Der
Konflikt in der Ukraine ist ein zentrales Thema deutscher Medienberichterstattung.
Weniger Aufmerksamkeit liegt auf den Arbeitsbedingungen von Journalisten und
Fotografen in der Region. Das folgende Interview mit dem n-ost-Fotografen
Florian Bachmeier ist ein Gastbeitrag des Magazins Ostpol.
Am
28. Februar 2015 ist nahe Donezk der Fotograf Sergej Nikolaev bei Gefechten ums
Leben gekommen. n-ost-Fotograf Florian Bachmeier, selbst oft dort, spricht im
Interview mit Stefan Günter und Johannes Sporrer über die Gefahren im
Konfliktgebiet.
Florian Bachmeier in der Nähe von Debaltsewo im Februar / Foto: privat |
Du bist als Fotograf häufig im Osten der Ukraine. Zuletzt hast Du kurz nach dem Minsker Abkommen im Februar in den Kriegsgebieten fotografiert, auch für das Netzwerk n-ost. Wie schätzt Du das Risiko für Dich ein?
Florian
Bachmeier: Mir ist das Risiko bewusst, aber es gibt gewisse
Maßnahmen, es zu minimieren. Auf der Verbindungsstraße nach Debaltsewo war es
zum Beispiel wichtig, ständig in Bewegung zu bleiben. Risiko und Gefahr gibt es
immer, Krieg ist Krieg, 24 Stunden lang. Oft ist die Lage unübersichtlich und
kann sich sehr schnell ändern. Es ist schwierig, den Krieg in der Ostukraine zu
dokumentieren.
Welche
Schutzmaßnahmen hast Du getroffen?
Bachmeier: Ich
hatte das Glück, noch eine schusssichere Weste zu bekommen, die das Ukraine
Crisis Media Center an Journalisten verleiht. Leider war es ein sehr schweres, älteres
Modell und erleichterte die Arbeit nicht gerade. Es war allerdings nicht
wirklich beruhigender, mit Weste und Helm unterwegs zu sein, obwohl sie bei
einem Einschlag in der Nähe natürlich lebensrettend sein können, da Brust- und
Bauchraum sowie der Kopf vor Schrapnell- oder Granatsplittern einigermaßen
geschützt sind.
Gibt
es spezielle Versicherungen für die Arbeit in Konfliktgebieten?
Bachmeier: Ich
habe eine Versicherung für meine Kameras, aber ich weiß nicht, ob Schäden in
einer Konflikt- oder Kriegsregion in der Police aufgeführt sind. Ich habe nach
schlechten Erfahrungen mit Versicherungen viel mehr mit dem Gedanken gespielt,
alles zu kündigen. Ansonsten habe ich eine normale Lebensversicherung.
Arbeitest
du häufiger in Konfliktgebieten?
Bachmeier: Ich
habe einige Erfahrung im Umgang mit Bewaffneten, war oft auf dem Maidan in Kiew und zu
Beginn des Konflikts für kurze Zeit in Donezk. Mit Kampfhandlungen im
eigentlichen Sinn hatte kam ich vorher weniger in Berührung. Ich sehe mich auch
nicht als Kriegsfotograf, mir ist vielmehr wichtig, das Leben der Menschen in
Kriegsgebieten zu dokumentieren. Ihr Leben in ständiger Angst, wenn rohe
Gewalt, Willkür und Ausgeliefertsein zum Normalzustand werden.
Du
fotografierst für n-ost sowie für andere Magazine und Zeitungen. Hast Du das
Gefühl, dass Deine Arbeit entsprechend honoriert wird?
Bachmeier: Fotografieren
ist meine Leidenschaft. Solange ich davon leben kann, werde ich weitermachen.
Manchmal, nach längerer Abwesenheit von Zuhause, schaue ich allerdings schon
mit Sorge auf den Kontostand. Auch wenn man mitten im Brennpunkt ist und gute
Bilder hat, ist man ohnmächtig gegen die Automatismen der Redaktionen der
Tagespresse. Manchmal hört man, man wäre zu langsam, zu anders, zu schlecht. Da
zweifelt man zwangsläufig an der eigenen Arbeit, umso mehr, wenn bereits
gemachte Zusagen nicht eingehalten werden oder einfach aus Bequemlichkeit ein
Agenturbild verwendet wird, das mit der tatsächlichen Situation vor Ort gar
nichts zu tun hat.
Was
motiviert Dich, trotz all der Risiken, in Gebieten wie der Ostukraine zu
fotografieren?
Bachmeier: Ich
habe festgestellt, dass mein persönliches Bedürfnis nach Information nicht von
den Medien gestillt werden kann. Ich habe die Ukraine schon oft bereist und
konnte vieles einfach nicht glauben. Seit Beginn des Maidan war ich schon
mindestens zehn Mal in der Ukraine. Das Land und die Menschen dort bedeuten mir
inzwischen sehr viel. Mir ist es wichtig, das Leid der Menschen in den Kriegsgebieten
zu zeigen und so vielleicht auch dazu beitragen, dass mit dem Töten aufgehört
wird.
Wie
gingen Deine Kollegen in der Nähe des umkämpften Debaltsewo mit den Risiken um?
Bachmeier: Wir
waren oft in einer Gruppe von Journalisten unterwegs, in der ich der einzige
Fotograf war. Somit hatte ich nicht viel direkten Kontakt zu anderen
Fotografen. Von denen, die ich gesehen habe, waren aber viele mit unglaublich
gutem Material ausgestattet: leichte, schusssichere Westen, leichte Helme, oft
auch Bein- und Armschoner. Zum Teil waren sie viel besser geschützt als die
meisten Soldaten. Ich glaube, keiner unterschätzt das Risiko.
Wie
gehst Du mit den Eindrücken, Geräuschen und Bildern um, die Dir in solchen
Konfliktgebieten täglich begegnen?
Bachmeier: Beschuss
war Tag und Nacht zu hören, an der Front wie in den Städten. Nach ein paar
Stunden kann man ziemlich genau zuordnen, von wo der Beschuss kommt und um
welche Waffengattung es sich handelt. Wir haben Verletztentransporte gesehen,
wir haben die Leiche eines jungen Mannes gesehen, der bei einem
Raketeneinschlag umkam, wir waren in Bombenkellern, in denen mehrere Familien
unter schrecklichen Bedingungen leben müssen. Ich habe Bilder eines anderen
Fotografen gesehen, der die Folgen eines Artillerievolltreffers auf ein
ukrainisches Armeefahrzeug fotografiert hat: abgetrennte Körperteile,
unkenntlich verbrannte Leichen, leuchtend rote Gehirnmasse auf der Ladefläche
des zerstörten Lastwagens – unbeschreiblich. Diese Bilder bleiben im Kopf.
Wie
war der Kontakt zu den Kämpfern?
Bachmeier: Der
Kontakt zu den ukrainischen Soldaten war teilweise sehr gut, besonders zu
denen, die an der Front Schanzarbeiten erledigten oder an den Checkpoints Wache
hielten. Wir kamen ins Gespräch, und ich wurde herumgeführt. Zu Beginn der vereinbarten
Waffenruhe war die Lage allerdings sehr angespannt.
Inwiefern?
Bachmeier: Als
wir versuchten, das letzte Wegstück nach Debaltsewo zurückzulegen, wurden wir
an der Weiterfahrt gehindert. Trotz der offiziellen Genehmigung des
Verteidigungsministeriums blieb uns der Zutritt zu strategisch wichtigen Orten
versagt, so dass wir alternative Routen und Wege in und aus den Dörfern vor
Debaltsewo suchen mussten.
Wirst
Du wieder fahren?
Bachmeier: Im
Moment ist noch nichts geplant. Ich will den weiteren Verlauf des Konflikts
aber auf jeden Fall weiter dokumentieren.
Die Organisation Reporter ohne Grenzen bietet Informationen
zur Sicherheit von Journalisten in Konfliktgebieten sowie eine
Versicherung für die Arbeit in Krisengebieten.
Bachmeiers Bildstrecke über Menschen in der Ostukraine und Ihre Lebensbedingungen "Hört uns zu!" auf ostpol.de
"Gesichter des Protests" Strecke über die eskalierenden Proteste in Kiew auf ostpol.de
Bachmeiers Bildstrecke über Menschen in der Ostukraine und Ihre Lebensbedingungen "Hört uns zu!" auf ostpol.de
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