Was kommt heraus, wenn sich 25 international bekannte
Fotografen auf den Weg machen, um ein Land wie die Türkei zu porträtieren? Was
sind die Themen, die ihnen dabei unterkommen? Was halten sie für wichtig über
die Türkei zu erzählen? Diese und einige andere waren Fragen, die den Autor mit
großem Interesse in die Ausstellung „Time in Turkey“ führten. Denn nur selten
sind in einem Projekt Granden des Fotojournalismus von Paolo Pellegrin über
Bruno Barbey bis hin zu Steve McCurry versammelt. Dabei wurde die Meßlatte für
eine Beurteilung der Arbeiten hoch gesetzt. Sie sollten frei von
orientalistischen Sichtweisen, vorgefertigten Einstellungen gegenüber der
Türkei und ohne Klischees sein, so Selahattin Sevi, Bildredakteur von Zaman, in
der Einleitung zum Ausstellungskatalog.
Die Bandbreite der bearbeiteten Themen ist dabei tatsächlich
beachtlich. Vor ausgewählt von der Zaman Redaktion, beschäftigten sich die
Fotografen mit Themen wie der industriellen Entwicklung der Türkei, urbaner
Migration oder der türkischen Jugend. So begleitete Jane Evelyn Atwood
türkische Bergarbeiter in eine Kohlemine, Eric Bouvet war mit der Istanbuler
Polizei auf nächtlicher Streife während Christopher Morris den türkischen Präsidenten
Abdullah Gül hinter die Kulissen der Macht begleitete oder Rena Efendi sich dem
Schicksal des von Gentrifizierung betroffenen Stadtteils Tarlabasi in Istanbul
zuwandte.
Das traurige an diesem Projekt ist jedoch, dass die Arbeiten
ausschließlich seicht an der Oberfläche der angesprochenen Themen
dahinplätscherten. Das Projekt tut keinem Weh, formuliert keine Kritik und
stellt kaum kritische Fragen. Und gerade deswegen ist es kein Aushängeschild
für qualitativ hochwertige journalistische Fotografie, wie sie Selahattin Sevi
im Einleitungstext des Ausstellungskataloges ankündigte. Journalistische
Fotografie erschöpft sich nicht in visueller Qualität und Vielfalt, sondern
benötigt vor allem eine kritische Auseinandersetzung mit gesellschaftlicher
Realität. Ansonsten bekommt sie wie im Falle von „Time in Turkey“ den
Beigeschmack von Hofberichterstattung.
Sehr gut deutlich wird dies an der Arbeit „Under water“ von
Samuel Bollendorf. Die Panoramabilder zeigen drei romantische
Landschaftsaufnahmen. In warmem Licht fotografiert sind Felder, ein Flusstal
und ein nächtlich beleuchteter Park zu sehen. Im Text wird davon berichtet, wie
kontrovers das Thema Wasser Management in dieser Region sei und wie umstritten
das Projekt des Ilisu-Staudamms, der die 1000-jährige Stadt Hasankeyf unter
seinen Fluten begraben wird. Genau diese Themen, die von großem
journalistischen Interesse sind und geradezu danach schreien, in Bildern
umgesetzt zu werden, sind in Bollendorfs Fotografien leider nicht zu finden.
Der Betrachter der Ausstellung fragt sich, wo die
Schattenseiten des ökonomischen Booms sind, wie sich das Spannungsverhältnis
zwischen säkularer und religiöser Bevölkerung entwickelt, was mit den Menschen
passiert, die im Zuge der „Modernisierung“ aus Tarlabasi und anderen
Stadtteilen Istanbuls vertrieben werden, wo die Auseinandersetzung mit dem
türkischen Nationalismus, der armenischen Minderheit und der Kurdenfrage
bleibt. All dies sind gleichzeitig extrem spannende und hochbrisante Themen.
Ebensowenig wie es angebracht wäre, das eine deutsche Tageszeitung ein
Deutschlandalbum veröffentlicht, wo ausschließlich die kulturelle Vielfalt,
High-Tech und multikulturelles Allerlei in Berlin zu sehen sind, sollte eine
türkische Tageszeitung dies als guten Fotojournalismus verkaufen. Das sind
Projekte, die nicht in die Hände von Journalisten und Fotografen, sondern wenn
überhaupt in die PR-Abteilungen von Tourismusverbänden und Regierungen gehören.
So bleibt am Ende der Ausstellung ein schaler Beigeschmack.
Im Raum steht die Frage, was die Fotografen dazu veranlasst hat, an solch einem
Projekt teilzunehmen und ihre Namen herzugeben. Sicher, visuell sind die
Arbeiten hervorragend und zeigen eine große Bandbreite visueller
Ausdrucksmöglichkeiten. Aber wenn es um den dezidiert formulierten Anspruch
geht, qualitativ hochwertigen Fotojournalismus zu zeigen, kann dies die hier
formulierten Mängel nicht aufheben. Ob dies an den redaktionellen Vorgaben von
Zaman oder an anderen Gründen lag, darüber kann an dieser Stellt nur spekuliert
werden. Zu hoffen bleibt, dass es nicht am Desinteresse der involvierten
Fotografen und einer naiven und unkritischen Zugangsweise an das Thema lag.
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