Der
israelisch-palästinensische Konflikt spielt sich nicht nur im alltäglichen
Leben der Menschen in der Region ab, sondern auch in der Auseinandersetzung
zweier konkurrierender Meta-Narrative bzw. nationaler Erzählungen. Ein
wichtiger Pfeiler dieser Narrative ist die kollektive Erinnerung. Eine zentrale
Rolle in der kollektiven Erinnerung spielen historische Fotografien und vor
allem deren gezielter Einsatz bzw. das gezielte Nutzen zur Untermauerung
bestimmter politischer Positionen in der Erinnerung. In diesem Zusammenhang ist
eine zentrale Frage, aus welchen Quellen sich die historischen Fotografien
speisen und wer heute die Verfügungsgewalt über die Archive und damit die
historischen Fotografien hat.
Es gibt eine ganze Reihe von
Archiven mit historischen Fotografien aus der Region, die auch im Internet
zugänglich sind. Am besten sortiert und am umfangreichsten sind die Archive
zionistischer Organisationen wie der World Zionist Organization (WIZO) oder des
jüdischen Nationalfonds (JNF). Dies ist insofern nicht verwunderlich, als dass
seit der Gründung dieser Organisationen Fotografen in deren Namen tätig waren,
um die Umsetzung des zionistischen Projekts zu dokumentieren. Ein anderes
wichtiges und ebenfalls sehr politisches Archiv ist die National Photo Collection, die vom Presseamt der israelischen Regierung, dem Government Press
Office (GPO) in Jerusalem verwaltet wird. Neben den Fotografien der
Pressefotografen der israelischen Regierungen finden sich hier die Nachlässe
bedeutender israelischer Fotografen wie Zoltan Kluger.
Neben den Archiven der
zionistischen Organisationen und des israelischen Staates existieren auch
umfangreiche private Sammlungen, die ebenfalls online zugänglich sind. Die
umfangreichste und bekannteste Sammlung, die vor allem kommerziell genutzt
wird, ist unter dem Namen „The Photo House“ bekannt und vermarktet Bilder des
Tel Aviver Fotostudios von Rudi Weissenstein. Seit Mitte der 1930er Jahre
dokumentierte er das Leben in der Mittelmeermetropole und dem Jishuv.
Verschiedene private Fotosammlungen sind auch über die israelische Nationalbibliothek zugänglich.
Weniger umfangreich und weniger
gut sortiert sind Archive auf palästinensischer Seite. Dies hängt zum einen
damit zusammen, dass die Fotografie historisch gesehen auf Seiten der
Palästinenser eine weniger große Rolle spielte als im zionistischen Projekt und
zum anderen damit, dass das Projekt der Errichtung eines palästinensischen
Staates bis heute in den Kinderschuhen steckt. Am systematischsten wurde das
Leben der Palästinenser von den Fotografen des Hilfswerks der Vereinten
Nationen für palästinensische Flüchtlinge (UNRWA) dokumentiert. Seit wenigen
Jahren wird deren Archiv systematisch digitalisiert. Einige Werke
palästinensischer Fotografen finden sich auch im Archiv der Arab Image Foundation aus dem Libanon. Die in Ramallah ansässige gemeinnützige
Organisation Al-Qattan Foundation plant im Rahmen des von zu errichtenden
Kunstmuseums auch ein Archiv palästinensischer Fotografie aufzubauen.
Bis heute gibt es nur wenig
Forschung über die Bedeutung fotografischer Archive in der kollektiven
Erinnerung der Israelis und der Palästinenser sowie die politische Verwertung
der Bilder zur Unterstützung des jeweiligen Narrativs. Unbestreitbar ist
sicherlich, dass die Archive politisch gelesen werden müssen. In einem der
wenigen Aufsätze zum Thema schreibt die israelische Kuratorin Rona Sela über
die zionistischen Foto-Archive auf der Plattform Ibraaz: „These archives are not neutral and are connected to a national ideological
system that loads them with meaning and a Zionist worldview“. Es besteht
insofern ein großes Ungleichgewicht, als dass es auf Seiten der Palästinenser
sehr viel weniger umfangreiche Fotografie-Archive gibt. Hier Bedarf es in
Zukunft großer Anstrengungen diese aufzubauen.
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