In der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift Friedensforum wird ein Text von mir über das Verhältnis von
Fotojournalismus, Krieg und ziviler Konfliktbearbeitung erscheinen. Er ist inspiriert von meiner langjährigen Arbeit an der Schnittstelle von Journalismus und Konfliktbearbeitung. Ziel ist Diskussion darüber anzuregen, inwieweit Fotografie einen zivilen Charakter haben kann oder haben sollte und möglicherweise eine (Wieder-) Aneignung nötig ist. Um das Thema breiter zu streuen wird der Text neben meinem Blog auch im Online-Magazin Rheinraum sowie auf der Webseite des deutschen Zweigs des Peace and Conflict Journalism Networks (PECOJON) veröffentlicht.
Liest man in einschlägigen
medienwissenschaftlichen Publikationen Texte zum Verhältnis Fotografie und
Krieg, so entsteht der Eindruck, als hätten der Kriegsdiskurs und die Logik des
dichotomen Denkens auch das Bildmedium übernommen. So ist immer wieder von
Bilderkriegen, dem War Porn und Bildern als Waffen die Rede. So hat scheinbar
die Logik des Krieges den Fotojournalismus und die Fotografie übernommen.
Notwendig ist eine zivile (Wieder-) Aneignung des Fotojournalismus und der
Fotografie. Und dies nicht nur in der Praxis, sondern auch im Diskurs über
diese Themen. Und hier besteht eine bedeutende Schnittstelle zwischen der
zivilen Konfliktbearbeitung und dem Fotojournalismus. In beiden Feldern ist
eine zunehmende Präsenz des Militärischen zu beobachten, eine
Versicherheitlichung des Diskurses und der Praxis. Was in der zivilen
Konfliktbearbeitung das Damoklesschwert der zivil-militärischen Zusammenarbeit
ist, ist im Fotojournalismus die Praxis des Embeddment.
Gemeinsamkeiten gibt es auch auf
der Ebene des Status der Akteure im Feld. Es reicht nicht aus, Konfliktarbeiter
und Fotojournalisten verstärkt in Sicherheitstrainings zu schicken. Stattdessen
muss ihre Schutzwürdigkeit und die Bedeutung der Aufrechterhaltung derselben
innerhalb des internationalen humanitären Völkerrechts immer wieder
eingefordert werden. Nicht Fotojournalisten und Konfliktarbeiter brechen
humanitäres Völkerrecht, sondern die militärischen Konflikt-Akteure, in dem sie
die beiden Gruppen zu legitimen militärischen Zielen machen. Nichts anderes
bezweckt der Diskurs von Bilderkriegen. Wenn Bilder Waffen sind, dann werden Fotojournalisten
automatisch zu legitimen Zielen des Krieges. Diese Logik gilt es zu
durchbrechen. Nicht die Bilder an sich sind Waffen, sondern wenn überhaupt der
missbräuchliche Gebrauch von Bildern. Dies kann in der extremsten Art die Form
von Propaganda annehmen. Dabei handelt es sich jedoch meist um klassische
Public Relation.
Für die zivile
Konfliktbearbeitung können Fotojournalisten auch von daher Verbündete, als dass
sie Bilder produzieren, an die die zivile Konfliktbearbeitung anknüpfen kann.
Kriege und Konflikt sind für Fotojournalisten eine der wichtigsten
Berichterstattungsgegenstände. Dabei ist ihre Arbeit natürlich von den
standardisierten Nachrichtenwerten sowie Erwartungen ihrer Auftraggeber
beeinflusst. Im Idealfall legen sie Menschenrechtsverletzungen offen und
zeigen, wo Menschen Alternativen zur Gewalt anwenden. Darüber hinaus können
Fotojournalisten auch die Aktivitäten bei Prozessen der Konflikttransformation
beobachten und einem breiteren Publikum zugänglich machen[1].
An dies kann in der politischen Arbeit der zivilen Konfliktbearbeitung
angeknüpft werden. Fotojournalisten können Partner sein, von denen eingefordert
werden kann und muss, auch stärker Alternativen zu Gewalt in den Blick zu
nehmen. Aus diesem Anspruch heraus und der Infragestellung klassischer
Nachrichtenwerte sind Konzepte wie das der konfliktsensitiven
Berichterstattung, welches auch unter dem Begriff Friedensjournalismus[2]
fungiert, entstanden.
Dabei ist es jedoch wichtig, dass
Fotojournalisten, wenn sie als Journalisten auftreten um Projekte zu
dokumentieren, nicht in diese eingebunden und ausschließlich als Public
Relation Werkzeug betrachtet werden. Denn die Unabhängigkeit der
Fotojournalisten ist wichtig, um zu einer positiven und durchaus notwendig
kritischen Begleitung der Projekte beitragen zu können. Wenn Fotojournalisten
jedoch in Projekte eingebunden werden, verlieren sie ihren Status als
Journalist und werden zu PR-Tools oder zu Konfliktarbeitern mit der Kamera.
Auch wenn dies in keinster Weise verwerflich, muss hinsichtlich ihrer Rolle
jedoch eine Unterscheidung gezogen werden. Abgrenzung und Klarheit hilft hier
sowohl dem Fotojournalismus als auch der zivile Konfliktbearbeitung.
In dieser Hinsicht ist auch das
neue Feld, das oft unter dem überaus schwammigen Begriff „Friedensjournalismus“
daherkommt und das ich hier als „Media and Peacebuilding“ betiteln möchte,
kritisch zu betrachten. Kaum ein Projekt in einer Konfliktregion, kaum eine
externe Intervention kommt heute noch ohne Medien-Anteil aus. Das Schlimme ist,
dass hier die Grenzen zwischen Journalismus, Public-Relation und Konfliktarbeit
mit Medien immer stärker verschwimmen. Auch hier sind Ehrlichkeit und
konzeptionelle Klarheit von zentraler Bedeutung. ISAF Media Programme in
Afghanistan sind eben nicht primäre journalistische Projekte, sondern
integraler Bestandteil einer zivil-militärischen Strategie. Aus dieser gilt es
wiederum, den Fotojournalismus wie die zivile Konfliktbearbeitung
herauszulösen, um als Alternative zu Gewalt und militärischem Handeln bestehen
zu können.
Was bedeutet nun die zivile
Aneignung von Bildern? An erster Stelle steht eine Dekonstruktion des
Bildmediums. Bilder zeigen immer nur einen Ausschnitt der Wirklichkeit. Aber
Bilder zeigen eben auch etwas von Wirklichkeit und haben einen
Authentizitätscharakter. Bilder sind als solches erst ein Mal Dokumente
vergangener sozialer Situationen und als solche sind sie zu lesen. Angefertigt
werden diese Dokumente von professionellen Fotojournalisten. Die Akteure der
dokumentierten Situationen sind Zivilisten. Diejenigen, die gewalthaltige
Konflikthandlungen ausführen, sind die militärischen Akteure. An dieser Stelle
werden die Puristen unter den Lesern sicherlich aufschreien, Beispiele von
voyeuristischen Fotojournalisten aufzählen, von Vietnam bis zum Irak, deren
Anwesenheit in der Situation erst ein Ereignis schuf. Das mag an einigen
Stellen auch richtig sein. Aber der Abzug an der Waffe wird nicht von den
Fotojournalisten gedrückt, Krieg wird nicht in ihrem Namen geführt. Diese
Verantwortung sollte ihnen nicht auferlegt werden.
Natürlich ist nicht
wegzuargumentieren, dass mit dem fotografischen Akt auch durchaus eine
gewalthaltige Form der Aneignung verbunden sein kann. Schon der Ausdruck des
„Bilder schießens“ spricht diesbezüglich Bände. Und je nachdem wie sich ein
Fotojournalist in eine soziale Situation begibt, kann dies natürlich ebenfalls
Formen eines gewalthaltigen Auftretens mit einschließen. Beispielsweise dann,
wenn ein Fotojournalist eingebettet in die Einheiten westlicher Truppen am
Hindukusch an Hausdurchsuchungen beteiligt ist und als Teil der Truppe
ungefragt Bilder der Menschen macht. Aber genau um dieses zu verhindern oder
dem etwas entgegenzusetzen, gibt es fotografische Kodizes. Darüber hinaus
spielt die Haltung des Fotojournalisten bezüglich seiner Arbeit eine zentrale
Rolle[3].
Der fotografische Akt kann ein gewalthaltiger Akt sein, muss es aber nicht.
Auch wenn sich soziale Gegensätze und Macht-Asymmetrien, vor allem zwischen
Fotojournalisten aus dem globalen Norden und Menschen aus dem globalen Süden
nicht völlig ausräumen lassen, so sind diese jedoch dekonstruierbar und können
in eine soziale Situationen münden, in denen beide etwas mitnehmen und keine
einseitige Form der Aneignung des Bildes des anderen stattfindet.
Aber zurück zum Dokumentcharakter
eines Bildes. Ein Bild als Dokument zu lesen bedeutet auch, es nicht für
Propaganda-Zwecke zu missbrauchen. Im Sinne von „Seht mal wie grausam die
anderen sind“. Das sagt nicht ein Bild, das machen ein Kontext, eine Bildverwendung
und die Form der Rezeption aus einem Bild. Die zivile Aneignung von Bildern
bedeutet also vor allem auch einen konfliktsensitiven Gebrauch, ähnlich einer
gewaltfreien, lösungsorientierten Kommunikation. Bilder können – und sollen
auch – Emotionen auslösen. Aber wenn Bilder emotionalisierte Handlungen
auslösen, wird es gefährlich. Deswegen ist Bildkompetenz - ebenso wie
Konfliktkompetenz - auf Seiten der Bildnutzer mindestens ebenso gefragt wie
eine klare Haltung bei den Produzenten. Somit zeigt sich hier eine weitere
Schnittstelle zwischen dem Fotojournalismus und der zivilen
Konfliktbearbeitung: beide brauchen spezifische Kompetenzen bei den Menschen.
Und Bildkompetenz wie Konfliktkompetenz befruchten sich gegenseitig.
Die Aufdeckung gemeinsamer Interessen
zwischen der zivilen
Konfliktbearbeitung und dem Fotojournalismus bedeutet jedoch nicht, dass sich
das eine Feld mit dem anderen gemein machen sollte. Kritische Distanz und
Begleitung sind auch hier von zentraler Bedeutung. Aber die hier dargestellten
Fragestellungen sollten hinsichtlich des Auffindens von Synergien und
gemeinsamer Interessenfelder vertieft werden. So ist die gegenseitige
Affirmation beider Gruppen ihres Status als ziviler Akteure im Konflikt von
zentraler Bedeutung und kann der Stimme beider Gruppen mehr Gewicht geben. Auch
bei der notwendigen Abgrenzung des eigenen zivilen Handelns von militärischer
Logik gibt es meiner Ansicht nach weitgehend Übereinstimmung. Inwieweit dies
auch die Übernahme von Prinzipien gewaltfreien Handelns und eine pazifistische
Grundhaltung für beide Akteure bedingt, ist hingegen noch zu diskutieren. Eine
poetische und in die Zukunft weisende Klammer verbindet jedoch beide Felder:
die Kreativität. Weder die zivile Konfliktbearbeitung auf der Suche nach alternativen
Formen der Konflikttransformation und –lösung noch der Fotojournalismus beim
Versuch, den Konfliktalltag visuell darzustellen, kommen ohne diese aus.
Diskutieren sie weiter zum Thema auf diesem Blog, auf Facebook oder auf Twitter.
Wo sehen sie Schnittstellen zwischen dem Fotojournalismus und der zivilen
Konfliktbearbeitung? Was kann ihrer Meinung nach das eine vom anderen Feld
lernen? Welche positiven wie negativen Erfahrungen haben sie gemacht?
[1] Ein gutes Beispiel ist das
von Petra Gerster herausgegebene Buch „Die Friedensmacher“, das im Rahmen des
Projekts „Peace Counts“ entstanden ist.
[2] Weitere Informationen zu
diesem Thema gibt es bei der Autorin Nadine Bilke unter www.friedensjournalismus.de und
beim Peace and Conflict Journalism Network www.pecojon.de.
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