In der Wochenendausgabe der
Süddeutschen Zeitung von Ostern 2017 lässt sich ein trauriges Beispiel dafür
finden, wie der Fotojournalismus in deutschen Medien immer stärker zu purer
Illustration verkommt und gleichzeitig der Leser in die Irre geführt wird. Auf
Seite 51 in der Rubrik Gesellschaft findet sich der Artikel "Endstation
Lenin", eine Reportage des freien SZ Autors Jan Stremmel aus
Transnistrien. Auf der rechten Seite finden sich relativ großformatig vier untereinander
stehende Bilder des Fotografen Emile Ducke. Unter dem Teaser des Artikels steht
"Text: Jan Stremmel, Fotos: Emile Ducke". Dies ist für den Leser
zusammen mit dem Reportagestil des Textes und dem "wir" das dort
benutzt wird in der Regel ein Hinweis dafür, das Autor und Fotograf zusammen
unterwegs waren. Leider ist dem nicht der Fall, da die Bilder von Emile Ducke
schon zwei Jahre alt sind und seit 2015 im Netz zu finden sind. Ich bin nur
stutzig geworden, weil Emile Ducke mit seiner Serie aus Transnistrien einige
Preise gewonnen hat und die Bilder deswegen recht oft zu sehen waren. In den
Bildunterschriften findet sich jedoch kein Hinweis darauf, dass die Bilder aus
dem Jahr 2015 sind und nicht auf der Reise mit Jan Stremmel entstanden sind.
Dies ist mindestens ein handwerklicher Fehler.
Nun könnte man sagen, dabei
handelt es sich um alltägliche Praxis wie deutsche Medien Visualisierung im Journalismus
betreiben. Das ist auf jeden Fall ein Fakt und deswegen auch eher der Redaktion
bzw. der Bildredaktion als dem Fotografen und Texter anzulasten. Aber ich
denke, dass der Fall auch eine tiefere Bedeutungsebene hat. Denn ich glaube, dass diese
Form der Visualisierung die Glaubwürdigkeit journalistischer Bilder an sich
untergräbt. Denn wenn ich in diesem Fall alte Bilder mit aktuellem Text
kombiniere, ohne dies zu benennen, warum soll der Leser dann in anderen Fällen
den Reportagen Glaubwürdigkeit schenken, wo Fotograf un Texter tatsächlich
zusammen vor Ort waren? Oder ist dies einfach nicht mehr wichtig? Dabei geht es
hier explizit um Reportagen, da die hier zu sehende Praxis, dass Artikel mit
Agenturfotos kombiniert werden, im tagesaktuellen Journalismus schon lange den Alltag
darstellt. Für mich ist es jedoch ein fragwürdiges und trauriges Beispiel
dafür, wie eine tolle Fotoreportage zur Visualisierung verkommt und der
Qualitätsjournalismus seine eigene Glaubwürdigkeit untergräbt.
P.S.: In der Online-Ausgabe
der SZ ist der Fall ähnlich gelagert. Dort sind, ganz ähnlich gerahmt wie im
Print-Artikel, neun Bilder als Galerie zu finden.