Mittwoch, 18. Juni 2014

Die Mauer im Niemandsland


Wie unterschiedlich die politische Situation in Israel und den palästinensischen Gebieten in Kunstausstellungen reflektiert wird und auf welche Metaphern dabei zurückgegriffen wird, zeigen zwei Ausstellungen die zur Zeit in Jerusalem und Ramallah zu sehen sind. Die Ausstellung „No Man’s Land“ im Jerusalem Artist House zeigt Arbeiten israelischer und internationaler Künstler, die Ausstellung „Keep an Eye on the Wall“ im Deutsch-Französischen Kulturzentrum in Ramallah dagegen Arbeiten palästinensischer und eines deutschen Fotografen. Während „No Mans Land“ eher allgemein auf den Begriff des Niemandslands rekuriert und von allen Seiten betrachtet, bezieht sich „Keep an Eye on the Wall“ direkt auf die israelische Sperranlage als Objekt künstlerischer Auseinandersetzung.

Blick in die Ausstellung in Ramallah

 Die in Jerusalem zu sehende Ausstellung „No Man’s land“ wurde von Marie Shek kurariert und zeigt 9 Arbeiten, darunter Installationen, Malerei, Fotografie und Videoarbeiten, die auf unterschiedliche Art und Weise Grenzräume und Übergänge thematisieren, mal mehr, mal weniger politisch. Interessant aufgrund ihrer politischen Positionierung sind vor allem die gezeigten Foto- und Videoarbeiten, insbesondere diejenigen, die sich auf den lokalen Kontext beziehen. Der israelische Künstler Assaf Shoshsan z.B. zeigt einen 8-minütigen Film auf dem aus einer festen Kameraposition ein Beduinenzelt gefilmt wird, in dass immer mehr Menschen strömen, ohne dieses wieder zu verlassen und thematisiert damit den vom israelischen Staat erzwungenen Stop der Wanderungsbewegungen der Beduinen. Der israelische Fotograf Ohad Matalon hat ebenfalls im Süden Israels in der Negevwüste geheime israelische Militäreinrichtungen fotografiert, die als als Schwarz-Weiß Negativbild digital an die Wand projiziert werden. Der Charakter des Verbotenen wird hier durch die Ästhetik des Negativbildes verstärkt. Großformatige Prints der israelischen Künstlerin Ariane Littmann zeigen Bilder aus einer Fabrik in der Schutzausrüstung für die US-Truppen im Irak gefertigt wurde. Hinter einem orangenem Vorhang, welcher der Arbeit die Farbigkeit gibt, beobachtete sie einen Schweißer der an geheimen Rüstungsprojekten arbeitete.

Gemeinsam ist diesen Arbeiten, dass sie sehr konzeptionell ausgerichtet sind und die politische Botschaft sich erst durch den Text  erschließt. Kritik an den herrschenden Verhältnissen in Israel wird nur über Umwege geäußert. Schade ist, dass das Thema Niemandsland in seiner direkten Bedeutung nicht thematisiert wird. Denn gerade die Grenzregionen zwischen Israel und dem Gazastreifen oder die von der Sperranlage geschaffenen, sogenannten „Seamzones“ hätten sich dafür hervorragend geeignet. So ist Niemandsland ein gutes Beispiel für eine vergeistigte, konzeptionelle Ausstellungskultur, wie sie nicht nur in Israel Gang und Gebe ist. Das Politische verschwindet hier im Subtext. Somit richten sie auch keinen Schaden an, schockieren nicht und stehen auf gewisser Weise für die Entpolitisierung der israelischen Gesellschaft und die Ausblendung des Konflikts mit den Palästinensern.

Einen ganz anderen Ansatz wählt die Ausstellung „Keep an Eye on the Wall“. Aus dem gleichnamigen, bei Saqi Books in London erschienenen Buch, wählten die Kuratoren Sandra Monac und Monica Santos die als Masasam firmieren 5 Arbeiten aus, vier palästinensische, eine deutsche. Der aus Gaza stammende und in Frankreich lebende Künstler Taysir Batniji zeigt direkt gegenüber dem Eingang der Galerie in einem zu einer Seite offenen Raum eine Wandinstallation mit Bilder von Graffitis auf den Wänden in Gaza. An den Außenseiten des Kubus sind drei Bilder von Kai Wiedenhöfer der Mauer zwischen Israel und der Westbank im Panoramaformat zu finden. An den beiden Stirnseiten der Galerie finden sich Bilder der jungen palästinensischen Künstlerin Raeda Sadeh, in denen sie sich methaporisch mit der Mauer beschäftigt. Berührend ist vor allem ihr inszeniertes Porträt eines weiblichen Engels vor der Mauer. Zwei weitere Arbeiten, die die Außenwände zieren, sind eine Serie der Jerusalemer Fotografin Rula Halawani mit Bildern von Toren in der Sperranlage rund um Jerusalem mit der sie auf die Parallelität zu den Stadttoren Jerusalems hinweist, Titel „Gates of Heaven“, sowie Arbeiten aus der Serie „Disturbia and Metamorphosis“ des in Berlin lebenden Künstlers aus Ost-Jerusalem Steve Sabella.

Bei „Keep an Eye on the Wall“ fragt man sich, warum hier zum wiederholten Mal die Mauer bzw. die Sperranlage als Referenz für die künstlerische Auseinandersetzung herhalten muss. Visuell gesehen bringt dies nur wenig Neues. Vermutlich erklärt es sich daraus, dass die Initiatoren des Projekts aus Europa kommen. Was hier zu beobachten ist, ist dass die Verbindung künstlerischer Produktion in und über die palästinensischen Gebiete sich mit der Nutzung eines visuellen Klischees verbindet. Dies ist schade, zeigt doch gerade die Arbeit von Raeda Sadeh, wie die Mauer zwar Referenzpunkt ist, aber auch zu einer sehr viel tiefgründigeren Auseinandersetzung führen kann. Fragt sich, ob auch lokale Kuratoren die Mauer in den Vordergrund gestellt hätten. Zu begrüßen ist, dass dank des Goethe-Instituts dieses Projekt in die Westbank getragen wurde und damit auch eine Auseinandersetzung über dieses mit palästinensischen Künstlern und Kuratoren ermöglicht wird.

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