Als ich vergangene Woche am
Berliner Alexanderplatz aus der U8 stieg, um mir die Ausstellung „CHANGING
Realities“ der Berliner Gesellschaft für Humanistische Fotografie anzusehen,
die dort im Rahmen des Europäischen Monats der Fotografie gezeigt wird, war ich
zu erst einmal verloren. In Erwartung einer Ausstellungspräsentation auf dem
Bahnsteig, die ich nicht vorfand, verließ ich den Tunnel, um nacheinander alle
anderen Bahnsteige am Alex abzuklappern, bevor ich mich an einen
BVG-Mitarbeiter wendete. Der wies mich dann darauf hin, dass die Bilder auf den
Plakatwänden hinter den Gleisen hängen würden. Damit ist ein spannender Moment angesprochen, der Teil der
Ausstellungskonzeption ist. Was die Ausstellung schafft, ist die Konfrontation
mit unseren Sehgewohnheiten und unserer Konditionierung von Seherwartungen und
wurde mir exemplarisch zum Verhängnis.
Blick in die Ausstellung - @ GfHF
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„CHANGING Realities“ nutzt
die Werbeflächen auf den normalerweise dem kapitalistischen Konsum gehuldigt
wird, als Ausstellungsfläche. Jede der 18 Arbeiten, die in einem Wettbewerb von
über 160 Einreichungen ermittelt wurden, ist mit einem die Werbetafel ausfüllenden
Bild vertreten. So ist es zu erst ein Mal die schiere Größe der Bilder die
beeindruckt. Eigentlich sind alle gezeigten Arbeiten umfangreiche Fotostrecken,
die auf der Webseite des Projekts (www.changingrealities.de)
einsehbar sind. Die Tafeln funktionieren als Fenster und versehen mit kurzen
Texten erzählen sie 18 verschiedene Geschichten, über ein anderes Europa der
Utopien und der sozialen Kämpfe. Die Themen reichen von der Lampedusa Gruppe in
Hamburg, über eine Kommune in Estland bis Widerstand gegen Stuttgart 21. Etwas
verwirrend ist, dass die Präsentation, unterstützt durch das Layout und die
Sponsorennennung, sich so perfekt in die Werbetafeln einfügt, dass man die
Ausstellung erst auf den zweiten Blick von klassischer Werbung unterscheiden
kann. Verweilt man jedoch einen Moment auf dem Bahnsteig, so wird man Gewahr,
dass die Wartenden die Bilder mit größerer Aufmerksamkeit betrachten, als es in
der Regel den Konsumanreizen vergönnt ist. Somit schafft „CHANGING Realities“
einen tollen Sprung vom White Cube einer Galerie hinein ins Leben und den
Alltag der Menschen und ist damit selbst Beispiel für die Möglichkeit Realitäten
zu verändern. Diesen Mut wünscht man mehr Fotoprojekten.
Die Ausstellung ist noch bis
3. November zu den Öffnungszeiten der U-Bahn auf dem Bahnsteig der U8 am
Alexanderplatz zu sehen. „CHANGING Realities“ ist ein Projekt der Berliner
Gesellschaft für Humanistische Fotografie und wurde von Katharina Mouratidi
kuratiert.
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