Donnerstag, 27. Juni 2013

Zwischen Hofberichterstattung und unkritischem Desinteresse

Noch bis zum 13. August hängt im Art Place Berlin im Park Inn Hotel am Alexanderplatz die Ausstellung „Time in Turkey“, die vorher auf dem Berlin Fotofestival The Browse und auf dem Alexanderplatz zu sehen war. Die Ausstellung zeigt die Werke von 25 international bekannten Fotografen, die auf Einladung der türkischen Tageszeitung Zaman zu deren 25-jährigem Jubiläum die Türkei bereisten. Angetreten mit dem Anspruch, die Türkei aus globaler Perspektive zu betrachten, zeigt das Projekt leider einen unkritischen, inhaltlich weichgespülten Blick auf das Land an der Brücke zu Asien. Gerade angesichts der aktuellen Kritik an der Berichterstattung türkischer Medien über die Proteste am Taksim Square, erscheint eine genauere Betrachtung der Ausstellung interessant.

Was kommt heraus, wenn sich 25 international bekannte Fotografen auf den Weg machen, um ein Land wie die Türkei zu porträtieren? Was sind die Themen, die ihnen dabei unterkommen? Was halten sie für wichtig über die Türkei zu erzählen? Diese und einige andere waren Fragen, die den Autor mit großem Interesse in die Ausstellung „Time in Turkey“ führten. Denn nur selten sind in einem Projekt Granden des Fotojournalismus von Paolo Pellegrin über Bruno Barbey bis hin zu Steve McCurry versammelt. Dabei wurde die Meßlatte für eine Beurteilung der Arbeiten hoch gesetzt. Sie sollten frei von orientalistischen Sichtweisen, vorgefertigten Einstellungen gegenüber der Türkei und ohne Klischees sein, so Selahattin Sevi, Bildredakteur von Zaman, in der Einleitung zum Ausstellungskatalog.

Die Bandbreite der bearbeiteten Themen ist dabei tatsächlich beachtlich. Vor ausgewählt von der Zaman Redaktion, beschäftigten sich die Fotografen mit Themen wie der industriellen Entwicklung der Türkei, urbaner Migration oder der türkischen Jugend. So begleitete Jane Evelyn Atwood türkische Bergarbeiter in eine Kohlemine, Eric Bouvet war mit der Istanbuler Polizei auf nächtlicher Streife während Christopher Morris den türkischen Präsidenten Abdullah Gül hinter die Kulissen der Macht begleitete oder Rena Efendi sich dem Schicksal des von Gentrifizierung betroffenen Stadtteils Tarlabasi in Istanbul zuwandte.

Das traurige an diesem Projekt ist jedoch, dass die Arbeiten ausschließlich seicht an der Oberfläche der angesprochenen Themen dahinplätscherten. Das Projekt tut keinem Weh, formuliert keine Kritik und stellt kaum kritische Fragen. Und gerade deswegen ist es kein Aushängeschild für qualitativ hochwertige journalistische Fotografie, wie sie Selahattin Sevi im Einleitungstext des Ausstellungskataloges ankündigte. Journalistische Fotografie erschöpft sich nicht in visueller Qualität und Vielfalt, sondern benötigt vor allem eine kritische Auseinandersetzung mit gesellschaftlicher Realität. Ansonsten bekommt sie wie im Falle von „Time in Turkey“ den Beigeschmack von Hofberichterstattung.

Sehr gut deutlich wird dies an der Arbeit „Under water“ von Samuel Bollendorf. Die Panoramabilder zeigen drei romantische Landschaftsaufnahmen. In warmem Licht fotografiert sind Felder, ein Flusstal und ein nächtlich beleuchteter Park zu sehen. Im Text wird davon berichtet, wie kontrovers das Thema Wasser Management in dieser Region sei und wie umstritten das Projekt des Ilisu-Staudamms, der die 1000-jährige Stadt Hasankeyf unter seinen Fluten begraben wird. Genau diese Themen, die von großem journalistischen Interesse sind und geradezu danach schreien, in Bildern umgesetzt zu werden, sind in Bollendorfs Fotografien leider nicht zu finden.

Der Betrachter der Ausstellung fragt sich, wo die Schattenseiten des ökonomischen Booms sind, wie sich das Spannungsverhältnis zwischen säkularer und religiöser Bevölkerung entwickelt, was mit den Menschen passiert, die im Zuge der „Modernisierung“ aus Tarlabasi und anderen Stadtteilen Istanbuls vertrieben werden, wo die Auseinandersetzung mit dem türkischen Nationalismus, der armenischen Minderheit und der Kurdenfrage bleibt. All dies sind gleichzeitig extrem spannende und hochbrisante Themen. Ebensowenig wie es angebracht wäre, das eine deutsche Tageszeitung ein Deutschlandalbum veröffentlicht, wo ausschließlich die kulturelle Vielfalt, High-Tech und multikulturelles Allerlei in Berlin zu sehen sind, sollte eine türkische Tageszeitung dies als guten Fotojournalismus verkaufen. Das sind Projekte, die nicht in die Hände von Journalisten und Fotografen, sondern wenn überhaupt in die PR-Abteilungen von Tourismusverbänden und Regierungen gehören.

So bleibt am Ende der Ausstellung ein schaler Beigeschmack. Im Raum steht die Frage, was die Fotografen dazu veranlasst hat, an solch einem Projekt teilzunehmen und ihre Namen herzugeben. Sicher, visuell sind die Arbeiten hervorragend und zeigen eine große Bandbreite visueller Ausdrucksmöglichkeiten. Aber wenn es um den dezidiert formulierten Anspruch geht, qualitativ hochwertigen Fotojournalismus zu zeigen, kann dies die hier formulierten Mängel nicht aufheben. Ob dies an den redaktionellen Vorgaben von Zaman oder an anderen Gründen lag, darüber kann an dieser Stellt nur spekuliert werden. Zu hoffen bleibt, dass es nicht am Desinteresse der involvierten Fotografen und einer naiven und unkritischen Zugangsweise an das Thema lag.


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