Am Donnerstag den 21.
März 2013 wurde in der ifa-Galerie in Berlin die Ausstellung „Phnom Penh: Das
Verschwinden verhindern“ im Beisein einiger der dort ausstellenden
kambodschanischen Künstler eröffnet. Die Ausstellung zeigt die kritische
Beschäftigung lokaler kambodschanischer Künstler mit der städtebaulichen
Entwicklung der kambodschanischen Hauptstadt, mit einem Schwerpunkt auf
fotografischen Arbeiten.
Politische und soziale Konflikt haben multiple Formen und
finden in vielen unterschiedlichen sozialen wie geografischen Räumen statt.
Nicht nur die Diskussion über Gentrifizierungsprozesse in Berlin, sondern auch
die Stadtentwicklungsprozesse in Großstädten des globalen Südens wie Phnom Penh
zeigen die soziale Sprengkraft und das Konfliktpotential von Urbanisierung und
Modernisierung. Deswegen ist die Frage, wie die Fotografie als dokumentarisches
und künstlerisches Medium mit diesen Fragestellungen umgeht, auch für diesen
Blog und die Auseinandersetzung mit dem Themenkomplex „Fotografie und Konflikt“
von großem Interesse.
Die Ausstellung stellt insofern eine Premiere dar, als das
zum ersten Mal zeitgenössische kambodschanische Kunst in den Mittelpunkt einer
Ausstellung in Deutschland gerückt wird und gleichzeitig politische Probleme in
Phnom Penh thematisiert werden. Verantwortet wurde das Projekt von der in
Kambodscha lebenden Kuratorin und Galeristin Erin Gleeson. Von den zehn auf der
Ausstellung zu sehenden KünstlerInnen sind drei, die hauptsächlich fotografisch
arbeiten. Ihre Arbeiten werden im Vordergrund dieses Artikels stehen. Alle drei
sind in den 1980er Jahren geboren und stehen noch am Anfang ihrer
fotografischen und künstlerischen Karriere.
Die Arbeit von Kvay Samnang heißt die „Natur des Menschen“
(2010 - 2011) und zeigt großformatige Portraitaufnahmen. Das irritierende an
diesen Aufnahmen, die in den Wohnräumen der Menschen entstanden sind und die
sich allesamt im bekannten „weißen Haus“ in Phnom Penh befinden, ist, dass die
Gesichter der Portraitierten von einer Maske verdeckt sind. So erzählen nur die
Räume eine Geschichte und die Menschen werden zu einer eher austauschbaren
Staffage. Im Katalog heißt es dazu: „Ihre zum Ausdruck kommende Furcht vor der
Indexikalität der Fotografie – also deren Fähigkeit zur Identifikation oder gar
zu überführen – entspricht einer Zurückhaltung, die sowohl kulturell bedingt
als auch politisch geprägt ist“ (S. 29). Damit verweist diese Arbeit unter
anderem auch auf das politische Erbe Kambodschas in Form des Terror-Regimes der
Roten Khmer und die Angst vor Denunziation, die diese Zeit so stark prägte.
Lim Sokchanlina ist in der Ausstellung mit der Arbeit
„Eingegrenzte Zukunft“ vertreten. Die Arbeit zeigt in Farbfotografien Bauzäune
und Eingrenzungen aus dem Stadtraum Phnom Penhs, die als „Indikatoren des
Wandels (...) einen Großteil der Topografie des heutigen Phnom Penh“
charakterisieren, so der Katalog (S. 44). Eigentlich als großformatige Arbeiten
geplant, ist die Serie in Berlin in Form von Postkarten ausgestellt, die vom
Besucher mitgenommen werden dürfen. Damit bekommt die Arbeit einen „Work in
Progress“ Charakter der die Serialität auf der einen und die Beständigkeit des
bebilderten Phänomens auf der anderen Seite hervorheben.
Die dritte fotografische Arbeit der Ausstellung stammt von
Vandy Rattana und trägt den Titel „Erstes Hochhaus“. Neun, zu einem Tableau
arrangierte Schwarz-Weiß Bilder zeigen Szenen von der Baustelle der Errichtung
des ersten Wolkenkratzers Phnom Penhs. Rattan rückt damit die Ereignisse am
Rande dieses Wahrzeichens der Modernisierung in den Blickwinkel. Über die
Motivation zu seiner fotografischen Arbeit findet sich im Katalog der
interessante Kommentar dass am Beginn seine Besorgnis stand, dass „keine
greifbare Dokumentation der für seine Kultur besonderen Geschichten,
Charakteristika und Denkmäler existierte“ (S. 101). Dass ihm dies in seiner
Form fotografischer Dokumentation gelingt, zeigen auch die anderen im Katalog
abgebildeten Arbeiten.
Die übereinstimmenden Merkmale dieser drei fotografischen
Arbeiten sind, dass sie zum einen lokale politische Probleme im Stadtraum
thematisieren und zum anderen eine konzeptionelle Herangehensweise an die
Fotografie haben. Die Fotografie wird von allen dreien zwar in einer
dokumentarischen Tradition genutzt – im Sinn der Sichtbarmachung bestimmter
sozialer Phänomene – um gleichzeitig durch einen seriellen Charakter auf ein
übergreifendes Konzept zu verweisen. Damit orientieren sich die Arbeiten auch
am zeitgenössischen fotografischen Diskurs, wie er Museen und Galerien in
Europa und den USA prägt, und sind dahingehend sicherlich auch markttauglich.
Zur Ausstellung ist herausgegeben vom ifa ein umfangreicher
Katalog erschienen. Dort werden alle in der Ausstellung zu sehenden Künstler
und ihre Arbeiten ausführlich vorgestellt. Vor allem die konzeptionellen
Hintergründe zu den einzelnen Arbeiten sowie die Künstlerbiographien bieten interessante
Einblicke. Ergänzt werden sie durch verschiedene Essays die der
zeitgenössischen Kunst und ihren Institutionen in Kambodscha gewidmet sind. So
entsteht ein umfassendes Bild das Lust macht, mehr künstlerische und vor allem
fotografische Arbeiten aus Kambodscha zu sehen.
Zur Ausstellung gibt es auch ein interessantes
Begleitprogramm mit Führungen durch die Ausstellung, Stadtspaziergängen und
einer Podiumsdiskussion.
Literatur: Institut für Auslandsbeziehungen (2013): Phnom
Penh: Das Verschwinden verhindern, Berlin 2013.
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