Das erste was wir sehen, wenn wir ein Buch in die
Hand nehmen, ist das Cover. Noch bevor wir uns dem Text zuwenden, ist es eine
Art Aufmacher, ein Einstieg der Lust machen soll, den Text zu lesen. Wie
problematisch dies sein kann und welche Stolperfallen dabei auf dem Weg liegen,
ist mir bei der Lektüre des Buches „Die Landkarte der Finsternis“ von Yasmina
Khadra aufgefallen. Die Taschenbuchausgabe ist Anfang 2014 im List Verlag
erschienen. Hier einige Gedanken dazu.
Zu erst einmal eine
Betrachtung auf der Bildebene. Zu sehen ist ein kleiner Junge mit schwarzer
Hautfarbe, bekleidet mit einer kurzen weißen Hose. Die Hände hält er über dem
Kopf verschränkt. Er dreht dem Betrachter den Rücken zu und steht leicht schräg
im Bild auf einer großen weißen Fläche, vermutlich einem Sandstrand. Er schaut
in die Ferne, in der am Horizont, der sich ungefähr im goldenen Schnitt
befindet, ein Wasserband sowie ein schwarzer Streifen zu sehen sind, die
vermutlich zu einer bewaldeten Insel oder einem Küstenstreifen gehören. Als
Text sind auf dem Cover der Name des Autors, der Verlag, sowie der Zusatz Roman
zu finden. Der Titel lautet „Die Landkarte der Finsternis“.
Nun ist es nachvollziehbar,
dass der Betrachter versucht, den Titel mit dem Bild in Verbindung zu bringen.
Und ab hier wird es perfide. Finsternis ist ein Begriff der aus dem kolonialen
Repertoire der Beschreibung Afrikas stammt. Finsternis beschreibt das Dunkle
und damit werden in einer rassistischen Stereotypisierung auch Menschen mit
dunkler Hautfarbe verknüpft. Insofern entstehen durch Titel und Bild eine
direkte Beziehung zwischen dem schwarzen Jungen und dem Begriff der Finsternis,
der eine Reproduzierung rassistischer, kolonialer Denkmuster bedeutet. Dafür
ist es grundsätzlich egal, ob der Titel vielleicht sogar ironisch gemeint ist
oder was auch immer. Auf dem Cover steht er für sich.
Noch absurder wirkt die
Kombination, wenn man den dazugehörigen Roman gelesen hat. Außer dass die
beiden weißen Protagonisten, ein deutscher Arzt und ein deutscher
Industrieller, auf dem Weg in die Komoren waren, wo es möglicherweise einen
solchen Strand gibt, passieren sie einen Strand nur als Gefangene sogenannter
„Piraten“. Eine Anleihe, worauf sich das Titelbild bezieht, gibt es somit
nicht. Dabei ist natürlich klar, dass Buchcover eine Illustrationsfunktion
haben, und das Kaufinteresse wecken sollen und somit oft vom Text abstrahiert
ausgewählt werden. Sie sollten aber sowohl sensibel auf den Bildinhalt, als
auch das Thema des Buches gewählt werden und stereotypisierte und verquere
Konnotationen wie in diesem Fall tunlichst vermeiden.
Natürlich ließe sich weit
hergeholt argumentieren, durch den weißen Strand und den blauen Himmel entstehe
ein Kontrast zum Begriff der Finsternis. Aber in welche Richtung auch immer
mögliche Rechfertigungsstrategien laufen, angesprochen wird der Betrachter
durch das Bedienen rassistischer und kolonialer Stereotype. Dies ist mehr als
bedauerlich. Dabei soll hier näher nicht darauf eingegangen werden, dass auch
der Text selbst eine traurige Wiederholung stereotyper Afrikabilder von
Konflikt und Gewalt darstellt und man sich von Yasmina Khadra mehr erwartet
hätte.
Aufschlussreich, ist auch
ein Vergleich des Titels der französischen Originalausgabe mit seiner deutschen
Variante. Im Original heißt das Buch „L’équitation africaine“, was übersetzt so
viel heißt wie die afrikanische Gleichung. Insofern ist „Landkarte der
Finsternis“ keine Übersetzung, sondern eine neuer Titel und eine verunglückte
Reminiszenz auf ein eigentlich überkommen geglaubten Blick auf Afrika.
Überzeugungs- und Sensibilisierungsarbeit ist somit nicht nur bei Gestaltern
von Buchcovern, sondern auch bei Lektoren und Übersetzern zu leisten.
P.S.: Ein guter Artikel der
sich etwas allgemeiner mit dem stereotypen Bild Afrikas im Westen und der
Verwendung des Begriffs Finsternis zur Beschreibung von Afrika befasst, stammt
vom SZ-Korrespondenten Arne Perras.