Montag, 19. November 2012

Gaza: Krieg im Web 2.0?

Seit dem Beginn der Eskalation des Konflikts im Nahen Osten zwischen der israelischen Regierung und der Hamas ist der Verlauf der Auseinandersetzung im Web 2.0 auch zunehmend im Fokus von Blogbeiträgen und Artikeln. So zeichnete John Mason den Verlauf des Konflikts auf der Foto-Plattform Instagram nach. In einem Kommentar auf „The Daily Beast“ ging Ali Gharib auf Twitter-Nachrichten über den Krieg und die Involvierung von Journalisten ein.

Was in der vor allem über Twitter ausgetragenen Auseinandersetzung über den Konflikt zu beobachten ist, ist ein Kampf um die Deutungshoheit des Konflikts und seiner aktuellen Eskalation. Diejenigen, die hier in die Auseinandersetzung eingestiegen sind, sind die direkten Konflikt-Parteien wie die israelische Armee IDF und pro-israelische Gruppen sowie der Hamas nahestehende Gruppen. Zu beobachten ist ein Kampf um die Narrative. Das besondere an der Auseinandersetzung im Web 2.0 ist, das auf diese Art und Weise die Nachrichten und damit die Auseinandersetzung direkt das Publikum erreichen und die Auseinandersetzung nicht mehr gefiltert über die Presse ausgetragen wird. Die Gruppen versuchen, die öffentliche Meinung über die neuen Medien direkt zu beeinflussen, ohne den Umweg über die Presse nehmen zu müssen. Dies ist eine dramatische Wende und verlagert die Auseinandersetzung in die Weiten des Internets.

Was wegfällt ist die Funktion des Journalismus und seiner Medien, die Informationen zu kontextualisieren und einzuordnen, Hintergrundinformationen zu liefern und verschiedene Meinungen zu Wort kommen zu lassen. Auch eine Lösungsorientierung wie sie der konfliktsensitive Journalismus fordert, ist hier nicht Teil der Auseinandersetzung. Besonders drastisch wird dies am Verbreiten von Bildern ziviler Opfer sichtbar. Beide Seiten nutzen diese Bilder, um Emotionen auf ihre Seite zu ziehen und mit der „Beweiskraft“ des Bildes die Legitimität des eigenen Handelns bzw. die Illegitimität des Handelns des anderen zu untermauern. Was wegfällt ist eine Kontextualisierung und Einordnung der Bilder in das Konfliktgeschehen. Als relevante Information werden diese Bilder somit fast wertlos, da sie nur als reine Bestätigung von Faktischen – dieser Mensch auf dem Bild wurde verwundet – dienen.

Im Zusammenhang mit der Diskussion dieses Phänomens poppt in der Diskussion immer wieder der Begriff des Bilder-Krieges oder Medien-Krieges auf. Meiner Ansicht nach ist es nicht problematisch diesen Begriff zu verwenden. Ein Mal in den allgemeinen Sprachgebrauch übergegangen und als Fakt akzeptiert, liefert der Begriff des „Bilder-Kriegs“ z.B. der IDF die Legitimation, Hamas nahestehende Sender zu bombardieren. Insofern ist der Gebrauch dieses Begriffes im Interesse der Konflikt-Parteien und sollte von daher von den Medien und Wissenschaftlern tunlichst gemieden werden. Die tatsächlichen Kriegshandlungen werden immer noch mit Waffen von den Konflikt-Parteien verübt. Was in den Medien und über die Medien stattfinden, ist hingegen eine Auseinandersetzung über die Deutungshoheit des Konflikts und der Geschehnisse. Diese kritisch hin auf ihre Qualität, die Einhaltung journalistischer Standards und eine Konfliktsensitivität zu überprüfen, sollte sich die Kommunikationswissenschaft zur Aufgabe machen.

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