Meinrad Schade ist ein Schweizer Fotograf, der seit 2003 an
einem Langzeitprojekt unter dem Titel „Krieg ohne Krieg“ arbeitet. Vor allem in
den Ländern der ehemaligen Sowjetunion hat er nach Spuren vor, nach und neben
dem Krieg gesucht. Seit 2013 setzt Meinrad Schade sein Projekt in
Israel/Palästina fort. Im April war gerade wieder für 4 Wochen in der Region.
Am Rande einer Veranstaltung im Rahmen seiner Ausstellung „Krieg ohne Krieg“ im
Fotomuseum Winterthur am 5. Mai sprach ich mit ihm über diese neue Etappe
seines Projekts.
FK: Was waren die Gründe, warum Du Dich entschieden hast, das
Projekt in Israel/Palästina fortzusetzen?
MS: Die Situation, wie man sie vor allem in der
Westbank findet, ist eigentlich ein perfektes Versuchslabor für den Zustand von
Krieg ohne Krieg, wie ich ihn suche. Von daher liegt es sehr nahe, dort
weiterzumachen. Im ersten Moment hat mich davon abgehalten, dass dies auch
andere in der Region schon gemacht haben. Sehr viele gute Fotografen waren
schon in der Region. Auch in der Nagorny-Karabach hat man diesen Zustand, aber
dort waren ein paar weniger Fotografen. Insofern hadere ich auch immer mal
wieder mit der Entscheidung für Israel/Palästina. Aber mir scheint, dass der
Ansatz den ich gewählt habe bisher weniger versucht wurde. Vor allem dahingehend,
Israel und Palästina als Ganzes zu verstehen und die Grenzen zu verwischen.
Deswegen spielen wir in der Ausstellung auch mit diesen Bildpaaren.
FK:
Kannst Du ein Beispiel dafür geben?
MS: Auf meiner letzten Reise z. B. habe ich ein
Bild einer israelischen Siedlung gemacht, die von der Armee zerstört wurde. Das
sieht dann visuell genau gleich aus, wie die Beduinensiedlung in der
Negevwüste, die von den Israelis zerstört wurde. Dieses Bild von Zerstörung
kommt überall vor. Dies zeigt, dass die Israelis zum Teil auch gegen ihre
eigenen Siedler vorgehen.
FK: Besteht bei diesen Gegenüberstellungen nicht auch die Gefahr,
Unterschiede zu nivellieren.
MS: Klar, die besteht, das kann nicht leugnen. Aber
es hängt ein bisschen vom Umgang damit ab. Ich sage immer, dass ein
fotografischer Essay ein hochkomplexes, labiles Gleichgewicht hat. Und ich
denke, in diesem Gleichgewicht, in diesen umfangreichen Essays kann und darf
sowas stattfinden. Ohne dass völlig ausgleichen zu wollen.
FK: Israel/Palästina wird ja oft aus einer dichotomen
Perspektive betrachtet. Entweder man ist für die eine, oder die andere Seite.
Wie gehst Du mit dem Thema um?
MS: Ich betrachte
Israel/Palästina als spannende Herausforderung für mich. Und diese
Zerrissenheit habe ich selbst erlebt. Es wäre viel einfacher, nur in Palästina zu
bleiben und sich der vorherrschenden - und auch verständlichen - Abneigung den
Israelis gegenüber anzuschließen. Aber genau deswegen möchte ich auch mal zwei
Wochen nur in Israel sein. Du merkst dann, wie Deine Wahrnehmung sich
verschiebt. Sich dem immer wieder auszusetzen macht es spannend. Die Menschen
suhlen sich eben in ihren Haltungen.
Auf Facebook finde ich das so extrem: Schau, was der Böse Israeli wieder
gemacht hat. Und die Anderen machen es ja genau gleich, quasi nur spiegelbildlich.
Es ist ein Wiederholen der Muster von wie böse der Andere ist.
FK: Gibt es schon Ideen, wie Du die neuen Arbeiten präsentieren
willst.
MS: In meinem Kopf denke
ich schon wieder an ein Buch. Ein
Thema, das ich sehr spannend finde, sind z. B. die unterschiedlichen Narrative.
Es wäre denkbar, die Bilder jeweils Israelis und Palästinensern vorzulegen und
aufzuzeichnen, was sie dazu sagen. Aber wie gesagt, dass sind nur Ideen.
FK: Herzlichen Dank und weiterhin viel Erfolg
für mit Deinem Projekt.
Der erste Teil seines Projekts mit Arbeiten über die Länder der ehemaligen
Sowjetunion ist als Fotobuch im Schweizer Verlag Scheidegger&Spieß
erschienen. Ein kleiner Film gibt einen ausführlicheren Einblick in dieses
Projekt.