Gestern ging in Berlin
die Professional Week des Berliner Fotofestival „The Browse“ zu Ende. In diesem
Rahmen gab es ein gutes Dutzend Veranstaltungen und Podiumsdiskussionen zu so
unterschiedlichen Themen wie die Zukunft mobiler Fotografie, den
Fotojournalismus in der Türkei, den World Press Photo Award und die Situation
lokaler Medienaktivisten in Syrien. Darüber hinaus fanden parallel mehrere
Workshops statt. Nach der am Wochenende veröffentlichten Ausstellungskritik
soll an dieser Stelle auf einige der Veranstaltungen, die der Thematik des
Blogs nahekommen, detaillierter eingegangen werden.
Die Herausforderungen für das Nachrichtenbusiness angesichts
neuer Medien und einer zunehmenden Bilderflut standen im Fokus einer Diskussion
am Freitag Nachmittag. Moderiert von Luz Fischmann (Freelens) war mit
Vertretern von dpa und AFP auf dem Podium zum einen die Seite der Agenturen und
mit Bildredakteuren von FAZ und Der Spiegel zum anderen die Seite der Abnehmer
von Nachrichtenbildern präsent. Deutlich wurde in der Diskussion der Wandel des
Geschäfts mit Nachrichtenbildern, der sich schon alleine in der quantitativen
Zunahme von Bildern zeigt. Damit verbunden ist jedoch auch ein qualitativer
Wandel in der Bildredaktion. So wird die Bildersuche heute vor allem über
Datenabfragen mit Hilfe von Schlagwörtern vorgenommen. Christian Pohlert (FAZ)
merkte an, dass es so immer schwieriger werde, tolle Fundstücke im Sinne von
atmosphärischen Bildern aufzutreiben. In Amateurbildern, die von Smartphones
aufgenommen werden, sahen die Anwesenden keine Konkurrenz auf dem
Nachrichtenmarkt, da diesen in der Regel jegliche journalistische Substanz
fehle. Trotz der Schwierigkeiten auf dem Zeitungs- und Magazinmarkt wollte
diesbezüglich jedoch keine Trauerstimmung aufkommen. Die Orientierungsfunktion
auf der einen Seite und die Möglichkeit gut recherchierte Hintergrundberichte
zu liefern auf der anderen Seite, sei weiterhin die große Stärke der
traditionellen Medien.
War was my playground
„Konfliktfotografie im Wandel“ war der Titel einer
Diskussion am Samstag Nachmittag. Dort diskutierten die Fotografen Geert van
Kesteren, Kai Wiedenhöfer und Patrick Baz sowie die Kuratorin Anna Shapkova über
die Herausforderungen der fotojournalistischen Arbeit in Konflikten. Sehr
schnell wurden vor allem die unterschiedlichen fotografischen Herangehensweisen
der drei Fotojournalisten deutlich. Während Kai Wiedenhöfer heute
ausschließlich konzeptionell arbeitet, macht Patrick Baz als Angestellter von
AFP klassische Nachrichtenfotografie. Auch die Motivationen zur Arbeit als
„Konfliktfotograf“ sind sehr unterschiedlich. Während es für van Kesteren vor
allem um die menschliche Seite geht („I love people“), wuchs Patrick Baz im
libanesischen Bürgerkrieg auf („War was my playground“). Wiedenhöfer hingegen
wuchs in einem protestantisch geprägten Haushalt auf und wurde von der
Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus sowie dem Fall der Berliner
Mauer nachdrücklich geprägt. Kontrovers war die Diskussion hinsichtlich des
Umgangs mit den Möglichkeiten digitaler Fotografie. Während Patrick Baz dafür
plädierte, offen auch für neue Trends zu sein („We need to stick to the trend“)
kritisierte Wiedenhöfer die Auswüchse digitaler Postproduktion am Beispiel des
Gewinnerphotos des World Press Photo Award 2013. Baz argumentierte aus der
Business Perspektive und zeigte sich auch Hipstamatic gegenüber aufgeschlossen.
Wiedenhöfer hingegen forderte eine Orientierung an der „Realität“ um die
Glaubwürdigkeit des Fotojournalismus nicht zu verspielen.
Reaching new audiences with crowdfunding
Der Montagnachmittag stand im Zeichen des Crowdfunding.
Mathias Wahler von Reporter ohne Grenzen (ROG) stellte die Erfahrung der
deutschen Sektion mit diesem Instrument vor. Eine Mitarbeiterin der deutschen
Crowdfundingplattform Startnext erläuterte darüber hinaus die Prinzipien des
Crowdfundig. Über Startnext haben ROG in diesem Jahr ihr Jahrbuch für die
Pressefreiheit finanziert und über 8.000 Euro eingeworben. Klar wurde in der
Diskussion, dass für ROG der Vorteil des Crowdfunding vor allem in der
neuartigen PR für die eigene Arbeit liegt. So bot die Projektpräsentation auf
Startnext die Möglichkeit, sowohl über den Produktionsprozess zu informieren
als auch neue Unterstützer zu gewinnen. Nach Angaben von Wahler waren ca. 40%
der Unterstützer auf Startnext vorher keine Unterstützer von ROG. Das Jahrbuch
jedoch hätte auch ohne das Crowdfunding publiziert werden können. Interessant
wäre es gewesen, Kai Wiedenhöfer zum Podium einzuladen der gerade ein
Crowdfunding für sein Projekt Wall on Wall gestartet hat, jedoch auf der
amerikanischen Plattform Kickstarter.
Citizen journalists or witnesses with a new tool?
Sowohl in der Diskussion über „Neue Medien und das
Nachrichtenbussiness“ am Freitag als auch in der Veranstaltung über
„Konfliktfotografie im Wandel“ am Samstag wurde das Spannungsverhältnis von
journalistischer Konfliktfotografie und Citizen Journalism mit Smartphones
angesprochen. Patrick Baz plädierte in der Diskussion vom Samstag dafür, nicht
den Begriff Citizen Journalists zu verwenden sondern von „modern witnesses with
a camera“ zu sprechen. Nicht das Konzept hätte sich geändert, sondern nur das
Medium, so sein Tenor. Zeuge (witnesses) seien wichtig für das
Nachrichtenbusiness, aber sie seien eben auch keine Journalisten. Am Freitag
warnten die Teilnehmer auf dem Plenum junge Fotoreporter davor, ungeplant in
die aktuellen Krisenregionen zu stürmen. Umgekehrt wurde beim Gespräch jedoch
auch deutlich, wie eine gute fotografische Arbeit als Freelancer über die
Agenturen auch den Weg in renommierte Publikationen finden und somit den
Kick-Off für eine Karriere bedeuten kann.
Schade war, dass viele der Diskussionsveranstaltungen der
Professional Week am Gleisdreieck eher mäßig besucht waren. Über die
ReferentInnen und die an der Ausstellung teilnehmenden FotografInnen waren
meist nur wenige Professionals im Raum. So war es weniger ein Treffen und
Austausch auf professioneller Ebene, als ein öffentliches Forum zum Thema
Dokumentarfotografie und Fotojournalismus. Dieser wiederum hätte mehr Publikum
verdient. Dass die vielen jungen Fotografen und Fotostudierenden in Berlin
nicht in größerer Zahl vertreten waren, verwundert doch sehr. Wie schon in
Bezug auf die Ausstellung, ist vielleicht eine gute Devise für das kommende
Jahr ein „weniger ist mehr“ mit einer Kondensierung des Programms auf zwei gut
gefüllte Tage.
Linktipps zum Artikel:
Interessante Zusammenfassung der Veranstaltungen auf dem Festival. Es gibt einen guten überblick über aktuelle Fragen des Fotojournalismus.
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