Im Folgenden habe ich einige knappe Überlegungen zum Verhältnis von Fotografie und Konflikt zusammengetragen. Zu allererst geht es hier darum, verschiedene Ebenen auseinander zu dividieren, was vor allem für die Analyse und die Beurteilung von Bildern über einen Konflikt eine zentrale Bedeutung hat.
Die Geschichte der Beziehung von Bildern und gesellschaftlichen Konflikten ist so alt wie die Bildgeschichte selbst. Schon bei den ersten Versuchen des Menschen in Form von Wandzeichnungen Geschehnisse bildnerisch darzustellen, ging es oft um Alltagskonflikte zwischen Gruppen oder mit der Tierwelt. Diese Auseinandersetzung zieht sich durch die Mediengeschichte des Bildes, von den eben genannten Höhlenmalereien, über Zeichnungen, Malerei, Druckgrafik, die Fotografie und das Bewegtbild. Heute ist die Fotografie das zentrale Medium des statischen Bildes in dem gesellschaftliche und soziale Konflikte verhandelt werden. Dabei stellt sich die Frage, was das Besondere im Verhältnis von Fotografie und Konflikt ist und auf welchen Ebenen sich dieses Verhältnis beschreiben lässt.
Ausgangspunkt jedes fotografischen Produktes ist der fotografische Akt. Dies ist der zentrale Moment der Interaktion zwischen dem Fotografierenden und dem Fotografierten. Wenn der fotografische Akt innerhalb einer Konfliktsituation stattfindet, so ist dieser Akt auch der Dynamik des Konfliktes unterworfen. Meist sind die Fotografierten auf die eine oder andere Teil dieses Konflikts und die Fotografierenden begeben sich bewusst in diesen Konflikt um dort Bilder zu produzieren oder sind selbst Teil dessen weil ihr Lebensmittelpunkt dort liegt. Die Relevanz beim fotografischen Akt liegt hier vor allem in der sozialen Interaktion, aus der ein bestimmtes fotografisches Produkt in Form eines Einzelbildes oder einer Serie entsteht. Die Einführung der Kamera in eine soziale Situation bedeutet dabei immer auch eine Veränderung dieser Situation und vor allem in Konfliktsituationen kann dies unterschiedliche Auswirkungen für den Fotografierten wie für den Fotografierenden haben. Was hier stattfindet ist eine Produktion von Rohmaterial für den weiteren Prozess der Bedeutungskonstruktion.
Die Fotografien, die aus einer solchen fotografischen Situation entstehen, sind als Zeugnisse bzw. Referenzen dieser Situation zu betrachten. Trotz der Genauigkeit der fotografisch-technischen Abbildungsmöglichkeiten gelten die entstanden Bilder nicht als reine Abbilder der Realität, sondern als subjektive Wirklichkeitskonstruktionen des Fotografierenden. Aufgrund der Anwesenheit des Fotografierenden bei der Produktion des Bildes ist jedoch eine gewisse Authentizität gegeben, die den enstandenen Bildern eine gewisse Glaubwürdigkeit und dokumentarischen Charakter verleiht. Diese Fotografien können dann verschiedenen Verwertungskontexten zugeführt werden: einem journalistischen, einem künstlerischen oder einem werblichen Kontext. Ein bestimmtes Bild mit einer bestimmten Intention wird ausgewählt, um als Referenz zu der real stattgefundenen Situation gezeigt zu werden. Derjenige welcher diese Fotografien auswählt, sowie der Fotografierende der mit einer Auswahl die er zur Weiterverwertung zur Verfügung stellt den ersten Schritt geht, verfolgen eine bestimmte Intention und wollen eine bestimmte Botschaft übermitteln, die nicht unbedingt derselben Intention folgen muss.
Eine neue Ebene kommt durch den Kontext der Veröffentlichung bzw. der Präsentation hinzu. Je nach Veröffentlichungsmedium, ob Zeitung oder Zeitschrift, der Anpassung des Kontextes durch das Hinzufügen von Bildunterschriften und die Einbettung in einen Text wird die Lesart des Bildes zentral beeinflusst. Dem Rezipienten wird eine dominierende Lesart bzw. Bedeutungskonstruktion vorgegeben, die er übernehmen oder der er sich widersetzen kann. Hier steht nicht mehr die Aussage des Fotografierenden im Vordergrund, sondern das Bild wurde ausgewählt um ein bestimmtes Thema bzw. eine bestimmte Nachricht zu bebildern. Im Idealfall korrespondiert dies mit der Intention des Fotografierenden und bilden Text und Bild eine gemeinsame Ebene. Das Bild ist hier in jedem Fall zu allererst als ein publizistisches Produkt zu betrachten und erst in zweiter Linie als das Produkt des Fotografierenden. Die Summe der publizierten Bilder über einen Konflikt machen dann die Bildberichterstattung über diesen aus. Daraus kann z.B. auf eine bestimmte dominierende Ikonografie geschlossen werden. Diese ist dann sowohl Resultat der Bildauswahl durch die Redaktionen als auch der Produktion der Fotografen. Inwieweit das pressefotografische Bild über einen Konflikt noch der tatsächlichen Ereignisebene bzw. der „Konfliktrealität“ entspricht, ist von mal zu mal neu zu beurteilen und zu diskutieren.