Freitag, 22. März 2013

Phnom Penh: Das Verschwinden verhindern


Am Donnerstag den 21. März 2013 wurde in der ifa-Galerie in Berlin die Ausstellung „Phnom Penh: Das Verschwinden verhindern“ im Beisein einiger der dort ausstellenden kambodschanischen Künstler eröffnet. Die Ausstellung zeigt die kritische Beschäftigung lokaler kambodschanischer Künstler mit der städtebaulichen Entwicklung der kambodschanischen Hauptstadt, mit einem Schwerpunkt auf fotografischen Arbeiten.

Politische und soziale Konflikt haben multiple Formen und finden in vielen unterschiedlichen sozialen wie geografischen Räumen statt. Nicht nur die Diskussion über Gentrifizierungsprozesse in Berlin, sondern auch die Stadtentwicklungsprozesse in Großstädten des globalen Südens wie Phnom Penh zeigen die soziale Sprengkraft und das Konfliktpotential von Urbanisierung und Modernisierung. Deswegen ist die Frage, wie die Fotografie als dokumentarisches und künstlerisches Medium mit diesen Fragestellungen umgeht, auch für diesen Blog und die Auseinandersetzung mit dem Themenkomplex „Fotografie und Konflikt“ von großem Interesse.

Die Ausstellung stellt insofern eine Premiere dar, als das zum ersten Mal zeitgenössische kambodschanische Kunst in den Mittelpunkt einer Ausstellung in Deutschland gerückt wird und gleichzeitig politische Probleme in Phnom Penh thematisiert werden. Verantwortet wurde das Projekt von der in Kambodscha lebenden Kuratorin und Galeristin Erin Gleeson. Von den zehn auf der Ausstellung zu sehenden KünstlerInnen sind drei, die hauptsächlich fotografisch arbeiten. Ihre Arbeiten werden im Vordergrund dieses Artikels stehen. Alle drei sind in den 1980er Jahren geboren und stehen noch am Anfang ihrer fotografischen und künstlerischen Karriere.

Die Arbeit von Kvay Samnang heißt die „Natur des Menschen“ (2010 - 2011) und zeigt großformatige Portraitaufnahmen. Das irritierende an diesen Aufnahmen, die in den Wohnräumen der Menschen entstanden sind und die sich allesamt im bekannten „weißen Haus“ in Phnom Penh befinden, ist, dass die Gesichter der Portraitierten von einer Maske verdeckt sind. So erzählen nur die Räume eine Geschichte und die Menschen werden zu einer eher austauschbaren Staffage. Im Katalog heißt es dazu: „Ihre zum Ausdruck kommende Furcht vor der Indexikalität der Fotografie – also deren Fähigkeit zur Identifikation oder gar zu überführen – entspricht einer Zurückhaltung, die sowohl kulturell bedingt als auch politisch geprägt ist“ (S. 29). Damit verweist diese Arbeit unter anderem auch auf das politische Erbe Kambodschas in Form des Terror-Regimes der Roten Khmer und die Angst vor Denunziation, die diese Zeit so stark prägte.

Lim Sokchanlina ist in der Ausstellung mit der Arbeit „Eingegrenzte Zukunft“ vertreten. Die Arbeit zeigt in Farbfotografien Bauzäune und Eingrenzungen aus dem Stadtraum Phnom Penhs, die als „Indikatoren des Wandels (...) einen Großteil der Topografie des heutigen Phnom Penh“ charakterisieren, so der Katalog (S. 44). Eigentlich als großformatige Arbeiten geplant, ist die Serie in Berlin in Form von Postkarten ausgestellt, die vom Besucher mitgenommen werden dürfen. Damit bekommt die Arbeit einen „Work in Progress“ Charakter der die Serialität auf der einen und die Beständigkeit des bebilderten Phänomens auf der anderen Seite hervorheben.

Die dritte fotografische Arbeit der Ausstellung stammt von Vandy Rattana und trägt den Titel „Erstes Hochhaus“. Neun, zu einem Tableau arrangierte Schwarz-Weiß Bilder zeigen Szenen von der Baustelle der Errichtung des ersten Wolkenkratzers Phnom Penhs. Rattan rückt damit die Ereignisse am Rande dieses Wahrzeichens der Modernisierung in den Blickwinkel. Über die Motivation zu seiner fotografischen Arbeit findet sich im Katalog der interessante Kommentar dass am Beginn seine Besorgnis stand, dass „keine greifbare Dokumentation der für seine Kultur besonderen Geschichten, Charakteristika und Denkmäler existierte“ (S. 101). Dass ihm dies in seiner Form fotografischer Dokumentation gelingt, zeigen auch die anderen im Katalog abgebildeten Arbeiten.

Die übereinstimmenden Merkmale dieser drei fotografischen Arbeiten sind, dass sie zum einen lokale politische Probleme im Stadtraum thematisieren und zum anderen eine konzeptionelle Herangehensweise an die Fotografie haben. Die Fotografie wird von allen dreien zwar in einer dokumentarischen Tradition genutzt – im Sinn der Sichtbarmachung bestimmter sozialer Phänomene – um gleichzeitig durch einen seriellen Charakter auf ein übergreifendes Konzept zu verweisen. Damit orientieren sich die Arbeiten auch am zeitgenössischen fotografischen Diskurs, wie er Museen und Galerien in Europa und den USA prägt, und sind dahingehend sicherlich auch markttauglich.

Zur Ausstellung ist herausgegeben vom ifa ein umfangreicher Katalog erschienen. Dort werden alle in der Ausstellung zu sehenden Künstler und ihre Arbeiten ausführlich vorgestellt. Vor allem die konzeptionellen Hintergründe zu den einzelnen Arbeiten sowie die Künstlerbiographien bieten interessante Einblicke. Ergänzt werden sie durch verschiedene Essays die der zeitgenössischen Kunst und ihren Institutionen in Kambodscha gewidmet sind. So entsteht ein umfassendes Bild das Lust macht, mehr künstlerische und vor allem fotografische Arbeiten aus Kambodscha zu sehen.





Zur Ausstellung gibt es auch ein interessantes Begleitprogramm mit Führungen durch die Ausstellung, Stadtspaziergängen und einer Podiumsdiskussion.


Literatur: Institut für Auslandsbeziehungen (2013): Phnom Penh: Das Verschwinden verhindern, Berlin 2013.

Montag, 4. März 2013

Das Apartheid-Regime im Blick lokaler Fotojournalisten

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Dass der Leiter des Hauses der Kunst in München Okwui Enwezor etwas von afrikanischer Fotografie versteht, hat er in den letzten Jahren vielfach unter Beweis gestellt, wie beispielsweise in der Eröffnungsausstellung der Walther Collection im Jahr 2010. Jetzt ist im Haus der Kunst in München die von ihm mitkuratierte und in Zusammenarbeit mit dem International Center for Photography in New York entstandene Ausstellung „Aufstieg und Fall der Apartheid“ zu sehen. Wie es im Einführungstext der Ausstellung heißt, geht es in der Ausstellung „weniger um die Geschichte der Apartheid, als um die Frage, wie sich Apartheid im Alltag der Menschen manifestiert hat“ und wie die Fotografie als Medium lokaler Fotojournalisten dies erzählt.

Wer sich in die Ausstellung begibt, sollte viel Zeit und Geduld mitbringen. Hunderte, vor allem Schwarz-Weiß Bilder in kleiner Größe zeigen chronologisch die Geschehnisse im Apartheidsregime in Südafrika, den Alltag und die sich wandelnden Formen des Widerstandes. Dazu sind in Vitrinen Bücher und Zeitschriften, die entweder aus Südafrika selbst stammen oder sich mit dem Apartheidsregime beschäftigen, ausgestellt. Leider ist der chronologische Aufbau der Ausstellung implizit und für den Besucher nicht ersichtlich. So sieht der Besucher sich abgesehen von der Haupthalle mit einer Flut von Bildern konfrontiert. Um sich diesen von Anfang bis Ende zu widmen braucht man entweder ein großes geschichtliches Interesse oder man muß ein großer Fan der Schwarz-Weiß Fotografie sein. Umso intensiver die riesigen Bilder des Protests in der Haupthalle, die eindrücklich die Kraft der dokumentarischen Fotografie zeigen.

Die große Leistung der Ausstellung ist es, die Geschichte der Apartheid mit den Augen lokaler, südafrikanischer Fotojournalisten zu zeigen. Wohl nur intime Kenner afrikanischer Fotografie kannten vorher das Magazin „Drum“, das in den 50er Jahren in Südafrika erschien und der schwarzen Bevölkerung eine Stimme verlieh. Auch Afrapix, die südafrikanische Foto-Agentur die in den 80er Jahren das Aushängeschild politisch engagierter Fotografie war, ist eher Insidern bekannt. Und die Namen der hervorragenden südafrikanischen Fotografen wie Omar Badsha oder Peter Magubane waren bisher eher weniger geläufig. Im historischen Überblick kontextualisiert sich auch der sogenannte „Bang Bang Club“ der über das autobiografische Buch von Greg Marinovich und João Silva und seine Verfilmung international Berühmtheit erlangte. Im Vergleich zur fotografischen Geschichte der Apartheid, welche die Ausstellung zeigt, ist die Bedeutung des „Bang Bang Club“ eher gering und hinter der internationalen Bekanntheit der Gruppe steht wohl eher der Wunsch nach Heroisierung von Konfliktfotografen.

Schade ist, dass die informativen Texte, welche die Ausstellung begleiten, eher ein einsames Dasein in den Raumecken finden. So ist es mitunter schwierig den Zusammenhang zwischen den Texten und den entsprechenden Bildstrecken herzustellen. Und nur wer aufmerksam liest bekommt beispielsweise mit, dass es sich bei einigen Bildstrecken um Propagandastrecken aus Sicht des Apartheidregimes handelt, die die reibungslose Kooperation weißer und schwarzer Eliten zeigen. Auf bildnerischer Ebene ist dieser Unterschied nicht zu erkennen.

Sehenswert und erkenntnisreich ist die Ausstellung allemal. Und sie sollte zu denken geben, ob es immer notwendig ist, die Geschichte auch aktuell konfliktträchtiger Länder immer mit den Augen weißer, westlicher Fotojournalisten zu erzählen, oder ob die Suche nach lokalen Fotojournalisten, die kenntnisreich ihre eigene Geschichte erzählen, nicht eine Alternative darstellen könnte.


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