Mittwoch, 30. Dezember 2015

Das Jahr im Bild bei der FR


Würde man den Abgesang des Fotojournalismus einleiten wollen, es gäbe sich wohl kaum eine bessere Gelegenheit, als die immer wiederkehrenden Zusammenstellungen von Jahresrückblicken in Bildern um Weihnachten und Silvester durch deutsche Tageszeitungen. Meist wahllos und ohne Wissen über Fotografie und das journalistische Bild werden dafür Agenturfotografien miteinander kombiniert. Am Beispiel „Das Jahr im Bild“ der Frankfurter Rundschau soll dies hier kurz aufgezeigt werden.


Der Jahresrückblick im Bild bei der Frankfurter Rundschau

Die Frankfurter Rundschau publizierte ihre Serie zwischen dem 21.12 und 24.12. in den Rubriken Politik, Wirtschaft und Sport. Aufgrund der besonderen Bedeutung des Themas Flucht im vergangenen Jahr, wurde extra die Rubrik Flüchtlinge dazugepackt. Die einzelnen Rückblicke wurden in der Mitte der Zeitung positioniert, was das Ausnutzen einer Doppelseite über die Falz hinweg ermöglichte. Die Bilder stammten allesamt von Agenturen, zur großen Mehrheit von der französischen Agentur AFP und der russischen Agentur rtr.

Schaut man sich die Übersicht an, so fallen mehrere Dinge auf. Zum einen bleibt unklar, was die Kriterien sind, nach denen die Bilder ausgewählt wurden. Die Vermutung liegt zwar nahe, dass es um die wichtigsten Ereignisse des Jahres geht. Aber da einige Ereignisse fehlen, kann dies nicht das zentrale Kriterium gewesen sein. Ebenso wenig kann die Prägnanz einzelner Bilder der Grund gewesen sein, da viele aus fotografischer Sicht mangelhaft sind. Es finden sich angeschnittene Personen oder nichtssagende Situationen.

Traurig an der Zusammenstellung ist, dass hier relativ viel Platz dem journalistischen Bild gewidmet wird, ohne dass dessen Qualitäten zum Tragen kommen können. Damit wird die Doppelseite zu einem gewissen Grad belanglos. Der viele Platz wird hier verschenkt. Was sich hier bemerkbar macht ist die Tendenz des Onlinejournalismus, Artikeln durch Bildergalerien Mehrwert zu verleihen. Auch dort sind es meistens wahllos kombinierte Bilder verschiedener Agenturen.

Was fehlt, ist Mut und eine Handschrift einer Bildredaktion, über eine besondere Bildauswahl oder die Konzentration auf bestimmte politische Aspekte oder eine oder mehrere Fotografen ein Statement zu setzen und dem qualitativ hochwertigen Fotojournalismus eine Chance zu geben. Vorbei sind die  Zeiten, als die FR in ihrem Magazin jede Woche neue Fotografen vorstellte, die Ute Noll als Bildredakteurin ausgewählt hatte. Da hatte die Fotografie eine Glanzstunde im Zeitungsjournalismus, die bis heute unerreicht ist.

Dienstag, 29. Dezember 2015

Aktuelle Artikel aus dem Herbst


Hier finden sich kurze Teaser zu den Artikeln und Interviews, die von mir im November und Dezember im Neuen Deutschland, bei der Deutschen Welle und bei Qantara veröffentlicht wurden, inklusive der Verlinkungen zu den vollständigen Artikeln.


Der "Jerulin-Prozess"

Vor zwei Jahren verließ Guy Briller Jerusalem und zog nach Berlin. Ich habe mit ihm über seine umfangreiche künstlerische Tätigkeit in der Heiligen Stadt, seine neuen Erfahrungen in Berlin und über Fragen der Zugehörigkeit gesprochen.

FK: Guy Briller, Sie haben viele Jahre lang in Jerusalem gelebt, und mit Ihren Kunstprojekten eine tiefe Verbindung zu diesem Ort geschaffen. Warum ist die Stadt für Sie so interessant?
Guy Briller: Eins der Dinge, die mich bei meinen Beobachtungen über Jerusalem so inspiriert haben, war das Missverhältnis zwischen Versprechen und Wirklichkeit. Die Essenz des Wortes "Jerusalem" auf Hebräisch ist "Eins" oder "Einheit". Also ist das Versprechen der Stadt sehr groß. In gewissem Sinne ist hier der Monotheismus stärker und bedeutsamer präsent als anderswo auf der Welt. Es ist einer der Orte, die es uns ermöglichen nachzudenken, in denen ich mich als "ich selbst" sehen kann, als "Eins". Die Wurzel dessen liegt irgendwo im uralten Mythos des Judentums verborgen, und danach im Christentum und im Islam. Aber die Wirklichkeit ist fast genau das Gegenteil. Diese Gegensätzlichkeit hat mir ein enormes Aktionsfeld eröffnet – die Möglichkeit, Wege zu beschreiben, auf denen man das Offensichtliche durchbrechen und sehen kann, was sich dahinter verbirgt.

Das vollständige Interview wurde am 18.12. auf Qantara veröffentlicht.


Die unbeugsamen Frauen von Kabul

Das Berliner Willy-Brandt-Haus zeigt noch bis Mitte Januar die Ausstellung "Die Unbeugsamen - Vier Frauen in Kabul" der deutsch-afghanischen Fotografin Lela Ahamadzai. Für die Deutsche Welle habe ich mit Ihr über ihre schwierige Arbeit am Hindukusch gesprochen.

DW: Bilder aus Afghanistan in deutschen Medien zeigen meist Krieg und Gewalt. Welches Bild möchten sie mit ihrer Arbeit vermitteln?
Lela Ahmadzai: Ich fotografiere seit 2003 in Afghanistan. Ich zeige ungern blutige Szenen oder Bilder von Frauen mit Burka. Als Klischeebild wird das zwar immer wieder angefragt, aber ich vermeide, diese Erwartungen zu bedienen. Ich habe selbst den Krieg erlebt und weiß, dass nicht ständig Bomben und Raketen explodieren. Durch meine Langzeitdokumentationen kann ich ein anderes Bild zeigen und etwas über das Leben der Menschen erzählen.

Das vollständige Interview wurde am 30.11.2015 bei DW Online veröffentlicht.


Spuren des Vergangenen

Es ist eines der Themen mit der größten politischen Sprengkraft in Israel: die Auseinandersetzung mit dem ersten arabisch-israelischen Krieg aus palästinensischer Perspektive. Was für die Israelis bis heute als der heroische Unabhängigkeitskrieg firmiert, wird im palästinensischen Narrativ als »Naqba«, große Katastrophe, bezeichnet. Damit wird auf die Zerstörung Hunderter Dörfer und die Vertreibung Hunderttausender Palästinenser aus ihrer Heimat in den Jahren 1948 und 1949 Bezug genommen. Der US-amerikanische Fotograf Fazal Sheikh hat dies zum Thema seiner Arbeit gemacht und unter dem Titel »Erasure« dazu ein Fotobuch im Göttinger Steidl-Verlag veröffentlicht.

Der vollständige Artikel ist am 3.11.2015 im Neuen Deutschland erschienen.


Mittwoch, 23. Dezember 2015

Foto-Archive in Israel/Palästina


Der israelisch-palästinensische Konflikt spielt sich nicht nur im alltäglichen Leben der Menschen in der Region ab, sondern auch in der Auseinandersetzung zweier konkurrierender Meta-Narrative bzw. nationaler Erzählungen. Ein wichtiger Pfeiler dieser Narrative ist die kollektive Erinnerung. Eine zentrale Rolle in der kollektiven Erinnerung spielen historische Fotografien und vor allem deren gezielter Einsatz bzw. das gezielte Nutzen zur Untermauerung bestimmter politischer Positionen in der Erinnerung. In diesem Zusammenhang ist eine zentrale Frage, aus welchen Quellen sich die historischen Fotografien speisen und wer heute die Verfügungsgewalt über die Archive und damit die historischen Fotografien hat. 

Es gibt eine ganze Reihe von Archiven mit historischen Fotografien aus der Region, die auch im Internet zugänglich sind. Am besten sortiert und am umfangreichsten sind die Archive zionistischer Organisationen wie der World Zionist Organization (WIZO) oder des jüdischen Nationalfonds (JNF). Dies ist insofern nicht verwunderlich, als dass seit der Gründung dieser Organisationen Fotografen in deren Namen tätig waren, um die Umsetzung des zionistischen Projekts zu dokumentieren. Ein anderes wichtiges und ebenfalls sehr politisches Archiv ist die National Photo Collection, die vom Presseamt der israelischen Regierung, dem Government Press Office (GPO) in Jerusalem verwaltet wird. Neben den Fotografien der Pressefotografen der israelischen Regierungen finden sich hier die Nachlässe bedeutender israelischer Fotografen wie Zoltan Kluger.

Neben den Archiven der zionistischen Organisationen und des israelischen Staates existieren auch umfangreiche private Sammlungen, die ebenfalls online zugänglich sind. Die umfangreichste und bekannteste Sammlung, die vor allem kommerziell genutzt wird, ist unter dem Namen „The Photo House“ bekannt und vermarktet Bilder des Tel Aviver Fotostudios von Rudi Weissenstein. Seit Mitte der 1930er Jahre dokumentierte er das Leben in der Mittelmeermetropole und dem Jishuv. Verschiedene private Fotosammlungen sind auch über die israelische Nationalbibliothek zugänglich.

Weniger umfangreich und weniger gut sortiert sind Archive auf palästinensischer Seite. Dies hängt zum einen damit zusammen, dass die Fotografie historisch gesehen auf Seiten der Palästinenser eine weniger große Rolle spielte als im zionistischen Projekt und zum anderen damit, dass das Projekt der Errichtung eines palästinensischen Staates bis heute in den Kinderschuhen steckt. Am systematischsten wurde das Leben der Palästinenser von den Fotografen des Hilfswerks der Vereinten Nationen für palästinensische Flüchtlinge (UNRWA) dokumentiert. Seit wenigen Jahren wird deren Archiv systematisch digitalisiert. Einige Werke palästinensischer Fotografen finden sich auch im Archiv der Arab Image Foundation aus dem Libanon. Die in Ramallah ansässige gemeinnützige Organisation Al-Qattan Foundation plant im Rahmen des von zu errichtenden Kunstmuseums auch ein Archiv palästinensischer Fotografie aufzubauen.

Bis heute gibt es nur wenig Forschung über die Bedeutung fotografischer Archive in der kollektiven Erinnerung der Israelis und der Palästinenser sowie die politische Verwertung der Bilder zur Unterstützung des jeweiligen Narrativs. Unbestreitbar ist sicherlich, dass die Archive politisch gelesen werden müssen. In einem der wenigen Aufsätze zum Thema schreibt die israelische Kuratorin Rona Sela über die zionistischen Foto-Archive auf der Plattform Ibraaz: „These archives are not neutral and are connected to a national ideological system that loads them with meaning and a Zionist worldview“. Es besteht insofern ein großes Ungleichgewicht, als dass es auf Seiten der Palästinenser sehr viel weniger umfangreiche Fotografie-Archive gibt. Hier Bedarf es in Zukunft großer Anstrengungen diese aufzubauen.