Freitag, 14. Juni 2013

Berlin Calling – The Browse 2013


Nach dem ersten Aufschlag im vergangenen Jahr scheint sich das Berlin Fotofestival The Browse in der deutschen Festivallandschaft zu etablieren. Die neue Location „The Station“ kommt der Präsentation der Ausstellungen entgegen und auch ein spannendes Vortragsprogramm für die Professional Week konnte wieder zusammengestellt werden. Noch bis Montag den 18. Juni sind dort die Pforten für die Besucher geöffnet.

War die Eröffnung am Donnerstagabend noch gut besucht, so waren die schönen Industriehallen des Veranstaltungsorts „The Station“ am Berliner Gleisdreieck am Freitag leider nur spärlich besucht. Auf zwei Etagen finden sich hier über 20 Fotoausstellungen, die einen breiten Bogen von Reportagefotografie bis zu künstlerischen Projekten schlagen. Die Auswahl der einzelnen Arbeiten lässt jedoch leider eine kuratorische Handschrift vermissen und ist etwas konflikt- und gewaltlastig. Ein gewisses Name Dropping international bekannter Fotografen mag dabei eine Rolle gespielt haben, ebenso wie die Arbeit mit Kooperationspartner wie den Nachrichtenagenturen dpa und AFP oder der privaten Hochschule Best Sabel.

Dabei sind es wie so oft eher die leiseren Arbeiten von bisher weniger bekannten Fotografen die zu überzeugen wissen. So ist eine Arbeit des italienischen Fotoreporters Valerio Bispuri mit dem Titel „The Paco“ zu sehen. Sie zeigt eindrücklich den „Siegeszug“ dieser Droge in Lateinamerika. Das von der Droge ausgelöste Elend ist nicht zu übersehen und wird in Bildern von großer erzählerischer Kraft dargestellt. Auch der deutsche Fotojournalist Kai Löffelbein, bekannt vor allem durch seine Arbeit „Kids of Sodom“, hat mit „Hidden Hongkong“ eine neue Geschichte über das Wohnen armer Menschen in Hongkong beigesteuert, die wie immer durch eine tolle visuelle Qualität besticht. Von hervorragender visueller und erzählerischer Qualität sind auch die Bilder des Fotojournalisten Emmanuel Ortiz über die Balkankriege. In klassischer Schwarz-Weiß Fotografie zeigen sie auf eindrückliche Weise den Alltag in der Krisenregion. Viele epische Bilder mit sehr viel erzählerischer Qualität sind darunter. Ortiz praktizierte kein  dumpfes Draufhalten, sondern hat mit Empathie und Nähe den Alltag und den Wahnsinn im Krieg aufgenommen.

Von dieser Qualität Ortiz sind andere der gezeigten Arbeiten aus Kriegs- und Krisenregionen weit entfernt. Teilweise strotzen diese nur so vor blutigen Szenen. So gibt es in der Arbeit des amerikanischen Fotoreporters Robert King über den Syrienkonflikt, versehen mit dem passenden Titel „Democratic Desert“, kaum ein Bild ohne blutverschmierte Opfer. Wer auf dem Festival vor einem Jahr den Dokumentarfilm über die Arbeitsweise Kings zwischen Krisen und Kriegen gesehen hat, den verwundert dies kaum. Aber Fotojournalismus sollte mehr bieten können als Draufhalten. Drei weitere schwer verdauliche Arbeiten sind von der Galerie War Photo Limited gefeatured und zeigen Kindersoldaten in Afrika. Auch hier: eine Arbeit neben der anderen mit blutverschmierten Kinder und waffenstarrenden Jugendlichen. Selbst wenn diese Arbeiten fotografisch gut umgesetzt sind, so ist es doch ein bisschen viel der Gewalt.

Etwas ratlos steht der Betrachter vor der großformatig präsentierten Ausstellung „Times in Turkey“. Zum 25-jährigen Jubiläum ihrer Gründung lud die türkische Tageszeitung Zaman international renommierte Fotografen wie Steve McCurry oder Ed Kashi ein, in der Türkei zu arbeiten. Herausgekommen ist eine Mischung aus weichgespülter Editorialfotografie und touristischer Werbekampagne. Technisch und visuell hervorragend gemacht, fragt man sich jedoch, wo der fotojournalistische Spürsinn und die Kritikfähigkeit der Fotografen geblieben sind. Auch der Gedanke, was die Demonstranten auf dem Taksim Square in Istanbul angesichts der unrühmlichen Rolle der türkischen Medien in den aktuellen Protesten zu dieser Präsentation sagen würden, bleibt im Kopf zurück.

Zu sehen sind darüber hinaus in der Fotografenwelt sehr bekannte Projekte wie „Baghdad Calling“ von Geert van Kesteren sowie  „The Sochi Project“ von Rob Hornstra und Arnold van Bruggen. Hier ist es interessant zu sehen, wie anders eine Wandpräsentation im Vergleich zu den sehr populären Fotobüchern der beiden Projekte wirkt. Schön ist, dass es auch eine Arbeit aus Berlin in die Ausstellung geschafft hat und dort eine politische Duftmarke setzt. In der Arbeit von Yusuf Beyazit, der zur Gruppe „Photographers in Solidarity“ gehört, geht es um den Refugee protest in Berlin und damit aktuelle Probleme direkt vor der Haustür.

Es bleibt zu hoffen dass dem Berlin Fotofestival The Browse der Erfolg beschert wird der nötig ist, auch eine dritte Ausgabe möglich zu machen. Potential ist auf jeden Fall vorhanden und es ist auch eine deutliche Steigerung zum letzten Jahr zu sehen. Ob die breit angekündigte Professional Week die in sie gesetzten Ansprüche halten kann, wird  sich in den kommenden Tagen zeigen. Vielleicht würden dem Festival jedoch auch ein etwas bescheidenerer Auftritt, sowie ein Fokus auf Qualität und einem gemeinsamen Thema besser zu Gesicht stehen. Und über einen weniger sperrigen Titel ohne Anleihen in der englischen Sprache würden sich sicherlich auch andere Menschen außer dem Autor dieses Beitrags freuen.


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