Trotz der globalen bzw. transnationalen Ausrichtung
des Fotojournalismus hat das Gewerbe nationale Besonderheiten, vor allem was
die jeweiligen Organisationen sowie spezifische Medien angeht. Meinen
Recherchen beim Besuch Anfang des Monats auf dem französischen Fotofestival
"Visa pour l'Image" in Perpignan möchte ich zum Anlass nehmen, den
Blick auf den Fotojournalismus in Frankreich zu richten und einige Magazine, Organisationen
und Festivals vorzustellen.
Aufgrund der großen
Frustration angesichts der zunehmenden Prekarisierung im Fotojournalismus und
der Untätigkeit der französischen Politik dieser gegenüber, veröffentlichten
verschiedene französische Organisationen auf dem diesjährigen Festival in
Perpignan das Manifest "5 ans, 3 ministres, 0 mesures". Dort fordern
sie unter anderem einen Mindestlohn für Freelancer, einen Verhaltenskodex für
Redaktionen zum Umgang mit Fotografen sowie eine Verbesserung der Vertragsbedingungen.
Das Manifest folgte auf einen Report zum Zustand des Fotojournalismus in
Frankreich, der im vergangenen Jahr veröffentlicht wurde.
Der von der Organisation
SCAM veröffentliche Bericht "Photojournaliste: Une profession sacrifié" beinhaltet einige interessante Informationen. So wurde darin
grundsätzlich erst einmal davon ausgegangen, dass nicht der Fotojournalismus,
sondern das Businessmodell des Fotojournalismus in der Krise steckt. Als
Ursachen wurden vor allem die Ökonomisierung der Branche und die Bestrebungen
zur Gewinnmaximierung der Verlagseigentümer genannt.
Interessant im Report sind
bspw. auch die Zahlen zu den französischen Fotoreportern die über einen
Presseausweis verfügen. Zwischen 2001 und 2014 ist ihre Zahl von 1457 auf 816
zurückgegangen. Der Hintergrund sind die strengen und veralteten Regeln zum
Erhalt eines Presseausweises die verlangen, dass die Fotoreporter über 50%
ihres Einkommens mit Publikationen in der französischen Presse verdienen.
Anders als in Deutschland bekommen damit auch Werbe- und Porträtfotografen
keine Presseausweise. Die Regeln zum Erhalt des Presseausweises den Realitäten
anzupassen und z.B. auch das Arbeiten für ausländische Medien oder den Erhalt
von Stipendien anzuerkennen, ist ebenfalls eine Forderung der Unterzeichner des
Manifests.
Französische Standesorganisationen
Die Unterzeichner des
Manifestes geben auch einen guten Überblick über die wichtigsten
Standesorganisationen der Fotografie in Frankreich. Als Initiator trat die
Organisation SCAM auf, die ähnlich wie die VG Bildkunst in Deutschland als
Rechteverwerter auftritt. Dies gilt auch für die Organisation SAIF. Während die
SAIF stärker bildorientiert ist, liegen die Wurzeln der SCAM eher in der
Verwertung von Textrechten. Über die Öffnung hin zu Multimedia ist jedoch auch
der Bereich Bild dazugekommen. Auch drei Fotografen- bzw. Journalistengewerkschaften
waren dabei, die UPP, die SNJ sowie die SNJ-CGT.
Die "Union desPhotographs Professionell" (UPP) ist die größte französische
Fotografenorganisation, die alle Arten von Fotografen vertritt, vom
Fotojournalismus, die Kunst bis hin zum Handwerk. Fotojournalisten machen
jedoch nur einen kleinen Teil ihrer Mitglieder aus. Ähnliches gilt für die
beiden Journalistengewerkschaften Société Nationale des Journalistes (SNJ) sowie
die Untergruppe Journalismus der CGT. Nicht zu den Unterzeichnern gehörte der
französische Freelancerverband Freelens. Der Verband, der ein Namensvetter der
deutschen Organisation Freelens ist, dümpelt jedoch in der Bedeutungslosigkeit
vor sich hin, da er nie eine kritische Masse von Mitgliedern erreichte.
Der französische Bildermarkt
Der größte und wichtigste
Akteur auf dem französischen Bildermarkt ist der Bilderdienst der staatlichen
Nachrichtenagentur Agence France Presse (AFP). Weitere wichtige Bild- und
Fotografenagenturen sind SIPA Press, Agence Vu und Cosmos. Im Zuge der
Konzentrationsbewegungen auf dem Bildermarkt sind in den letzten Jahren jedoch
auch einige Agenturen wie bspw. Gamma vom Markt verschwunden bzw. wurden in
andere Agenturen integriert. Eine recht neue Agentur, die in den Händen von
Fotografen ist, nennt sich MYOP und war auch in Perpignan präsent. Zunehmend an
Bedeutung gewinnen kleinere Kollektive von Fotografien wie Fractures oder Bob
Photolab. Als reine Vermarktungsplattform ist Divergence Images angetreten.
Ähnlich wie Deutschland hat
auch Frankreich eine lange Tradition von Nachrichtenmagazinen, die bis heute
eine wichtige Plattform des Fotojournalismus darstellen. Unschlagbar und
geschichtsprägend war das von von 1928 bis 1940 erschienene Magazin VU. Als
Sponsor des Festivals trat das Magazin Paris Match auf, dass jedoch sehr stark
Boulevard orientiert ist. Klassische Nachrichtenmagazine sind L'Express und Le
Point sowie das etwas kleinere Regards. Wöchentliche Magazinbeilagen haben auch
die Tageszeitungen Le Figaro und Le Monde. Unter den Tageszeitungen haben vor
allem Le Monde, Le Figaro und Libération eine wichtige Bedeutung für den
französischen Fotojournalismus.
Die bekannteste
Fotozeitschrift ist "Photo", die jedoch keinen besonderen
Fotojournalismusschwerpunkt hat. Den wichtigsten Platz innerhalb der
unabhängigen Fotomagazinszene nimmt "6 mois" ein, das, wie der Name
es erraten lässt, halbjährlich erscheint und schwerpunktmäßig die Fotografie
einzelner Länder vorstellt. Ursprünglich nur auf französisch erscheinend hat
sich "L'Oeil de la Photographie" (Das Auge der Fotografie) zu einer
internationalen Onlineplattform für Fotografie in Französisch, Englisch und
Chinesisch entwickelt.
Fotofestivals in Frankreich
Frankreich hat eine ganze
Reihe von Festivals, die sich dem Fotojournalismus widmen. Das wohl bekannteste
ist das in Perpignan stattfindende Festival "Visa pour l'Image",
dessen Ausrichtung die Nachrichtenfotografie ist. Neben einem guten Dutzend
Ausstellungen internationaler Fotografen gibt es Portfolioreviews,
Diskussionsrunden, Fotografenvorträge und abendliche Projektionen. Stärker
künstlerisch und dokumentarisch gibt sich das Festival Rencontres D'Arles, dessen
Schwerpunktwoche im Juli eines jeden Jahres ist. Der Prix Bayeux-Calvados für Kriegskorrespondenten
ist ebenfalls mit Ausstellungen zur Kriegsfotografie verbunden. Der wichtigste
Ort für den fotografischen Kunstmarkt ist die Messe Paris Photo. Ende 2015 fand
in Paris zum ersten Mal die "Biennale de Photo du monde Arabe" statt,
die im kommenden Jahr ihre Fortsetzung finden wird. Zu einem der wichtigsten
Awards hat sich innerhalb weniger Jahre der Prix Carmignac gemausert.
Nicht fehlen sollen an dieser
Stelle auch einige kurze Hinweise auf Fotografiemuseen in Frankreich. Das
bekannteste ist die "Maison Européenne de la Photographie" in Paris,
die immer wieder auch große Dokumentarfotografieausstellungen auf den Weg
bringt. Daneben gibt es kleinere Museen über das ganze Land verteilt, wie bspw.
die Galeria "Chatea d'Eau" in Toulouse, das "Théatre de la Photographie et de l'image" in Nizza oder die "Maison de la Photographie" in Lille. In Perpignan hat sich im vergangenen Jahr das "Centre
International du Photojournalisme" gegründet, das ein Online-Archiv
aufbaut und im Winter zwei Ausstellungen sowie eine Dauerausstellung zeigt.
Dieser Artikel ist ein kleiner Einstieg in den
Fotojournalismus in Frankreich. Gerne nehme ich Kommentare und Ergänzungen
entgegen, auch über die Kommentarfunktion. Diejenigen, die mir auf Twitter
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Eine Einführung in das Berufsbild Fotojournalist aus französischer Sicht bietet
der Band "Etre photojournaliste aujourd'hui" aus dem Verlag Eyrolles.
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