Freitag, 24. Februar 2017

Den Ball flach halten

Es ist schon fast ein erwartbarer Mechanismus, wie er wohl zu allen großen Preisverleihungen unserer Zeit gehört. So auch zur Wahl zum Pressefoto des Jahres. Kaum verkündete Mitte des Monats die Amsterdamer World Press Foundation ihre Entscheidung, schossen die Kritiken ins Land. Dieses Mal, so die Kritiker, habe man dem menschenverachtenden Terror ein Forum geboten und sich in einem komplexen politischen Konflikt auf die Seite einer Partei gestellt.

Grundsätzlich ist dabei nicht zu bestreiten, dass das diesjährige Gewinnerbild des türkischen AP Fotografen Burhan Ozbilici gleich in mehrfacher Hinsicht verstört. Zuerst einmal zeigt es einen Täter. Und nicht nur das, es ist ein Täter in Siegerpose, der, so lassen uns viele Berichte über die Hintergründe des Bildes wissen, auch noch "Gott ist groß" rief, als er den Mord am russischen Botschafter Andrej Karlow beging. Dies verstört, sind wir doch eher gewohnt, Opfer in hilflosen Posen zu sehen, als Täter in Siegesgewissheit. Des Weiteren zeigt das Foto eine Leiche. Auch dies ist eher eine Ausnahme in der aktuellen Berichterstattung und eher ein Bruch ethischer Richtlinien. Immerhin sind weder die Gesichtszüge des Toten zu sehen noch Verletzungen oder Blut.

Burhan Ozbilicis Bild ist im besten Sinne eine fotojournalistische Momentaufnahme. Der Fotograf war, so grausam es klingt, zu richtigen Zeit am richtigen Ort um festzuhalten, wie Mevlüt Mert Altintas den russischen Botschafter bei einer Ausstellungseröffnung in Ankara erschoss. Das war Glück. Ozbilici tat, wofür er ausgebildet worden war. Glück war es auch, dass er durch das Fotografieren nicht selbst zur Zielscheibe des Mörders wurde. Das Bild bekommt seine Bedeutung auch dadurch, dass gerade diese Art von Bildern immer weniger von professionellen Fotografen und immer öfter von Amateuren aufgenommen werden. Insofern ist die Preisverleihung auch eine Huldigung an die professionelle Augenzeugenschaft. Und die muss nicht immer nur positive Nachrichten zu Tage bringen.

Nicht vergessen sollte man jedoch, dass weder die World Press Photo Foundation noch die Medien, in denen die Gewinnerbilder publiziert werden, altruistisch handeln. Sie sind Teil einer Ökonomie der Aufmerksamkeit in der alle Seiten von der Kontroverse profitieren. Die World Press Photo Foundation ist dabei die Speerspitze einer "standard setting industry" von Festivals und Wettbewerben im Bereich des Fotojournalismus. Wie weit deren Vermarktungslogik gehen kann, zeigt eine Initiative von World Press Photo aus dem vergangenen Jahr, auch Prints der Gewinnerbilder zu verkaufen. Ob dies auch mit dem Foto von Ozbilic geschehen wird? Und für die Medien sind die Gratisbilder der Preisgewinner ein willkommener Anlass, um Online Bildergalerien zu generieren und mit wenig Aufwand und Geld hohe Klickzahlen und damit Werbeeinahmen generieren zu können. Angesichts dieser Entwicklungen und den gemeinsamen Interessen der verschiedenen Akteure kommt die Kritik am Gewinnerbild etwas schal daher. 

Zuerst erschienen am 16. Februar 2017 bei M - Menschen machen Medien.

Mittwoch, 15. Februar 2017

Auf den Spuren des deutschen Kolonialismus


Zumindest für Berliner, die mit offenen Augen durch die Stadt gehen und fahren, ist die deutsche Kolonialgeschichte gar nicht so weit weg, wie sie vermeintlich scheint. Ob es die Mohrenstrasse in Mitte ist oder das Afrikanische Viertel im Wedding mit Namen wie der Lüderitzstrasse: Hier ist Kolonialgeschichte und -gegenwart präsent. Neben der großen historischen Ausstellung "Deutscher Kolonialismus – Fragmente seiner Geschichte und Gegenwart" zeigt das Deutsche Historische Museum (DHM) in Berlin noch bis Ende Februar eine beeindruckende Fotoausstellung zum Thema von Andréas Lang.

Andréas Lang, Residentur Kamerun, 2012 © Andréas Lang

Auf den Spuren seines Urgroßvaters, der zwischen 1909 und 1911 bei den sogenannten Schutztruppen der deutschen Kolonie Kamerun diente, bereiste Andréas Lang zwischen 2011 und 2015 mehrmals die Länder Tschad, Kamerun, die Zentralafrikanische Republik sowie das Grenzgebiet des Kongo. Die dabei entstandenen Fotografien und Videoinstallationen setzen sich intensiv mit den Hinterlassenschaften der deutschen Kolonialgeschichte in Afrika auseinander. Die Ausstellung "Kamerun und Kongo – Eine Spurensuche und Phantomgeographie" ist dabei die bisher größte Einzelausstellung von Andréas Lang. Zur Motivation, diese Arbeit zu machen, sagte Andreas in einem Interview für das Neue Deutschland:

"Ausgangspunkt war der Fund eines Tagebuchs und eines Fotoalbums meines Urgroßvaters auf dem Dachboden meiner Mutter. Dieses Material hat mich sehr beeindruckt. (...) Es war klar, dass es hier um deutsche Geschichte und ganz konkret die Kolonialgeschichte geht. Und plötzlich tat sich bei mir ein Panorama an Imaginärem auf, das aber in Bezug zu etwas ganz Konkreten, Historischen stand. Und gleichzeitig hatte ich ein fast unerforschtes Kapitel deutscher Kolonialgeschichte vor mir. Dieses Kapitel der Landnahme und Grenzziehung in Französisch-Kongo ist etwas, von dem kaum einer etwas weiß".

Die Besonderheit der Ausstellung ist, dass Andréas Lang nicht nur mit seinen eigenen Bildern aus der Region arbeitet, sondern auch historische Bildkonvolute miteinbezieht. Wie er damit umgeht, dazu bezog er ebenfalls im Interview Stellung:

"Mir war wichtig, die ungeschminkte Realität und das Ungeschönte des Kolonialismus sichtbar zu machen, die sich in diesen Bildern findet. Deswegen werden die Bilder in der Ausstellung groß an die Wand projiziert. Es war ein Glücksfall, dass ich die Privatalben des Offiziers Jesco von Puttkamer und des bayrischen Eisenbahningenieurs Sedlmayr, der die Idea-Mittellandbahn gebaut hat, überhaupt entdeckt habe. Das war auch deswegen wichtig, um durch eine Aufarbeitung der historischen Dimension über meine eigene Familiengeschichte hinauszugehen".

An Andréas Lang (Familien)Geschichte ist nicht nur der Urgroßvater und dessen Kolonialvergangenheit interessant. Nicht minder spannend ist Langs eigene Sozialisation im kleinbürgerlichen rheinlandpfälzischen Zweibrücken. Den Ausbruch von dort hin zur beachteten künstlerisch Fotografie schaffte er unter anderem mit Hilfe der Punkband "Nasse Hunde", in der er zwischen 1983 und 1985 spielte.

Das komplette Interview ist für Abonnenten des Neuen Deutschland zu lesen. Die Ausstellung von Andréas Lang läuft noch bis zum 26. Februar 2016 im DHM und ist täglich zwischen 10 und 18 Uhr geöffnet (Eintritt 8 Euro, Ermäßigt 4 Euro; Unter den Linden 2, 10117 Berlin).

Montag, 6. Februar 2017

Sicherheit von Daten im Konflikt


Wenn es um die Arbeit von Journalisten und Fotografen in Konflikten und Kriegen geht, dann steht neben den Schwierigkeiten bei Recherche und Produktion von Bildmaterial meist die physische Sicherheit als Thema im Vordergrund. Dies ist insofern zutreffend, als dass der Journalismus in Krisenregionen ein gefährliches Geschäft ist. Eher selten wird thematisiert, dass auch die Daten der Journalisten, seien es Audio-, Bild oder Filmdateien eine Gefahr darstellen können. Dies gilt sowohl für die Urheber dieser Daten als auch diejenigen die in diesen Daten als Zeugen oder Quellen vorkommen. Einen neuen Anlauf, das Thema ernster zu nehmen haben 150 Fotografen und Kameraleute gestartet und einen offenen Brief an die Kamerahersteller Nikon, Olympus und Sony geschrieben, in der sie eine Datenverschlüsselung für professionelle Kameras fordern.

Initiiert wurde der offene Brief (https://www.documentcloud.org/documents/3238288-Camera-Encryption-Letter.html) von der Freedom of the Press Foundation (FPF) (https://freedom.press/news/over-150-filmmakers-and-photojournalists-call-major-camera-manufacturers-build-encryption-their-cameras/) aus San Francisco. Zu den Erstunterzeichnern gehörten bekannte Fotograf_innen wie Lynsey Addario, Susan Meiselas oder Abbas vom der Agentur Magnum. Begründet wurde das Ansinnen damit, dass das Konfiszieren von Kameras mittlerweile zu einem alltäglichen Repressionsinstrument gegenüber Fotojournalist_innen und Kameraleuten geworden ist. Da professionelle Kameras nicht standardmäßig mit Verschlüsselungssoftware ausgestattet sind, gelangen somit Bilder und Videos immer wieder in die falschen Hände.

Der komplette Artikel mit Statements zum Thema von deutschen Fotografen findet sich auf dem Portal M Online der DJU in ver.di.