Im
südfranzösischen Perpignan trifft sich jedes Jahr Anfang September die
internationale Fotojournalismusszene beim Festival "Visa pour l'Image". Schwerpunkt ist die sogenannte "Professional
Week" mit Fotografenvorträgen, Podiumsdiskussionen, Portfoliosichtungen
und abendlichen Projektionen. Daneben werden ein gutes Dutzend Ausstellungen
international bekannter Fotojournalisten gezeigt, die vom langjährigen
Festivalleiter Jean-Francois Leroy ausgesucht und zum Teil kuratiert wurden.
Die Fotografie, die in
Perpignan zu sehen ist, lässt sich am besten mit den Stichworten Nachrichten-
und Pressefotografie umschreiben. Viele der Fotografen die mit Ausstellungen
vertreten waren, arbeiten frei oder festangestellt für internationale Agenturen
wie Associated Press (AP), Agence France Presse (AFP), Reuters oder SIPA Press.
Die Ausstellungen behandeln meist tagesaktuelle Themen, die in Form von
umfangreichen Serien gezeigt werden. Im Vordergrund stehen in der Regel Themen
aus der Konflikt- und Krisenberichterstattung. Krise wird dabei jedoch nicht
nur politisch, sondern auch sozial und humanitär verstanden. Der Ruf
Perpignans, ein Ort für die klassische Kriegsfotografie zu sein, konnte sich in
diesem Jahr jedoch nicht bestätigen.
Das dominanteste Thema der
diesjährigen Ausstellungen war die sogenannte Flüchtlingskrise, die beispielsweise
von Yannis Behrakis von Reuters oder Aris Messinis von AFP eindrucksvoll ins
Bild gesetzt wurde. Treffend war vor allem der Titel zu Messinis Serie
"Krieg in Zeiten des Friedens". Dass die Flüchtlingskrise so
prominent vertreten war ist nicht verwunderlich, war dies doch eines der
wichtigsten Themen des letzten Jahres der internationalen Agenturen. Wie
wichtig die Tagesaktualität für das Festival ist, zeigte sich auch am
Monatsrückblick der wichtigsten Themen, der am Anfang der abendlichen
Präsentationen stand. Andere ausgestellte Themen waren z.B. das Zika Virus in
Brasilien (Felipe Dana), der Alltag von Abhängigen der Droge Paco in
Argentinien (Valerio Bispuri) der Kampf gegen den IS (Frédéric Lafargue) oder
der Krieg in Afghanistan (Andrew Quilty).
Ausnahmen von der Krise und die Ethik
Aber es gab auch Ausnahmen
von der Krise. So war eine Serie der Französin Claire Allard zu sehen, die
Backstage Bühnenarbeiter bei ihrer Arbeit begleitete. Leider war diese jedoch
fotografisch sehr monoton im immergleichen Weitwinkelformat umgesetzt. Und
Catalina Martin-Chico folgte den Spuren der letzten Nomaden im Iran zwischen
ihren Sommer- und Winterlagern und zeigte die Schwierigkeiten, sich zwischen
einem urbanen Leben und dem Nomadentum zu entscheiden. Mit dem Canon Female
Photojournalist Award war schon 2015 die Arbeit von Anastasia Rudenko über Internate
von Psychisch Kranken in Russland ausgezeichnet worden. Und Niels Ackermann
lieferte ein intimes Porträt der Kinder von Tschernobyl in Slavutych, der
jüngsten Stadt der Ukraine.
Einige der präsentierten
Arbeiten entstanden in Zusammenarbeit mit NGO's oder wurden gleich komplett von
Organisationen wie Ärzte ohne Grenzen (Fractured State von Dominic Nahr über
den Südsudan) oder politischen Institutionen wie dem Europäischen Parlament (Displaced
über weibliche Migranten von Marie Dorigny) finanziert. Dies führte dieses Jahr
auf dem Festival zu Recht zu einer von James Enstrin auf dem New York Times Lens Blog angestoßenen Debatte über die Ethik und die Unabhängigkeit des
Journalismus. Wobei es sicherlich keine einfache Antwort auf die Frage gibt, wo
in einem immer komplexer werdenden Fotojournalismusmarkt die Grenzen
redaktioneller und fotojournalistischer Freiheiten liegen.
Visa und die Stadt
Nur höchsten selten wird das
Festival im Kontext der Stadt Perpignan betrachtet, weshalb an dieser Stelle
ein Hinweis in dieser Richtung nicht fehlen soll. Die Diskrepanz zwischen den
für das Festival aus der ganzen Welt anreisenden Besuchern und der Stadt könnte
nicht größer sein. Es herrscht eine seltsame Stimmung in der Stadt, die ein
beklemmendes Gefühl hinterlässt. Dies liegt vor allem an den vielen
geschlossenen Geschäften, der offensichtlichen Armut vieler Bewohner der
Altstadt und einer offenen Drogenszene. Der Gegensatz zu den von der Polizei
abgeschirmten Ausstellungsorten sowie den luxuriösen Abendempfängen auf der
einen Seite und dem Alltag der Stadt auf der anderen Seite ist augenfällig und
das wohl größte Paradox des Festivals.
Mehr Informationen zum jährlichen stattfindenden
Festival gibt es auf der Webseite www.visapourlimage.com und dem
dazugehörigen Blog https://visapourlimage.wordpress.com/. Etwas ausführlichere Rezension zu Visa werden demnächst
beim Onlinemagazin "Menschen machen Medien" der DJU sowie in der
Oktoberausgabe der Zeitschrift Photonews erscheinen.
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