Wie die Gegenüberstellung
zweier Fotografieausstellungen unter einem Dach einen spannenden kuratorischen
und auch politischen Dialog herstellen kann, zeigte sich im Frühsommer 2015 im
privaten Berliner Fotografiemuseum „C/O Berlin“. Zeitgleich mit der Ausstellung
„Genesis“ des brasilianischen Fotografen Sebastião Salgado war dort das von der
britischen Kunsthistorikerin Tamar Garb kuratierte Projekt „Distanz und
Begehren – Begegnungen mit dem afrikanischen Archiv“ zu sehen. Deutlich wurde
dabei, dass die Auseinandersetzung mit dem fotografischen Erbe des
Kolonialismus aktueller denn je ist und bis heute große Relevanz für die
zeitgenössische Fotografie hat.
Bei C/O Berlin war ein
kleiner Ausschnitt aus diesem Projekt zu sehen, das in zwei Teilen in den Jahren
2013 und 2014 Premiere hatte. Entstanden ist die Ausstellung auf Initiative des
deutschen Sammlers Arthur Walther, der in Neu-Ulm ein eigenes Museum betreibt.
Mit Investmentbanking zu Geld gekommen, präsentiert er sich heute als Kunstmäzen.
Die von ihm gegründete Walther Collection ist vor allem auf zeitgenössische
Fotografie spezialisiert. Die Kuratorin Tamar Garb ist Kunsthistorikerin am
University College London.
Für die Zeitschrift iz3w führte ich im
Frühsommer ein längeres Gespräch mit Tamar Garb. Ich fragte sie unter anderem,
warum es ihrer Meinung nach wichtig sei, heute koloniale Fotografie
auszustellen:
„Das koloniale Archiv ist
ein sehr wichtiger Fundus, da es die materalisierte Spur einer Geschichte ist,
die weiterhin erzählt und erklärt werden muß. Die Fotografie stellt uns einen
physischen Nachlass über eine bestimmte Geschichte des Reisens und den damit
verbundenen Machtverhältnissen zur Verfügung. Sie wurde in der Mitte des 19.
Jahrhunderts zu einer Zeit erfunden, als auch der Kolonialismus sich immer
weiter ausdehnte. Wie die Eisenbahn ist die Fotografie eine Technologie, die
sich das koloniale Projekt zu Nutze machte und auf vielfältige Art und Weise
einsetzte. Heute versorgt sie uns mit einer Fülle an Objekten und
Darstellungen, die nur darauf warten, dekonstruiert, interpretiert,
nachgestellt oder verballhornt zu werden. Die Gefahr ist jedoch, den
Blickwinkel der damaligen Zeit zu reproduzieren. Dem sind wir jedes Mal ausgesetzt, wenn wir die Bilder zeigen.
Die Notwendigkeit besteht also darin, diese reichhaltigen historisch Quellen zu
verwenden, ohne die sie durchdringenden Denkmuster zu reproduzieren“.
Das komplette Interview
findet sich im Heft 350 der iz3w. Die Zeitschrift ist online zu beziehen. Im
Steidl Verlag ist ein englischsprachiger Katalog (Distance and Desire: Encounters
with the African Archive) mit Essays zum Themenkomplex der Ausstellung
erschienen (352 Seiten, 68 Euro).
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