Mittwoch, 31. Oktober 2012

Dokumentarfotografie und lokale Referenz

Per Zufall bin ich beim surfen auf die Website des guatemaltekischen Foto-Festivals GuatePhoto[1] gestoßen, das im November in Guatemala Stadt stattfinden wird. Beim Blick auf die Aufmachung der Webseite, die dort präsentierten Bilder und Themen habe ich angefangen mich zu fragen, wie viel lokale Referenz ein Festival eigentlich braucht, welches sich unter anderem mit Dokumentarfotografie beschäftigt.

Vielleicht ist zu Beginn dieser Reflektion, ein Blick auf meinen persönlichen Hintergrund durchaus wichtig. Für viele Jahre habe ich mich in verschiedenen Organisationen mit der politischen Situation und den Menschenrechten in Guatemala beschäftigt. Davon ist natürlich im Hinterkopf ein bestimmtes Bild des zentralamerikanischen Landes geblieben. Wie jedes Bild ist dieses natürlich subjektiv geformt. Es ist geprägt von den Erinnerungen an den Bürgerkrieg und seine nicht verarbeiteten Folgen, vom Wissen um die Gewaltwellen die das Land überzogen und überziehen, sowie dem Gedanken an die krasse soziale Ungleichheit die im Land herrscht. Nicht verwunderlich also dass ich mich frage, ob dieses Bild Guatemalas auch auf einem lokalen Fotografie-Festival präsent ist.

Nun ist diese Frage natürlich erst ein Mal hypothetisch – und als solches, also als reine gedankliche Spielerei, soll sie auch behandelt werden – da ich ausser über die Webseite des Festivals keinen Überblick über die Arbeiten habe, die auf dem Festival gezeigt werden. Ich kann also keine Aussage treffen, ob z.B. die lokalen ausstellenden Fotografen diese von mir angesprochene Perspektive – diesen Blick – auf ihr Land thematisieren oder nicht. Aber ich kann Fragen in den Raum werfen die vielleicht das Potential haben, über die aktuelle Form globalisierter Fotografie kritisch nachzudenken.

Denn mit nichts anderes haben wir es meiner Ansicht gerade zu tun. Wenn es visuell kaum einen Unterschied macht, ob ein Fotografiefestival in Deutschland, den USA, Japan oder Guatemala stattfindet, ist dies sicherlich ein Ausdruck globalisierter Bildkultur. So weit so gut. Aber ist es das was wir eigentlich wollen? Ist dies die Konsequenz der Dominanz bildjournalistischer Fotografie europäischer und nordamerikanischer Prägung? Welchen Interessen wird dies gerecht?

Bleiben wir noch ein Mal beim Beispiel Guatemala. Man kann sicherlich vom Festival GuatePhoto nicht verlangen, die Realität des Landes repräsentativ abzubilden. Aber sollte ein Festival nicht zumindest einen Blick auf die sozialen Realitäten des Landes, in dem das Festival stattfindet, aufzeigen? In Guatemala sind fast 60% der Bevölkerung Indigenas, meist Nachfahren der Maya. Die – meist weiße – städtische Oberschicht macht nur einen kleinen Teil der Bevölkerung aus. Aber visuell ist sie viel stärker repräsentiert.

Ein anderer Blick auf eine guatemaltekische Fotoschule, die Fototeca, zeigt dies deutlich. Dort wird der Workshop „Fotografie Documental y Eventos“ (Dokumentarfotografie und Events)[2] angeboten mit dem Ziel zu lernen, wie Hochzeiten in einem Dokumentarstil fotografiert werden können. Unzweifelhaft lassen die Beispielbilder darauf schließen, dass es hier um die weiße Oberschicht geht. Dies gilt auf ähnliche Art und Weise auch für die Modefotografie der Region.

Ist es nun überzogen von Fotografie-Institutionen in Guatemala und anderen Ländern des globalen Südens zu verlangen, dass sie sich mit ihrer Gesellschaft beschäftigen? Ist es nicht wichtig, dass diese Institutionen sich ihrer privilegierten Stellung in der Gesellschaft bewusst sind und über die Grenzen der eigenen Schicht hinaus denken und vor allem fotografieren? Was heißt dies im Umkehrschluss für Institutionen in Deutschland? Was sind Themen und Felder die hier systematisch ausgeblendet werden?

Ich denke, dass diese Perspektive hier wie dort wichtig ist. Ebenso wie wir uns in Deutschland fragen müssen, wo das Bild und die Perspektive Nicht-Weißer in den Medien ist und wie marginalisierte Gruppen in der Fotografie repräsentiert werden bzw. sich dieses Medium aneignen, gilt dies für alle anderen Länder der Welt ebenso. Natürlich darf die Konsequenz bezogen auf Guatemala umgekehrt auch nicht der exotische, indigenistische Blick auf die Gesellschaft sein, der nach visuellen Stereotypen in Form von alten Menschen in Trachten vor armen Holzhütten sucht. Aber zwischen diesem Blick und demjenigen auf die Welt der weißen Oberschicht, gibt es unzählige Realitäten die zu zeigen ungemein interessant ist und die zweifelsohne auch gezeigt werden. Vielleicht bedarf es ein bisschen mehr der Anstrengung, diese Perspektiven auch zugänglich zu machen.


[1] http://guatephoto.org/
[2] http://lafototeca.org/index.php?option=com_k2&view=item&id=205:foto-documental-y-eventos-iv%C3%A1n-guevara-lab-internacional&Itemid=33

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen