Es ist schon fast ein erwartbarer Mechanismus, wie er
wohl zu allen großen Preisverleihungen unserer Zeit gehört. So auch zur Wahl
zum Pressefoto des Jahres. Kaum verkündete Mitte des Monats die Amsterdamer
World Press Foundation ihre Entscheidung, schossen die Kritiken ins Land. Dieses
Mal, so die Kritiker, habe man dem menschenverachtenden Terror ein Forum
geboten und sich in einem komplexen politischen Konflikt auf die Seite einer
Partei gestellt.
Grundsätzlich ist dabei
nicht zu bestreiten, dass das diesjährige Gewinnerbild des türkischen AP
Fotografen Burhan Ozbilici gleich in mehrfacher Hinsicht verstört. Zuerst
einmal zeigt es einen Täter. Und nicht nur das, es ist ein Täter in Siegerpose,
der, so lassen uns viele Berichte über die Hintergründe des Bildes wissen, auch
noch "Gott ist groß" rief, als er den Mord am russischen Botschafter
Andrej Karlow beging. Dies verstört, sind wir doch eher gewohnt, Opfer in
hilflosen Posen zu sehen, als Täter in Siegesgewissheit. Des Weiteren zeigt das
Foto eine Leiche. Auch dies ist eher eine Ausnahme in der aktuellen
Berichterstattung und eher ein Bruch ethischer Richtlinien. Immerhin sind weder
die Gesichtszüge des Toten zu sehen noch Verletzungen oder Blut.
Burhan Ozbilicis Bild ist im
besten Sinne eine fotojournalistische Momentaufnahme. Der Fotograf war, so
grausam es klingt, zu richtigen Zeit am richtigen Ort um festzuhalten, wie
Mevlüt Mert Altintas den russischen Botschafter bei einer Ausstellungseröffnung
in Ankara erschoss. Das war Glück. Ozbilici tat, wofür er ausgebildet worden
war. Glück war es auch, dass er durch das Fotografieren nicht selbst zur
Zielscheibe des Mörders wurde. Das Bild bekommt seine Bedeutung auch dadurch,
dass gerade diese Art von Bildern immer weniger von professionellen Fotografen
und immer öfter von Amateuren aufgenommen werden. Insofern ist die
Preisverleihung auch eine Huldigung an die professionelle Augenzeugenschaft. Und
die muss nicht immer nur positive Nachrichten zu Tage bringen.
Nicht vergessen sollte man
jedoch, dass weder die World Press Photo Foundation noch die Medien, in denen
die Gewinnerbilder publiziert werden, altruistisch handeln. Sie sind Teil einer
Ökonomie der Aufmerksamkeit in der alle Seiten von der Kontroverse profitieren.
Die World Press Photo Foundation ist dabei die Speerspitze einer "standard
setting industry" von Festivals und Wettbewerben im Bereich des
Fotojournalismus. Wie weit deren Vermarktungslogik gehen kann, zeigt eine
Initiative von World Press Photo aus dem vergangenen Jahr, auch Prints der Gewinnerbilder
zu verkaufen. Ob dies auch mit dem Foto von Ozbilic geschehen wird? Und für die
Medien sind die Gratisbilder der Preisgewinner ein willkommener Anlass, um
Online Bildergalerien zu generieren und mit wenig Aufwand und Geld hohe
Klickzahlen und damit Werbeeinahmen generieren zu können. Angesichts dieser
Entwicklungen und den gemeinsamen Interessen der verschiedenen Akteure kommt
die Kritik am Gewinnerbild etwas schal daher.
Zuerst erschienen am 16. Februar 2017 bei M - Menschen machen Medien.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen