Freitag, 5. Dezember 2014

Afrikastereotype im Buchcover


Das erste was wir sehen, wenn wir ein Buch in die Hand nehmen, ist das Cover. Noch bevor wir uns dem Text zuwenden, ist es eine Art Aufmacher, ein Einstieg der Lust machen soll, den Text zu lesen. Wie problematisch dies sein kann und welche Stolperfallen dabei auf dem Weg liegen, ist mir bei der Lektüre des Buches „Die Landkarte der Finsternis“ von Yasmina Khadra aufgefallen. Die Taschenbuchausgabe ist Anfang 2014 im List Verlag erschienen. Hier einige Gedanken dazu.

Zu erst einmal eine Betrachtung auf der Bildebene. Zu sehen ist ein kleiner Junge mit schwarzer Hautfarbe, bekleidet mit einer kurzen weißen Hose. Die Hände hält er über dem Kopf verschränkt. Er dreht dem Betrachter den Rücken zu und steht leicht schräg im Bild auf einer großen weißen Fläche, vermutlich einem Sandstrand. Er schaut in die Ferne, in der am Horizont, der sich ungefähr im goldenen Schnitt befindet, ein Wasserband sowie ein schwarzer Streifen zu sehen sind, die vermutlich zu einer bewaldeten Insel oder einem Küstenstreifen gehören. Als Text sind auf dem Cover der Name des Autors, der Verlag, sowie der Zusatz Roman zu finden. Der Titel lautet „Die Landkarte der Finsternis“.


Nun ist es nachvollziehbar, dass der Betrachter versucht, den Titel mit dem Bild in Verbindung zu bringen. Und ab hier wird es perfide. Finsternis ist ein Begriff der aus dem kolonialen Repertoire der Beschreibung Afrikas stammt. Finsternis beschreibt das Dunkle und damit werden in einer rassistischen Stereotypisierung auch Menschen mit dunkler Hautfarbe verknüpft. Insofern entstehen durch Titel und Bild eine direkte Beziehung zwischen dem schwarzen Jungen und dem Begriff der Finsternis, der eine Reproduzierung rassistischer, kolonialer Denkmuster bedeutet. Dafür ist es grundsätzlich egal, ob der Titel vielleicht sogar ironisch gemeint ist oder was auch immer. Auf dem Cover steht er für sich.

Noch absurder wirkt die Kombination, wenn man den dazugehörigen Roman gelesen hat. Außer dass die beiden weißen Protagonisten, ein deutscher Arzt und ein deutscher Industrieller, auf dem Weg in die Komoren waren, wo es möglicherweise einen solchen Strand gibt, passieren sie einen Strand nur als Gefangene sogenannter „Piraten“. Eine Anleihe, worauf sich das Titelbild bezieht, gibt es somit nicht. Dabei ist natürlich klar, dass Buchcover eine Illustrationsfunktion haben, und das Kaufinteresse wecken sollen und somit oft vom Text abstrahiert ausgewählt werden. Sie sollten aber sowohl sensibel auf den Bildinhalt, als auch das Thema des Buches gewählt werden und stereotypisierte und verquere Konnotationen wie in diesem Fall tunlichst vermeiden.

Natürlich ließe sich weit hergeholt argumentieren, durch den weißen Strand und den blauen Himmel entstehe ein Kontrast zum Begriff der Finsternis. Aber in welche Richtung auch immer mögliche Rechfertigungsstrategien laufen, angesprochen wird der Betrachter durch das Bedienen rassistischer und kolonialer Stereotype. Dies ist mehr als bedauerlich. Dabei soll hier näher nicht darauf eingegangen werden, dass auch der Text selbst eine traurige Wiederholung stereotyper Afrikabilder von Konflikt und Gewalt darstellt und man sich von Yasmina Khadra mehr erwartet hätte.

Aufschlussreich, ist auch ein Vergleich des Titels der französischen Originalausgabe mit seiner deutschen Variante. Im Original heißt das Buch „L’équitation africaine“, was übersetzt so viel heißt wie die afrikanische Gleichung. Insofern ist „Landkarte der Finsternis“ keine Übersetzung, sondern eine neuer Titel und eine verunglückte Reminiszenz auf ein eigentlich überkommen geglaubten Blick auf Afrika. Überzeugungs- und Sensibilisierungsarbeit ist somit nicht nur bei Gestaltern von Buchcovern, sondern auch bei Lektoren und Übersetzern zu leisten.

P.S.: Ein guter Artikel der sich etwas allgemeiner mit dem stereotypen Bild Afrikas im Westen und der Verwendung des Begriffs Finsternis zur Beschreibung von Afrika befasst, stammt vom SZ-Korrespondenten Arne Perras.

Das Auge des Chronisten

  Noch bis zum 15. Januar 2015 ist im Willi-Brandt-Haus in Berlin die Ausstellung "Ara Güler – Fotografien 1950 – 2005" zu sehen. Im Mittelpunkt der Ausstellung steht die türkische Metropole Istanbul, deren Dokumentation sich Güler Zeit seines Lebens verschrieben hat.

02 © Ara Güler, Fischer, Istanbul, 1950

 "Für mich haben Retrospektiven eine tiefergehende Bedeutung als normale Ausstellungen, weil sie eine Zusammenfassung des ganzen Lebens eines Menschen bieten und dem Zuschauer erlauben, tiefer einzutauchen. Sie eignen sich dazu, den Künstler insgesamt zu präsentieren. Ob das dann auch befriedigend ist, hängt natürlich vom präsentierten Werk und der Meinung des Besuchers ab, das kann ich nicht beurteilen. Fest steht für mich, dass sie einen größeren Wert als normale Fotoausstellungen haben."

Der komplette Artikel ist auf dem Onlineportal Qantara zu lesen.



Montag, 17. November 2014

Trainieren für den Krieg

Digitale Videospielbilder von Militärjeeps, die dem Sonnenuntergang entgegenfahren, von explodierenden Sprengfallen am Straßenrand und verletzten Zivilisten sind in der Ausstellung „Ernste Spiele“ von Harun Farocki im „Hamburger Bahnhof“ in Berlin zu sehen. Fiktionale Beschreibungen von Kriegsereignissen, die den realen militärischen Alltag bestimmen. Neben dem gleichnamigen Video-Zyklus aus den Jahren 2009/10, der Computersimulationen der US-Armee zum Training von Soldaten thematisiert, sind im Ostflügel des Bahnhofs auch zwei ältere Arbeiten Farockis zu sehen: das Video „Nicht löschbares Feuer“ (1969) über den Napalm-Einsatz in Vietnam sowie die Zweikanal-Installation „Schnittstelle“ (1995), in der Farocki seine eigene Arbeit mit vorhandenem Bildmaterial reflektiert. Der Titel der Ausstellung „Ernste Spiele“ hat dabei eine zweifache Bedeutung: Zum einen könnten die Inhalte der Filme kaum treffender beschrieben werden, zum anderen ist es jedoch auch ein Fachterminus, der Simulationen beschreibt, die nicht Unterhaltungszwecken dienen.

Die wichtigste und titelgebende Arbeit der Ausstellung besteht aus vier Teilen, die unterschiedliche Aspekte des militärischen Trainings der US-Armee mit Hilfe von Videospiel-Simulationen zeigen. „Ernste Spiele I: Watson ist tot“ zeigt Rekruten in einem Seminarraum der US-Armee in Kalifornien, die in einem Übungsspiel mit Militärjeeps durch eine Wüstenlandschaft fahren. Das Video „Ernste Spiele II: Drei tot“ enthält dokumentarische Filmaufnahmen von einem Manöver auf derselben Militärbasis. Junge Rekruten werden dort bei einem simulierten Anti-Terror-Einsatz gegen arabische Statisten gezeigt. In das Video hinein sind wiederum Bilder aus Computersimulationen geschnitten. „Ernste Spiele III: Immersion“ thematisiert den Einsatz einer Video-Simulation bei einer Testperson zur Behandlung von Soldaten mit posttraumatischen Belastungsstörungen. Im letzten Teil des Zyklus „Ernste Spiele IV: Eine Sonne ohne Schatten“ steht die technische Beschaffenheit der Software im Vordergrund, die von den Ausbildern benutzt wird, um die Computersimulationen für die Soldaten so realitätsnah wie möglich zu machen.

Obwohl die Arbeit Farockis nah an einer Videospiel-Ästhetik ist, verfolgt der Zyklus „Ernste Spiele I – IV“ eine klare Botschaft. Zu sehen ist kein naives, spielerisches Trainieren in Simulationen, sondern die Vorbereitung auf den Ernstfall: den Krieg und das Töten im Krieg. Die in den Filmen gezeigten Simulationen haben zum Ziel, die Reaktionsfähigkeit der Soldaten zu verbessern oder deren traumatische Erfahrungen so zu behandeln, daß sie wieder einsatzfähig sind. Das Zyklische und immer Wiederkehrende dieses Prozesses und dieser Kriegspolitik zeigt ein Filmzitat: „Die Bilder zur Nachbereitung gleichen denen zur Vorbereitung des Krieges.“ Worum es eigentlich geht, sind nicht die Bilder, sondern die Perfektionierung militärischen Handelns.

Kontrastiert wird der Zyklus von dem im Vorraum präsentierten Film „Nicht löschbares Feuer“. In einer bitterbösen Satire thematisiert der Film den amerikanischen Napalm-Einsatz im Vietnam-Krieg. Während beide Arbeiten die Thematisierung von „Out of Area“-Einsätzen der USA verbindet, könnten sie sowohl stilistisch wie filmisch nicht gegensätzlicher sein. Der Film „Nicht löschbares Feuer“ ist ein ruckelnder 16-mm-Film in Schwarz-Weiß aus dem Jahr 1969. Duktus und Wortwahl sind geprägt vom damaligen Zeitgeist: Von Betrieben und Arbeitern sowie Herrschenden und Beherrschten ist die Rede, wenn die Verstrickung des amerikanischen Chemieunternehmens Dow Chemical in die Napalm-Produktion beschrieben wird. Wichtige Textstellen werden in fetter Blockschrift eingeblendet. So auch der Satz „Der Schaden der Beherrschten ist der Nutzen der Herrschenden“, der wohl kaum treffender den revolutionären Geist der 70er Jahre und das Dilemma amerikanischer Macht- und Wirtschaftspolitik umschreiben könnte.

Der Grund dafür, Farockis Arbeit „Ernste Spiele“ im Hamburger Bahnhof zu zeigen, ist die Schenkung des Werkes durch den Outset Contemporary Art Fund an das Museum. Schade ist, daß andere Arbeiten aus dem Bestand des Hamburger Bahnhofs, wie die Installation „Auge – Maschine“ (2001–2003), die Fragen der visuellen Kriegsdarstellung anhand des Kuwait-Kriegs nachgeht, nicht dazugenommen wurden. Denn die Auseinandersetzung mit dem Verhältnis von Bildern und Krieg ist ein immer wiederkehrendes Thema im Oeuvre Farockis. Schon seit den späten 1960er Jahren beschäftigt er sich mit Fragen der Virtualität und Realität von Bildern. Farockis filmisches Schaffen changiert dabei zwischen Dokumentarfilm und Inszenierung, immer mit dem Finger auf den Wunden der Zeit.

Die Ausstellung "Ernste Spiele" ist noch bis Anfang 2015 im „Hamburger Bahnhof – Museum für Gegenwartskunst“ (Invalidenstraße 50 – 51, Berlin) zu sehen. Weitere Informationen unter www.smb.museum/hbf. Eine Übersicht über Farockis Arbeiten findet sich auf der Website des Künstlers www.farocki-film.de. In der Ausstellung „Schwindelder Wirklichkeit“ in der Berliner Akademie der Künste am Hanseatenweg sind noch bis 16.12. ebenfalls zwei Arbeiten aus Farockis Werk „Ernste Spiele“ zu sehen.

Der Artikel ist zuerst in der Ausgabe 14/2014 der Berliner Zeitschrift Ossietzky erschienen.

Donnerstag, 30. Oktober 2014

Opening Weekend of „This Place“


Last weekend, at the Dox Center for Contemporary Art in Prague, the world premiere of the exhibition „This Place“ was taking place. The project „This Place“ is an international photography project initiated by French Photographer Fréderic Brenner who invited 11 international photographers to participate in a joint project on Israel and the West Bank. These photographers are Wendy Ewald, Martin Kollar, Josef Koudelka, Jungjin Lee, Gilles Peress, Fazal Sheikh, Stephen Shore, Rosalind Solomon, Thomas Struth, Jeff Wall, Nick Waplington and Frederic Brenner himself. Part of the opening weekend were three roundtables with the participating photographers and a guided tour. Below you find some impressions of the weekend. It was an amazing possibility to get a deeper insight into the work of these well know photographers and an interesting and controversial opportunity to get in touch with questions about the visual representation of Israel and the Palestinian Territories. A review in German and maybe in English of the exhibition will follow here and in different media.

Installation view "This Place" Dox Center Prag


Installation view "This Place" Dox Center Prag

The Wall by Joseph Koudelka, "This Place" at Dox Center Prague

Photobooks from "This Place" at Dox Center Prague

Panel discussion with Jungjin Lee and Stephen Shore at Dox Center Prague

Panel discussion with R. Salomon and T.Struth at Dox Center Prague

Frederic Brenner presenting his work at "This Place" at Dox Center Prague

Joseph Koudelka presenting his work at "This Place" at Dox Center Prague

Rosalind Solomon presenting her work at "This Place" at Dox Center Prague


Samstag, 25. Oktober 2014

CHANGING Realities im U-Bahnhof


Als ich vergangene Woche am Berliner Alexanderplatz aus der U8 stieg, um mir die Ausstellung „CHANGING Realities“ der Berliner Gesellschaft für Humanistische Fotografie anzusehen, die dort im Rahmen des Europäischen Monats der Fotografie gezeigt wird, war ich zu erst einmal verloren. In Erwartung einer Ausstellungspräsentation auf dem Bahnsteig, die ich nicht vorfand, verließ ich den Tunnel, um nacheinander alle anderen Bahnsteige am Alex abzuklappern, bevor ich mich an einen BVG-Mitarbeiter wendete. Der wies mich dann darauf hin, dass die Bilder auf den Plakatwänden hinter den Gleisen hängen würden. Damit ist ein spannender  Moment angesprochen, der Teil der Ausstellungskonzeption ist. Was die Ausstellung schafft, ist die Konfrontation mit unseren Sehgewohnheiten und unserer Konditionierung von Seherwartungen und wurde mir exemplarisch zum Verhängnis.


Blick in die Ausstellung - @ GfHF

„CHANGING Realities“ nutzt die Werbeflächen auf den normalerweise dem kapitalistischen Konsum gehuldigt wird, als Ausstellungsfläche. Jede der 18 Arbeiten, die in einem Wettbewerb von über 160 Einreichungen ermittelt wurden, ist mit einem die Werbetafel ausfüllenden Bild vertreten. So ist es zu erst ein Mal die schiere Größe der Bilder die beeindruckt. Eigentlich sind alle gezeigten Arbeiten umfangreiche Fotostrecken, die auf der Webseite des Projekts (www.changingrealities.de) einsehbar sind. Die Tafeln funktionieren als Fenster und versehen mit kurzen Texten erzählen sie 18 verschiedene Geschichten, über ein anderes Europa der Utopien und der sozialen Kämpfe. Die Themen reichen von der Lampedusa Gruppe in Hamburg, über eine Kommune in Estland bis Widerstand gegen Stuttgart 21. Etwas verwirrend ist, dass die Präsentation, unterstützt durch das Layout und die Sponsorennennung, sich so perfekt in die Werbetafeln einfügt, dass man die Ausstellung erst auf den zweiten Blick von klassischer Werbung unterscheiden kann. Verweilt man jedoch einen Moment auf dem Bahnsteig, so wird man Gewahr, dass die Wartenden die Bilder mit größerer Aufmerksamkeit betrachten, als es in der Regel den Konsumanreizen vergönnt ist. Somit schafft „CHANGING Realities“ einen tollen Sprung vom White Cube einer Galerie hinein ins Leben und den Alltag der Menschen und ist damit selbst Beispiel für die Möglichkeit Realitäten zu verändern. Diesen Mut wünscht man mehr Fotoprojekten.

Die Ausstellung ist noch bis 3. November zu den Öffnungszeiten der U-Bahn auf dem Bahnsteig der U8 am Alexanderplatz zu sehen. „CHANGING Realities“ ist ein Projekt der Berliner Gesellschaft für Humanistische Fotografie und wurde von Katharina Mouratidi kuratiert.

Mittwoch, 15. Oktober 2014

Über das Bloggen


Vor kurzem las ich auf dem Blog Fotomonat von Michael Mahlke einen interessanten Beitrag, der sich mit der Zukunft von Blogs über Fotografie beschäftigte. Während ich mich einerseits darüber freute, dass mein eigener Blog und der Wechsel zum Medium Buch, den ich dieses Jahr vollzog, dort Erwähnung fand, so löste dies andererseits auch eine Reflektion darüber aus, welche Funktion dieser Blog und das Bloggen an sich noch für mich besitzen. Vor allem im letzten halben Jahr ist mir aufgefallen, dass es mir zunehmend schwer fällt, regelmäßig Texte für meinen Blog zu finden. Als ich mit dem Bloggen vor mehr als vier Jahren anfing, war das Ziel, neben dem lang angelegten Projekt meiner Dissertation ein Forum zu haben, auf dem ich Randaspekte meines Themas ansprechen und zur Diskussion stellen kann und mich gleichzeitig in der Praxis des Schreibens zu üben. Damals hatte ich das Privileg, von einem Promotionsstipendium zu leben und konnte es mir leisten, ohne finanzielle Überlegungen zu bloggen. Heute dagegen bin ich darauf angewiesen, freiberuflich mein Geld zu verdienen um mein Promotionsvorhaben zu beenden. Damit steht bei der Verfügung über meine Zeitressourcen grundsätzlich die Frage im Raum, ob ich diese fürs Geldverdienen oder andere Projekte verwende. Seit ich Anfang des Jahres angefangen, Texte klassischen Medien anzubieten, ist daraus indirekt eine interne Konkurrenz entstanden. Seitdem ich regelmäßig im Neuen Deutschland, Qantara, der iz3w oder anderen Publikationen aus dem Bereich der Fotografie veröffentliche, gehen Texte, die ich früher auf meinem Blog stellte, nun dorthin. Es bleibt nur ein kleines Segment von Texten, die eher essayistischen und selbstreflexiven Charakter haben und die sich für diese Medien weniger eignen und deshalb im Blog weiterhin ihren Platz haben.

Neben der Frage des Geldes und damit verknüpft der Zeitressourcen ist ein weiterer Aspekt das Publikum. Über lange Zeit dümpelte mein Blog bei 300 – 400 Besuchen pro Monat vor sich hin. Diesen Sommer knackte ich erstmals die 750er Marke. Trotz allem immer noch recht beschaulich. Texte die in klassischen Medien wie Zeitschriften und Zeitungen veröffentlicht werden erreichen – auch wenn sie nur Nischen abdecken – meist eine mindestens vierstellige, oft aber auch eine fünfstellige Auflage und damit in jedem Fall ein breiteres Publikum. Wenn man dann noch bedenkt, dass die Besucher meines Blog sich darüber hinaus auch auf die einzelnen Texte aufteilen, bleiben recht wenig Leser. Und die Interaktion war bisher verschwindend gering. Nun ist natürlich zu fragen, womit die geringe Anzahl von Besuchern zu erklären ist. Auch das simultane Bespielen verschiedener Socialmedia-Kanäle wie Twitter, Facebook und Linkedin hat daran nichts grundsätzlich geändert. Mangelnde Werbestrategien, große Konkurrenz von Blogs im Bereich der Fotografie sowie das Abdecken eines speziellen Themas mit „Fotografie und Konflikt“ sind sicher einige der Gründe. Und daran wird sich auch in Zukunft nichts ändern und vermutlich werde ich eher den Weg, die klassischen Medien zu bespielen, weiter verfolgen. Dem Blog käme dann eher die Funktion eines Themenspeichers zu, in dem meine thematische Auseinandersetzung gebündelt und externe Artikel verlinkt werden können. Für die Zukunft wird es darüber hinaus entscheidend sein Formate zu finden, in denen auch eher kurze Texte und Gedankensplitter den Weg in meinem Blog finden und sich damit von längeren, ausgereifteren Artikeln absetzen. Vielleicht besteht darin eine Möglichkeit, den verschiedenen Anforderungen unterschiedlicher Medien zu begegnen und für jedes die richtige Form und die richtige Nutzung zu finden.

Donnerstag, 18. September 2014

Zur Debatte Fotojournalismus und Bürgerjournalismus


Bei der Diskussion um Journalismus und Fotojournalismus in der arabischen Welt taucht immer wieder der Begriff des Bürgerjournalismus bzw. Citizen Journalism auf. Meiner Ansicht nach ist die Verwendung dieses Begriffs nicht unproblematisch und Teil einer europäisch geprägten Sicht auf das Thema, wie der folgende Text aufzeigen will.

Viele Autoren, die sich mit der Fragen der Medien im Allgemeinen und der Funktion von Journalismus in Krisenzeiten im besonderen beschäftigen, kommen aus dem „Westen“, den USA und Europa. In diesen Ländern gibt es eine lange Tradition des unabhängigen professionellen Journalismus. Journalismus ist hier ein Beruf den man wählt und mit dem ein bestimmtes Berufsverständnis verbunden wird. Die Länder, in den dieser Journalismus seine Blüte erfahren hat, verfügen alle seit vielen Jahrzehnten über stabile demokratische Verhältnisse. Konflikte sind eingehegt, werden im demokratischen System verhandelt, mit Hilfe des Journalismus in den Medien diskutiert. Was die Journalisten mit der Mehrheitsgesellschaft verbindet ist ein über alle politischen Lager geltender demokratischer Grundkonsens. Trotz allem gibt es immer wieder politische Themen, die auf die Straße und in den politischen Protest getragen werden. Die Journalisten haben dort klar die Funktion des Berichterstatters, Meinung wird in den Kommentarspalten der Zeitungen abgedruckt. Für Medien, die nicht zum klassischen Establishment gehören, wurde hier der Begriff der „alternativen Medien“ erfunden. Dazu kam eine Bewegung des Bürgerfunks oder Bürgerfernsehens, wo hauptsächlich auf lokaler Ebene Bürger zu Teilzeitjournalisten wurden, als Teil ihrer demokratische Partizipation. Auch die Digitalisierung der Kommunikation hat dieses Verhältnis nicht nachhaltig verändert. Letztlich lässt sich auch die Blogossphäre weitgehend im klassischen Journalismus verorten, nur ohne die traditionellen Medieninstitutionen.

Eine völlig andere Situation findet sich in Ländern, die in den letzten Jahren revolutionäre Prozesse durchgemacht haben, wie Ägypten, Lybien oder Tunesien. Der klassische Journalismus in Zeitung und Fernsehen war dort größtenteils Staatsjournalismus, von einigen wenigen Ausnahmen abgesehen. Die dort arbeitenden Journalisten waren das was im „Westen“ als professioneller Journalismus gesehen wird. Vor allem weil für eine Beurteilung dessen, was professioneller Journalismus ist, hauptsächlich die Routinen der Journalisten und ihre Institutionen betrachtet wurden. In einer Situation des revolutionären Umbruchs sind nun Journalisten wie Bürger mit der Frage konfrontiert, wie sie sich zum alten Regime sowie den das Regime in Frage stellenden Bewegungen verhalten. Aus Sicht ihrer bis dato gelebten professionellen Berufsrolle hinaus, müsste dies eigentlich eine kritische Abwägung beider Positionen bedeuten, oder eine Verteidigung des alten Regimes. Alle anderen, die außerhalb der traditionellen Strukturen des Journalismus stehen und klar Position für die Revolution beziehen, werden dagegen als Bürgerjournalisten bezeichnet. Damit sind nach Ansicht des Autors eine klare Bewertung und eine Abwertung der Bürgerjournalisten verbunden. Journalismus sollte nach der Qualität ihrer Produkte bewertet werden, nicht nach der institutionellen Einbindung.

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Frage, welche Rolle die arabischen Fotografen und Journalisten in ihren Gesellschaften einnehmen. Der klassische professionelle Journalismus, wie er sich vor allem in den Staatsmedien in Ägypten zeigt, genießt im Land nur eine sehr geringe Glaubwürdigkeit. Konsumenten ziehen es oft vor, Aktivisten auf Facebook und Twitter oder bekannten Bloggern zu vertrauen. Diejenigen, die aus westlicher Perspektive als Bürgerjournalisten bezeichnet werden, genießen also größere Glaubwürdigkeit in der Öffentlichkeit.

Wieder zurück zu westlich sozialisierten Journalisten und Kommunikationswissenschaftlern: Aus ihrer Sicht ist die Einteilung der Journalisten in Ägypten in professionelle Journalisten und Bürgerjournalisten durchaus nachvollziehbar. Wenn sie die Strukturen, in denen sie sozialisiert wurden übertrage, sehen sie natürlich nur in den Journalisten der traditionellen, ehemals staatlichen Medien professionelle Journalisten. Es gibt jedoch noch einen weiteren entscheidenden Punkt: die persönliche Haltung eines Bürgers oder Journalisten gegenüber politischen, zum Teil revolutionären Umbrüchen im eigenen Land. Westlich sozialisierte Journalisten und Wissenschaftler standen zum Großteil nie selbst vor der Frage, im eigenen Land Position beziehen zu müssen, nehmen sich aber heraus zu beurteilen, ob dies in anderen Ländern professionell ist oder nicht. Hier liegt nach Ansicht des Autors ein schwerwiegendes Problem. Anstatt den Menschen zuzugestehen Position zu beziehen, werden durch ein Überstülpen im Westen entwickelter Konzepte Rollen festgeschrieben. Eine weitere Absurdität kommt dazu: die internationalen Medien und ihre Korrespondenten haben sich in Ägypten schnell zum Sprachrohr der Revolution gemacht und den Widerstand vom Tahrirplatz glorifiziert. Werden sie deswegen als Bürgerjournalisten bezeichnet? Mitnichten. Aber ihre lokalen Kollegen, die in ihrem Land mit dem Risiko dafür verhaftet zu werden ausserhalb der traditionellen Medien Journalismus und Fotojournalismus betreiben, werden dagegen als Bürgerjournalisten abgestempelt.

Das lässt sich auch an einem anderen Beispiel gut deutlich machen. In Israel gibt es ein Fotografenkollektiv namens Activestills, die es sich zum Ziel gesetzt haben, den Widerstand israelischer und palästinensischer Bürger gegen das Besatzungsregime zu dokumentieren. Unter vielen der lokalen wie internationalen Journalisten die in der Region tätig sind, sind sie als „Aktivisten mit der Kamera“ verschrien, weil sie sich deutlich gegen das Besatzungsregime positionieren und dies öffentlich kundtun. Natürlich kommt dazu, dass sich selbst auch zum Aktivistenspektrum rechnen. Gleichzeit sehen sie sich aber auch als Dokumentarfotografen. Was nun spricht dagegen, sie als professionelle Fotojournalisten zu betrachten? Nur der Fakt, dass sie offen gegen die Mehrheitsmeinung ihres Landes und den politischen Status Quo auftreten? Hier liegt meiner Ansicht nach ein Fehler. Das, wonach sie bewertet werden sollten, ist die Qualität ihrer Arbeit, ihre Bildsprache, ihre Bildunterschriften, die KOntextualisierung. Aber warum negativ bewerten, wenn sich israelische Bürger aus berechtigten politischen Argumenten gegen etwas wenden, was die internationale Staatengemeinschaft als illegal bezeichnet. Vielleicht fühlen sich diese Fotografen moralisch dazu verpflichtet, in diesem Konflikt Position zu beziehen. Das ist ihr gutes Recht und sollte es auch sein. Nur wer aus der bequemen Position stabile demokratischer Systeme heraus argumentiert, kann dies für unprofessionell halten.

Möglicherweise findet die Figur des Bürgerjournalisten beim Blick auf Konfliktregionen deshalb so großen Gebrauch, weil durch sie die Hegemonie traditioneller Medien in Frage gestellt wird.

„Provozierend erscheint nun, dass auch „die Anderen“ sich zunehmend in der Herstellung und Verbreitung solcher Bilder als ebenbürtig erweisen. Westliche Hegemonie musste zur Absicherung ihrer militärischen Übermacht stets auch auf visuelle Politiken bauen und konnte dies, solange sie in den Technologien der Informationsübermittlung überlegen war.“ (Wenk 2008: 34)

Die hier diskutierte Frage, kommt letztlich auf ein Thema zurück, welches in diesem Blick schon an anderer Stelle diskutiert wurde: die Haltung eines Journalisten oder Fotojournalisten. Nach Ansicht des Autors ist es wichtig, dass Journalisten und Fotojournalisten eine eigene politische Haltung entwickeln und auch im Journalismus beibehalten. Denn sie sind aufgefordert, vor allem wenn es um gewalthaltige Konflikte geht Position zu beziehen. Ihre Arbeit muss dann daran gemessen werden, inwieweit sie in ihrer Arbeit professionell vorgehen und Standards einhalten, ob es Blogger, Fotografen für ein alternatives Kollektiv oder Korrespondenten großer Tageszeitung oder Agenturjournalisten sind. Daran sollten sie sich messen lassen, nicht nach den Veröffentlichungskanälen und auch nicht danach, ob sie eine politische Haltung in ihren Beruf mit einbringen. Wobei natürlich auch einer Haltung dahingehend Grenzen gesetzt sein sollten, das volksverhetzende, zu Gewalt aufrufende, die Menschenrechte anderer in Frage stellende Meinungen nicht tolerierbar sind.


Literatur:

Wenk, Silke (2008): Sichtbarkeitsverhältnisse: Asymmetrische Kriege und (a)symmetrische Geschlechterbilder, in: Bilderpolitik in Zeiten von Krieg und Terror: Medien, Macht und Geschlechterverhältnisse, Hentschel, Linda (Hrsg.), Berlin: b_books, S. 29 - 49.

Montag, 1. September 2014

Reflektionen über Bilder im Web 2.0


Die Erkenntnis, dass Bilder allgegenwärtig und ihre weltweite Verbreitung über das Internet ein Kinderspiel sind, dürfte an dieser Stelle wohl eher ein Allgemeinplatz sein. Angesichts der immer wiederkehrenden Debatten um die Macht der Bilder und deren mögliche Eindämmung, kann dies jedoch nicht oft genug ins Gedächtnis gerufen werden. Was jedoch zu Wünschen übrig lässt, ist eine Ausdifferenzierung der Debatte um Bilder im Internet hinsichtlich ihrer Gebrauchsformen sowie der Akteure, welche sie verbreiten. Dies gilt vor allem dann, wenn Bildern eine herausragende Bedeutung zukommt, wie z.B. bei gewalthaltigen Konflikten und kriegerischen Auseinandersetzungen. Zuletzt war dies wieder einmal am Gaza-Krieg zu beobachten.

Bilder sind wie oben angedeutet, mannigfaltig. Sie sind in journalistischen Medien, in Magazinen und Blogs  zur Illustration, als politisches Statement und Beweise bei NGO’s, als Mobilisierungstool in Facebook und auf anderen Plattformen sowie zum rein privaten Nutzen in sozialen Netzwerken zu finden. Wichtig ist bei der Betrachtung und der Diskussion von Bildern, diese klar nach der Form ihrer Herstellung, ihrer Funktion sowie dem Kontext der Veröffentlichung zu unterscheiden. So ist eine Einteilung in verschiedene Kategorien wie privat, journalistisch, werblich und künstlerisch sicherlich hilfreich. Dabei ist zu beobachten, dass diese Grenzen natürlich immer wieder verschwinden. Die Frage nach der Funktion von Bildern und ihrer Herkunft ist vor allem dann hilfreich, wenn es um öffentlich brisante und vor allem konfliktträchtige Themen geht. So ist es bei der Beurteilung von Bildern von zentraler Bedeutung, ob es um Information und Dokumentation, um PR-Zwecke oder rein Privates geht.

Gefährlich ist es vor allem dann, wenn Bilder die in den Medien verwendet werden, nicht aus journalistischen Quellen, sondern aus sozialen Netzwerken im Web 2.0. stammen. Hier lässt sich in der Regel nicht überprüfen wer die Quelle eines Bildes ist. Durch wenige Klicks und Likes lassen sich Bilder im Web 2.0 massenhaft verbreiten und die Hemmschwelle Bilder einzustellen ist extrem niedrig. Dies kann natürlich auch mit gefälschten Bildern passieren. Insofern ist es wichtig, eine Unterscheidung zwischen diesen Bildern und jenen aus der fotojournalistischen Berichterstattung zu treffen. Dies gilt insbesondere dann, wenn es um die Darstellung von Kriegen und Konflikten geht.

So ist zum Beispiel die Motivation, die hinter dem Posten der Bilder bei Einzelpersonen steht meist nicht bekannt, es sein denn dass sie sich aus dem Kontext des Posts erschließt. Es ist jedoch davon auszugehen, dass es in der Regel eine völlig andere ist als diejenige professioneller, journalistischer Akteure. Bei privaten Posts kann die Motivation von reinem Interesse, dem Zeigen von Empörung bis hin zum bewussten Aufwiegeln und zur Stimmungsmache reichen. Vor allem letztere stellen dabei die Problembereiche dar. Denn dies sind Zwecke der Bildverbreitung, denen sich der Journalismus sogar entgegen stellen sollte.

Meiner Ansicht nach sind es nicht erst Fälle wie die Ausschreitungen um die Veröffentlichung der Mohammed-Karrikaturen oder den Anti-Muslim Film von Bacile die aufhorchen lassen. In diesen Fällen ist davon auszugehen, dass wir es wohl mit klar orchestrierten Ereignissen zu tun haben. Oft aber sind im Web 2.0 Prozesse zu beobachten, die aus Unbedachtheit entstehen und die sich dann verselbstständigen. Hier stellt sich die Frage nach der Funktion von Bildern in sozialen Netzwerken. Es kann argumentiert werden, dass das Hochladen von Inhalten, von denen auszugehen ist, dass sie von anderen genauso gelesen werden, die Identität einer bestimmten Nutzergruppe in den sozialen Netzwerken stärkt. So bestätigen sich die Nutzer gegenseitig in ihren politischen Meinungen und spielen sich die Bälle zu.

Dies ist dann keine Form des Citizen Journalism sondern das private Nutzen von Kommunikationsmöglichkeiten die durch das Medium gleichzeitig öffentlich oder semi-öffenlicht werden. Soziale Netzwerke verleiten auch deswegen zu Fehlern, da für viele Nutzer nicht klar ist, wo die Grenzen des Privaten und Öffentlichen liegen. Twitter-Nachrichten die für den Austausch innerhalb der Community genutzt werden, werden durch das Retweeten möglicherweise öffentlich. Damit ist es oft unmöglich, die Folgen des eigenen Handelns abzuschätzen. Somit stellt sich die Frage, ob es mit einer reinen Netiquette getan ist oder die User generell nicht ein neues Bewusstsein über mögliche (nicht-intendierte) Konsequenzen des eigenen Handelns brauchen, somit größere Bild- und Medienkompetenz brauchen. Denn in der virtuellen Welt sind Fehler kaum wieder zu korrigieren. Dies würde jedoch bedeuten, Millionen von Nutzern in der konfliktsensitiven und achtsamen Nutzung sozialer Medien zu schulen. Dies ist sicherlich kein Prozess der von heute auf morgen geschehen kann. Er kann seinen Anfang jedoch in der intensiven Förderung von Medienkompetenz in Schule und Ausbildung nehmen.

Eine weitere und aus meiner Sicht tragfähigerer Ansatz für den Moment besteht darin, die klassischen journalistischen Medien als Korrektiv zu nutzen. Denn in der Regel ist in diesen journalistische Kompetenz gepaart mit gesellschaftlichem Verantwortungsbewusstsein vorhanden. Aber auch dort muss in vielen Bereichen eine neue Art des Umgangs mit Bildern und Nachrichten, die aus den sozialen Netzwerken stammen, erst entstehen. Denn die zentrale Fragestellung, wie im Fall des Anti-Muslim auf Youtube ist, ob sie durch die Berichterstattung über das Ereignis nicht neues Öl ins Feuer gießen und die Aufmerksamkeit erst darauf lenken.

Vieles spricht meiner Meinung nach dafür – auch wenn dies im Hype um Neue Medien vielleicht konservativ klingen mag – weiterhin journalistische Medien mit der Auswahl und der Verbreitung von Nachrichten zu betrauen. Journalistische Medien verfügen in der Regel nicht über das Interesse an kurzfristiger Skandalisierung, ausgenommen vielleicht die Yellow-Press. Immerhin sind sie an Codes und Standesrichtlinien gebunden und es gibt Institutionen, die dies überwachen. Der Blogger oder private Facebook-, Flickr und Youtube-Nutzer muss in der Regel keine Konsequenzen für sein Posting fürchten, sofern ihm nicht strafrechtlich relevante Handlungen wie Völkerverhetzung nachgewiesen werden können. Der stete Fluss an Bildern ins und aus dem Netz wird sich damit jedoch auch nicht kontrollieren lassen. Aber vielleicht lassen sich negative Aspekte minimieren und Konflikte, die aus dem unbedachten Nutzen entstehen verhindern oder bewusste Provokationen abmildern.

Sonntag, 31. August 2014

Von der Pflicht hinzuschauen

So unscheinbar das Format, so drastisch sein Inhalt: In "War Porn" nimmt der deutsche Fotojournalist Christoph Bangert sprichwörtlich kein Blatt vor den Mund bzw. die Linse. Ungefiltert präsentiert er dem Leser eine Auswahl seines fotografischen Archivs der Grausamkeiten des Krieges, vor allem in den Ländern der arabischen Welt.

© Christoph Bangert
Der Kriegsfotograf Christoph Bangert zeigt auf drastische Art und Weise, was Menschen sich auch heute, über 100 Jahre nach dem Beginn des ersten Weltkriegs, noch in Kriegen und Konflikten antun. Die im Buch versammelten Fotografien stammen aus dem Gazastreifen, Indonesien, Israel, dem Libanon, dem Irak und Afghanistan und sind zwischen 2003 und 2011 entstanden. Viele dieser Reisen unternahm Bangert im Auftrag der amerikanischen Tageszeitung "The New York Times".

Der komplette Artikel ist auf Qantara zu lesen.

Dienstag, 12. August 2014

Von Information zur Informationslosigkeit

Was passiert, wenn ein im journalistischen Kontext entstandenes Bild in einen rein künstlerischen Kontext überführt wird, lässt sich zur Zeit an einer Arbeit des Fotografen Luc Delahaye in der Ausstellung „Damage Control – Art and Destruction since 1950“ im Luxemburger Museum für zeitgenössische Kunst Mudam in Luxemburg Stadt beobachten. Die Ausstellung wurde organisiert vom Washingtoner  Hirshhorn Museum und der amerikanischen Smithsonian Institution.

Im Untergeschoss des Mudam hängen zwei großformatig präsentierte Fotografien von Luc Delahaye aus seiner Serie „History“. Darunter ist eines seiner bekanntesten Bilder mit dem Titel „Jenin Refugee Camp“. Es zeigt die Ruinen des Flüchtlingslagers der palästinensischen Stadt Jenin nach einem Militäreinsatz während der 2. Intifada im Jahr 2002. Dieses Bild und ein zweites aus dem Irak-Krieg werden nebeneinander in einem Raum mit Arbeiten aus der Serie „jpeg“ von Thomas Ruff präsentiert. Zu Delahayes Bild von Jenin gibt es keinerlei Bildunterschriften, die auf die dargestellte Situation und den Kontext, in dem die Aufnahmen entstanden sind, hinweisen. Damit werden die Fotografien in einem dokumentarischen Sinn wertlos und funktionieren nur noch als selbstreferentielle, auf das Ästhetische reduzierte Bilder. Was bleibt ist eine Szene der Zerstörung. Auch wenn Luc Delahaye dafür bekannt ist, dass er seinen Arbeitsschwerpunkt vom journalistischen auf das Künstlerische verlagert hat ist in Frage zu stellen, ob er selbst eine solche Präsentation für gut heißen würde.

In der Zeitschrift Fotogeschichte veröffentlichte Agnes Matthias im Jahr 2004 einen guten Artikel, in dem sie ausführlich auf die Unterschiede von journalistischen und künstlerischen Fotografien eingeht, unter anderem am Beispiel der Arbeit von Luc Delahaye. Über den stattfindenden Funktionswandel schreibt sie: „die ästhetische Dimension der Bilder wird durch bestimmte Präsentationsstrategien in den Vordergrund gerückt, die Information, die diese in ihrem ursprünglichen Verwertungszusammenhang transportieren sollte, tritt zurück[1]. Dies ist in großer Deutlichkeit in der Luxemburger Ausstellung zu beobachten.

Das hier beschriebene Problem entsteht auch durch die Überführung von journalistischen Fotografien in die fotografische Sammlung eines Museums.  Einmal im Besitz einer privaten oder öffentlichen Sammlung stehen die Fotografien nur noch als Referenten für sich selbst und ähneln einem Gemälde. Wie im Fall der Luxemburger Ausstellung werden sie herangezogen um thematische Ausstellungen und kuratorische Einfälle zu bebildern. Ob der Fotograf sein Bild in einem solchen Kontext präsentieren würde, ist dabei völlig zweitrangig. Hier findet ein immenser Funktionswandel der Fotografie statt, die aus dem journalistischen Dokument die Illustration eines kuratorischen Konzepts macht.

Die Ausstellung ist noch bis zum 12. Oktober zu sehen. Weitere Informationen gibt es auf der Homepage des Museums.



[1] Matthias, Agnes (2004): "Die Fotografie, der Krieg und das Feuilleton." Fotogeschichte Heft 94, Jhrg. 24, S. 44.

Freitag, 18. Juli 2014

Aktuelle Literatur über Fotojournalismus


Im Rahmen der Wiederaufnahme meiner Recherchen über Fotojournalismus und Kriegsfotografie bin ich den vergangenen Wochen auf verschiedene sehr interessante und aussagekräftige wissenschaftliche Artikel zum Thema gestoßen. Einige davon möchte ich im Folgenden kurz vorstellen. Nur ein Teil der Artikel ist dabei frei zugänglich. Andere sind nur über gut bestückte wissenschaftliche Bibliotheken in gedruckter oder zum Teil in digitaler Form sowie zum Kauf bei den entsprechenden Verlagen erhältlich. Mir ist es trotz der erschwerten Zugänge wichtig diese zu erwähnen, da sie für eine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Thema von großer Bedeutung sind.

In einem feuilletonartigen Artikel für das Magazin Fotogeschichte setzt sich Agnes Matthias mit dem Verhältnis von künstlerischen und journalistischen Positionen im Fotojournalismus auseinander. Dabei geht es vor allem um die Diskursverschiebung die mit einer Verschiebung journalistischer Bilder aus einem pressefotografischen Kontext in einem musealen Kunstkontext einhergeht. Sie geht dabei auf zeitgenössische Arbeiten von James Nachtwey, Luc Delahaye und Paul Seawrigth ein.

Matthias, Agnes (2004): Die Fotografie, der Krieg und das Feuilleton, in: Fotogeschichte, Jahrgang 24, Heft 94, S. 43 – 55.

Mit Fragen der Ethik und den Facetten professioneller Integrität im Fotojournalismus befasst sich der kanadische Historiker Vincent Lavoie. Er ist Autor des leider bisher nur auf Französisch erschienenen Bandes „Photojournalismes“ und schreibt regelmäßig für die französische Zeitschrift „études photographiques“. Dieser Artikel ist einer der wenigen auf Englisch verfügbaren Texte der Zeitschrift.

Lavoie, Vincent (2010) "Photojournalistic Integrity - Codes of Conduct, Professional Ethics, and the Moral Definition of Press Photography." études photographiques 26.
http://etudesphotographiques.revues.org/3462

Über einen Vortrag auf der Konferenz „Image Operations“ dieses Frühjahr in Berlin bin ich auf die Forschungstätigkeit von Zeynep Günsel aufmerksam geworden. Sie untersucht das Berufsfeld des Fotojournalismus aus der Perspektive der Medienethnologie und –anthropologie. Für diesen Artikel hat sie mehrere Wochen bei der zentralen Bildredaktion der französischen Nachrichtenagentur Agence France Presse (AFP) recherchiert und beschreibt die Routinen der Bildauswahl die dort vorherrschen.

Gürsel, Zeynep Devrim (2012): "The politics of wire service photography: Infrastructures of representation in a digital newsroom." AMERICAN ETHNOLOGIST 39 (1):  71–89.
http://americanethnologist.org/2012/wire-service-photography-digital-newsroom/

In einem von der World Press Photo Academy in Amsterdam und der Fotofederatie in den Niederlanden finanzierten Rechercheprojekt ist der amerikanische Medienwissenschaftler und Fotografietheoretiker David Campbell dem „Visual Storytelling“ auf den Grund gegangen.

Campbell, David (2013). Visual Storytelling in the Age of Post-Industrialist Journalism. Amsterdam, World Press Photo Academy.
http://www.worldpressphoto.org/multimedia-research

Dem Wesen der sogenannten „Editorial Photography“ geht die australische Journalismusforscherin Louise Grayson auf den Grund. Sie verfügt neben ihrer akademischen Laufbahn über eigene Erfahrungen als Journalistin und Dokumentarfotografin.

Grayson, Louise (2013): "Editorial Photographs and Patterns of Practice." Journalism Practice 7 (3):  S. 314 - 328.

Zwei relativ aktuelle und sehr umfassende Artikel über die Geschichte der Kriegsfotografie stammen von Lilie Chouliaraki und Michael Griffin. Chouliaraki setzt sich in ihrem Essay mit Fragen nach der Humanität der Kriegsdarstellung und dem Zeigen von Leid auseinander während Griffin sich mit dem Mythos des Vietnam-Kriegs und seinen Folgen auf die fotografische Dokumentation des Irak- und des Afghanistankrieges beschäftigt.

Chouliaraki, Lilie (2013): "The humanity of war: iconic photojournalism of the battlefield, 1914-2012." Visual Communication 12 (3):  S. 315 - 340.
Griffin, Michael (2010): "Media images of war." Media, War & Conflict 3 (1):  7–41.

Diese Liste ließe sich fortsetzen. Über den Austausch und Hinweise zu weitere interessanten Artikeln über die Kommentarfunktion freue ich mich.