Montag, 4. Januar 2016

Fokus Palästina

Zurzeit ist in Paris ein spannendes Ausstellungsprojekt zu sehen: die Biennale für Fotografie aus der zeitgenössischen arabischen Welt. An acht Orten, darunter dem Institut du Monde Arabe sowie der Maison Européenne de la Photographie sind die Werke von 50 Fotografen ausgestellt. Einige der Arbeiten stammen von palästinensischen Fotografen oder haben Palästina zum Thema und werfen einen spannenden und unbekannten Blick auf die Region. Diese sollen hier kurz vorgestellt werden.

Der palästinensische Künstler Yazan Khalili beispielsweise zeigt im Institut du Monde Arabe seine Fotoserie „Paysage de l'Obscurité“. Es sind düstere Nachtaufnahmen von Landschaften, die im Dunkeln liegen. Auf einem Bild erstreckt sich dazu am Horizont eine erleuchtete Ebene, auf einem anderen eine hell erleuchtete Straße. Es ist der typische Blick von den Bergen der Westbank hinunter nach Israel zu den urbanen Zentren am Meer. Khalili nimmt hier über die Frage der Beleuchtung die Asymmetrie des israelisch-palästinensischen Konflikts auf Korn.

Amélie Debray - Spectatrices du stade Al-Bireh de Ramallah, Palestine, 2011 © Amélie Debray
Courtesy Galerie du Jour Agnès b, Paris
Dem Thema Fußball in Palästina widmet sich die französische Fotografin Amélie Debray. In einer umfangreichen fotografischen Recherche mit dem Titel „Surface de réparation“ zeigt sie die Fußballbegeisterung des palästinensischen Volkes, egal ob Kinder, Männer oder Frauen. Eine tolle Alltagsbeobachtung zeigt beispielsweise eine Gruppe junger Frauen im Stadium von Al-Bireh bei Ramallah. Freundlich lächelnd blickt eines der Mädchen forsch direkt in die Kamera. Debray hat ein wunderbares Porträt des Alltags in Palästina geschaffen, das sich angenehm aus dem Kanon fotografischer Reportagen über die Region abhebt.

Etwas ratlos lässt den kritischen Betrachter die Arbeit „Gaza: eau miracle“ von Massimo Berruti zurück. Sie ist Teil eines größeren fotografischen Projekts, das der italienische Fotograf für die französische Entwicklungshilfeagentur AFD erarbeitet hat. Die in der Maison Européenne de la Photographie gezeigte Arbeit versammelt Bilder aus dem Gazastreifen, die den Umgang mit der knappen Ressource Wasser und daraus entstehenden Problemen zeigen sollen. Über begleitende Texte ist sie in einen sehr politischen Diskurs eingebettet, der die Wasserknappheit als Folge der israelischen Besatzungspolitik darstellt. So weit so gut.

Leider fokussieren die kontrastreichen Schwarz-Weiß Bilder stark auf Kinder im Gazastreifen und zeigen den Küstenstreifen fast ausschließlich als einen miserablen Ort. Andere Themen die einem zu Wasser in den Sinn kommen. z.B. des unterschiedlichen Gebrauchs von Wasser in der Unter- oder Oberschicht, werden nicht aufgegriffen. Damit steht die Arbeit in einer Tradition von Arbeiten die von internationalen Organisationen finanziert werden und den Fokus ausschließlich auf die Misere richten und damit den Opferstatus der Palästinenser zementieren.

Daneben sind in der Ausstellung im Institut du Monde Arabe Bilder des palästinensischen Fotografen Steve Sabella zu sehen, der mittlerweile in Berlin lebt, sowie von Mohammed Abusal aus dem Gazastreifen. Sabella zeigt seine Serie „38 Days of Re-collection“. Mohammed Abusal dagegen zeigt in seiner Serie „Shambar“ Nachtaufnahmen aus dem Gazastreifen von Orten, die von Generatoren unterschiedlicher Stärke beleuchtet werden und verweist damit auf die Elektrizitätsprobleme im Gazastreifen.

Eine interessante Reflektion in Bezug auf die Rolle der Fotografie im Verhältnis von Unterdrücker und Unterdrückten war in der Ausstellung in einem Statement des palästinensischen Künstlers Yazan Khalili zu lesen: „Der Fotoapparat des Unterdrückten ist die Fortsetzung seines Auges, während der Fotoapparat des Unterdrückers die Fortsetzung seines Geistes ist“.


Zur Biennale ist ein Katalog im Snoeck Verlag (ISBN 978-94-6161-262-5) erschienen. Die Webseite der Biennale stellt darüber hinaus alle beteiligten Künstler einzeln vor. Zur Arbeit von Amélie Debray über Fußball in Palästina ist im Verlag „Les presses du reel“ auch ein umfangreiches Buch erschienen.


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