Nach dem ersten
Aufschlag im vergangenen Jahr scheint sich das Berlin Fotofestival The Browse
in der deutschen Festivallandschaft zu etablieren. Die neue Location „The
Station“ kommt der Präsentation der Ausstellungen entgegen und auch ein
spannendes Vortragsprogramm für die Professional Week konnte wieder zusammengestellt
werden. Noch bis Montag den 18. Juni sind dort die Pforten für die Besucher
geöffnet.
War die Eröffnung am Donnerstagabend noch gut besucht, so
waren die schönen Industriehallen des Veranstaltungsorts „The Station“ am
Berliner Gleisdreieck am Freitag leider nur spärlich besucht. Auf zwei Etagen
finden sich hier über 20 Fotoausstellungen, die einen breiten Bogen von
Reportagefotografie bis zu künstlerischen Projekten schlagen. Die Auswahl der
einzelnen Arbeiten lässt jedoch leider eine kuratorische Handschrift vermissen
und ist etwas konflikt- und gewaltlastig. Ein gewisses Name Dropping
international bekannter Fotografen mag dabei eine Rolle gespielt haben, ebenso
wie die Arbeit mit Kooperationspartner wie den Nachrichtenagenturen dpa und AFP
oder der privaten Hochschule Best Sabel.
Dabei sind es wie so oft eher die leiseren Arbeiten von
bisher weniger bekannten Fotografen die zu überzeugen wissen. So ist eine
Arbeit des italienischen Fotoreporters Valerio Bispuri mit dem Titel „The Paco“
zu sehen. Sie zeigt eindrücklich den „Siegeszug“ dieser Droge in Lateinamerika.
Das von der Droge ausgelöste Elend ist nicht zu übersehen und wird in Bildern
von großer erzählerischer Kraft dargestellt. Auch der deutsche Fotojournalist
Kai Löffelbein, bekannt vor allem durch seine Arbeit „Kids of Sodom“, hat mit
„Hidden Hongkong“ eine neue Geschichte über das Wohnen armer Menschen in
Hongkong beigesteuert, die wie immer durch eine tolle visuelle Qualität
besticht. Von hervorragender visueller und erzählerischer Qualität sind auch
die Bilder des Fotojournalisten Emmanuel Ortiz über die Balkankriege. In
klassischer Schwarz-Weiß Fotografie zeigen sie auf eindrückliche Weise den
Alltag in der Krisenregion. Viele epische Bilder mit sehr viel erzählerischer
Qualität sind darunter. Ortiz praktizierte kein dumpfes Draufhalten, sondern hat mit Empathie und Nähe den
Alltag und den Wahnsinn im Krieg aufgenommen.
Von dieser Qualität Ortiz sind andere der gezeigten Arbeiten
aus Kriegs- und Krisenregionen weit entfernt. Teilweise strotzen diese nur so
vor blutigen Szenen. So gibt es in der Arbeit des amerikanischen Fotoreporters
Robert King über den Syrienkonflikt, versehen mit dem passenden Titel
„Democratic Desert“, kaum ein Bild ohne blutverschmierte Opfer. Wer auf dem
Festival vor einem Jahr den Dokumentarfilm über die Arbeitsweise Kings zwischen
Krisen und Kriegen gesehen hat, den verwundert dies kaum. Aber Fotojournalismus
sollte mehr bieten können als Draufhalten. Drei weitere schwer verdauliche
Arbeiten sind von der Galerie War Photo Limited gefeatured und zeigen
Kindersoldaten in Afrika. Auch hier: eine Arbeit neben der anderen mit
blutverschmierten Kinder und waffenstarrenden Jugendlichen. Selbst wenn diese
Arbeiten fotografisch gut umgesetzt sind, so ist es doch ein bisschen viel der Gewalt.
Etwas ratlos steht der Betrachter vor der großformatig
präsentierten Ausstellung „Times in Turkey“. Zum 25-jährigen Jubiläum ihrer
Gründung lud die türkische Tageszeitung Zaman international renommierte
Fotografen wie Steve McCurry oder Ed Kashi ein, in der Türkei zu arbeiten.
Herausgekommen ist eine Mischung aus weichgespülter Editorialfotografie und
touristischer Werbekampagne. Technisch und visuell hervorragend gemacht, fragt
man sich jedoch, wo der fotojournalistische Spürsinn und die Kritikfähigkeit
der Fotografen geblieben sind. Auch der Gedanke, was die Demonstranten auf dem
Taksim Square in Istanbul angesichts der unrühmlichen Rolle der türkischen
Medien in den aktuellen Protesten zu dieser Präsentation sagen würden, bleibt
im Kopf zurück.
Zu sehen sind darüber hinaus in der Fotografenwelt sehr
bekannte Projekte wie „Baghdad Calling“ von Geert van Kesteren sowie „The Sochi Project“ von Rob Hornstra
und Arnold van Bruggen. Hier ist es interessant zu sehen, wie anders eine
Wandpräsentation im Vergleich zu den sehr populären Fotobüchern der beiden
Projekte wirkt. Schön ist, dass es auch eine Arbeit aus Berlin in die
Ausstellung geschafft hat und dort eine politische Duftmarke setzt. In der
Arbeit von Yusuf Beyazit, der zur Gruppe „Photographers in Solidarity“ gehört,
geht es um den Refugee protest in Berlin und damit aktuelle Probleme direkt vor
der Haustür.
Es bleibt zu hoffen dass dem Berlin Fotofestival The Browse
der Erfolg beschert wird der nötig ist, auch eine dritte Ausgabe möglich zu
machen. Potential ist auf jeden Fall vorhanden und es ist auch eine deutliche
Steigerung zum letzten Jahr zu sehen. Ob die breit angekündigte Professional
Week die in sie gesetzten Ansprüche halten kann, wird sich in den kommenden Tagen zeigen.
Vielleicht würden dem Festival jedoch auch ein etwas bescheidenerer Auftritt,
sowie ein Fokus auf Qualität und einem gemeinsamen Thema besser zu Gesicht
stehen. Und über einen weniger sperrigen Titel ohne Anleihen in der englischen
Sprache würden sich sicherlich auch andere Menschen außer dem Autor dieses
Beitrags freuen.
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