft. Dies ist natürlich besonders relevant für die fotojournalistische Arbeit über Konflikte. Aber es spielt letztlich bei jeder fotografischen Produktion eine Rolle. Deswegen müssen Fotojournalisten über eine große Bildkompetenz verfügen, über Bild-Wissen hinsichtlich der von ihnen bearbeiteten Themen. Warum wird wer in Bildern wie dargestellt muss eine zentrale Fragestellung sein. Dies gilt für die ganze Bandbreite von Themen, sowohl bezüglich des Afrika-Bildes, als auch der fotografischen Darstellung von Geschlechterrollen, wie auch dem Umgang mit gesellschaftlicher Diversität. Journalistische Bilder zu produzieren bedeutet eine Form gesellschaftlicher Macht, da sie im besten Fall gesellschaftliche Diskurse prägen. Insofern brauchen Fotojournalisten eine Haltung, mit die sie bezüglich ihrer Arbeit und ihrer gesellschaftlichen Rolle eine Position beziehen. Damit würden sie sich zentral von Bilder produzierenden Amateur-Fotografen unterscheiden und könnten obendrein fruchtbare Impulse bezüglich einer Neu-Ausrichtung fotojournalistischer Arbeit senden.

Dienstag, 9. Oktober 2012

UPDATE: Falsche Bildverwendung in der SZ

Am 27. September hatte ich in meinem Blogbeitrag „SZ-Bildredaktion greift in die Klischee-Kiste“ bereits die fragwürdige Bebilderung eines SZ-Artikels diskutiert. Weitere Recherchen im Internet ergaben, dass das Bild, welches mit der Bildunterschrift „Vom Ziel eines eigenen Staates weit entfernt: Palästinenser werfen Steine auf israelische Sicherheitskräfte“ den Artikel über die (Nicht-) Thematisierung des Nahostkonflikts auf der UN-Generalversammlung bebilderte, aus einem völlig anderen Zusammenhang stammt. In der Online-Datenbank der Nachrichten-Agentur AP ist es einsehbar. Hier der Link. Es stammt schon vom 18. September diesen Jahres und zeigt Proteste im palästinensischen Flüchtlingslager Shuafat in Ost-Jerusalem gegen den Mohammed-Film. Damit ist noch fragwürdiger, warum es als Bebilderung des Artikels benutzt wurde, wenn nicht aus dem Grund visuelle Klischees zum Nahostkonflikt zu bedienen. Darüber hinaus ist die Bildunterschrift fragwürdig. Es ist zwar sachlich richtig, dass Palästinenser hier Steine schmeißen, aber der Anlass, welcher zu diesem Ereignis führt, wird nicht erwähnt und macht das Bild damit wertlos. Die Frage nach einem palästinensischen Staat jedenfalls wird im Bild nicht thematisiert.

Diese Bebilderung ist leider ein gutes Beispiel für eine zunehmende Praxis in den Bildredaktionen, Artikel im Sinne einer frei interpretierten Illustration des Artikel-Themas zu bebildern und damit ungenaue und zum Teil falsche Assoziation zwischen Bild-Inhalt und Artikeln herzustellen. Letztlich wird damit auch die Glaubwürdigkeit von Nachrichtenfotografie untergraben.

Dienstag, 2. Oktober 2012

Wie die PR-Logik die Diskussion über Bilder von Kriegen und Konflikten überlagert


Gedanken zu einem zentralen Feld der Diskussion um Kriege und Konflikte, ihre visuelle Darstellung und das vermeintliche Aufkommen von Bilder-Kriegen im 20. Jahrhundert.

Im Grunde ist es doch eine simple Gleichung: Wenn ich moralisch einwandfrei und integer handele, dann muss ich Bilder, welche die Konsequenzen dieses Handelns zeigen nicht fürchten. Oder? Soweit so gut. Warum ist dann in der Diskussion über Bilder von Kriegen und Konflikten immer wieder die Rede davon, dass Bilder Waffen in den Händen des Gegners sein können, dass der Zugang zu den militärischen Auseinandersetzungen beschränkt werden muss? Lassen wir mal die Bilder, welche von terroristischen Gruppierungen inszeniert werden weg, und widmen uns den Kriegen der westlichen Mächte im letzten Jahrzehnt, dem Irak-Krieg, dem Afghanistan-Krieg oder dem Gaza-Krieg. Was haben die US-Army, die israelische Armee, oder die NATO-Verbündeten zu fürchten, wenn Bilder von Opfern ihrer Kriege gezeigt werden? Wenn der Einsatz gerechtfertigt ist, wenn den beteiligten Nationen und den Familien der Angehörigen die Risiken und Gefahren bewusst sind, werden sie doch auch sicher mit den Opfern von Kriegen umgehen können. Oder? Und falls nicht, werden sie vielleicht den Krieg in Frage stellen, seine Logik und seine (menschlichen) Kosten und Alternativen fordern. Aber wäre das so schlimm? Genau das ist es, was die Militärs fürchten. Deshalb, deklarieren sie Bilder zu Waffen, da es ihre Logik der militärischen Konfliktlösung in Gefahr bringen könnte. Und aus der Perspektive einer Public-Relation Kampagne, die heute immer Teil moderner Feldzüge ist, erscheint es natürlich ebenfalls verheerend, wenn Bilder die negativen Folgen des Handelns eines Akteurs zeigt, von dem eigentlich ein moralisch-integres Image kreiert werden soll. Aber sind (Foto-) Journalisten, die dieses Image in Frage ziehen, die durch ihre Bilder und Berichterstattung ein anderes Bild zeichnen, gleich Feinde? Muss ich sie von Schlachtfeld verbannen? In keinem Fall. Sie decken auf, was Alltag des Krieges und seine Konsequenzen sind. Nicht die Bilder töten, sondern die Waffen und der Alltag des Krieges. Die Informationen  der Journalisten sind wichtig, damit sich die Menschen ein Bild machen und eine Meinung bilden können. Bilder als Waffen zu bezeichnen, dient ausschließlich den Interessen der militärischen und den sie mandatierenden Akteure und sollte weder in den journalistischen noch in den alltäglichen Sprachgebrauch übergehen.