Auf den Seiten 30/31 der aktuellen Ausgabe des Stern-Magazin VIEW ist zu sehen, wie
die Heroisierung von Soldaten im zeitgenössischen Krieg funktioniert: über die
Einbeziehung von Hollywood. Ein großformatiges über eine Doppelseite gehendes
Bild zeigt vier US-Amerikanische Soldaten die um einen auf dem Boden liegenden verletzten
Kameraden gruppiert sind. Die Überschrift zur Bild-Text-Seite lautet „Saving
Private Ryan“. Im kurzen Bild-Text wird die Szenerie weiter erläutert:
„Ein in Afghanistan
bei einer Bombenexplosion verletzter US-Soldat verdankt sein Leben seinen
Kameraden.
Baraki/Afghanistan
– Noch schweben Staub und Qualm in der Luft. Aber auch wenn gerade keiner weiß,
ob nicht weitere Gefahr droht, sind gleich vier Männer dieser US-Patrouille
ihrem verletzten Kameraden beigesprungen – und retten so das Leben des Private
Ryan.
Bei der Detonation des im Boden versteckten Sprengkörpers
wurden die Beine des Soldaten Ryan Thomas getroffen, seine zerfetzten
Hosenbeine sind blutdurchtränkt. Während der Trupp-Sanitäter die Wunden
verbindet, hält ein Kamerad beruhigend die Hand des 21-Jährigen und spricht mit
ihm. Zwar gelingt es zunächst, die starken Blutungen zu stillen, doch Ryan
Thomas muss schnellstens in ein Feldlazarett. Im Laufschritt tragen die Männer
den Verletzten zu dem bereits gelandeten Rettungshubschrauber.
Und tatsächlich: Ihr Kamerad überlebt – wie der Soldat im
Steven Spielbergs oscar-gekröntem Film „Saving Private Ryan“. (VIEW, November 2011, Seite 30/31)
Was hier gezeichnet wird, ist das Bild von Kameradschaft und
Heldentum im Krieg. Die Umstände des Anschlags und der Konflikt in Afghanistan
spielen kaum eine Rolle. Die Botschaft lautet, dass die Soldaten füreinander
einstehen und sich auch unter Gefahr, ohne auf das eigene Leben zu achten, retten.
Auf diesen Aspekt weist der Text mit der Formulierung „Aber auch wenn gerade
keiner weiß, ob noch weitere Gefahr droht“ noch ein Mal besonders hin. Dazu
kommt der positive Ausgang der Geschichte, symbolisiert durch den in einem
kleinen Bild gezeigten wartende Rettungshubschrauber zu der die Bildunterzeile
sagt: „Der Helikopter bringt Thomas in Sicherheit. Später wird er zur
Behandlung nach Deutschland ausgeflogen“. So steht am Ende der Rettungsaktion das
rettende Krankenhaus in Deutschland.
Interessant ist der erzählerische Duktus der
Bild-Untertextes, der dem ganzen die nötige Dramatik verleiht und Nähe herstellt.
„Noch schweben Staub und Qualm in der Luft ...“ beginnt der Text und sofort ist
der Leser damit in der Aktualität des Geschehens. Eine Recherche der kompletten
Bilderstrecke in der Bilddatenbank von AFP lässt dagegen vermuten, dass seit der Explosion schon
einige Zeit vergangen ist. Dort scheint es bzgl. des Rauchs – insbesondere
aufgrund der auf anderen Bildern deutlich erkennbaren orangenen Farbe des
Rauchs – als wäre dieser durch Leuchtfakeln entstanden, die vom Militär genutzt
werden um dem Rettungshubschrauber einen Landeplatz anzuzeigen. Möglicherweise
ist es auch ein Übersetzungsfehler: In der Original-Caption ist von „dust and smoke
flares“ die Rede, wobei Smoke Flares als Rauch oder Leuchtfakeln ins Deutsche
übersetzt werden. Der Staub stammt mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit nicht von
der Explosion, da auch die verbundenen Beine des Soldaten darauf hinweisen, dass die Explosion
schon etwas länger zurückliegt.
Besonders perfide ist an diesem Beispiel, wie ein
Hollywood-Spielfilm hier als Referenz für soldatisches Handeln im Krieg gesetzt
wird: Nicht mehr der Film
orientiert sich an der Realität, sondern die Realität am Film. „Ihr Kamerad
überlebt – wie der Soldat im Steven Spielbergs oscar-gekröntem Film „Saving
Private Ryan““ heißt es im Text. Dabei ist wichtig zu wissen, dass „Saving
Private Ryan“ eine fiktive Geschichte ist, die auf der Folie der Landung der
Alliierten in der Normandie erzählt wird. Eine Gruppe von US-Soldaten wird im
Film losgeschickt um den hinter den feindlichen Linien abgesprungen Soldaten zu
retten. Gesteigert wird im Artikel die Bedeutung des Filmes durch den Hinweis
auf den Oscar-Gewinn. Dies macht die Geschichte des Films jedoch nicht realer
oder glaubwürdiger. Die einzige Verbindung zwischen Film und Soldat ist der
Name des Soldaten: Ryan. Dass diese fiktive Geschichte hier als Folie für den
Afghanistan-Krieg genutzt wird, ist das wohl deutlichste Zeichen für die
Propaganda-Botschaft die sich hier entfaltet.
Auch das Bild an sich spricht nicht dafür, dass der
Aufhänger der Geschichte ein herausragendes Nachrichtenbild war. Das Bild verfügt weder über herausragende
visuelle Qualitäten, noch hat es einen besonderen Nachrichtenwert. Rettungs-Aktionen
wie diese gehören zum Alltag des Krieges westlicher Streitkräfte in
Afghanistan. Umso interessanter ist die Frage, warum VIEW die amerikanischen
Soldaten zu Helden stilisiert und was damit bezweckt wird. Dank dem Hinweis auf
die filmische Kriegs-Maschinerie von Hollywood funktioniert dieses Stilisierung
(fast) perfekt.
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