Zumindest für Berliner, die mit offenen Augen durch
die Stadt gehen und fahren, ist die deutsche Kolonialgeschichte gar nicht so
weit weg, wie sie vermeintlich scheint. Ob es die Mohrenstrasse in Mitte ist
oder das Afrikanische Viertel im Wedding mit Namen wie der Lüderitzstrasse:
Hier ist Kolonialgeschichte und -gegenwart präsent. Neben der großen historischen
Ausstellung "Deutscher Kolonialismus – Fragmente seiner Geschichte und
Gegenwart" zeigt das Deutsche Historische Museum (DHM) in Berlin noch bis
Ende Februar eine beeindruckende Fotoausstellung zum Thema von Andréas Lang.
Andréas Lang, Residentur Kamerun, 2012 © Andréas Lang |
Auf den Spuren seines
Urgroßvaters, der zwischen 1909 und 1911 bei den sogenannten Schutztruppen der
deutschen Kolonie Kamerun diente, bereiste Andréas Lang zwischen 2011 und 2015 mehrmals
die Länder Tschad, Kamerun, die Zentralafrikanische Republik sowie das
Grenzgebiet des Kongo. Die dabei entstandenen Fotografien und
Videoinstallationen setzen sich intensiv mit den Hinterlassenschaften der
deutschen Kolonialgeschichte in Afrika auseinander. Die Ausstellung
"Kamerun und Kongo – Eine Spurensuche und Phantomgeographie" ist dabei
die bisher größte Einzelausstellung von Andréas Lang. Zur Motivation, diese
Arbeit zu machen, sagte Andreas in einem Interview für das Neue Deutschland:
"Ausgangspunkt war der Fund eines Tagebuchs und eines Fotoalbums meines
Urgroßvaters auf dem Dachboden meiner Mutter. Dieses Material hat mich sehr
beeindruckt. (...) Es war klar, dass es hier um deutsche Geschichte und ganz
konkret die Kolonialgeschichte geht. Und plötzlich tat sich bei mir ein
Panorama an Imaginärem auf, das aber in Bezug zu etwas ganz Konkreten,
Historischen stand. Und gleichzeitig hatte ich ein fast unerforschtes Kapitel
deutscher Kolonialgeschichte vor mir. Dieses Kapitel der Landnahme und
Grenzziehung in Französisch-Kongo ist etwas, von dem kaum einer etwas weiß".
Die Besonderheit der
Ausstellung ist, dass Andréas Lang nicht nur mit seinen eigenen Bildern aus der
Region arbeitet, sondern auch historische Bildkonvolute miteinbezieht. Wie er
damit umgeht, dazu bezog er ebenfalls im Interview Stellung:
"Mir war wichtig, die ungeschminkte Realität und das
Ungeschönte des Kolonialismus sichtbar zu machen, die sich in diesen Bildern
findet. Deswegen werden die Bilder in der Ausstellung groß an die Wand
projiziert. Es war ein Glücksfall, dass ich die Privatalben des Offiziers Jesco von Puttkamer und
des bayrischen Eisenbahningenieurs Sedlmayr, der die Idea-Mittellandbahn gebaut hat, überhaupt
entdeckt habe. Das war auch deswegen wichtig, um durch eine Aufarbeitung der
historischen Dimension über meine eigene Familiengeschichte hinauszugehen".
An Andréas Lang (Familien)Geschichte
ist nicht nur der Urgroßvater und dessen Kolonialvergangenheit interessant.
Nicht minder spannend ist Langs eigene Sozialisation im kleinbürgerlichen
rheinlandpfälzischen Zweibrücken. Den Ausbruch von dort hin zur beachteten
künstlerisch Fotografie schaffte er unter anderem mit Hilfe der Punkband
"Nasse Hunde", in der er zwischen 1983 und 1985 spielte.
Das komplette Interview ist für Abonnenten des Neuen Deutschland zu lesen. Die Ausstellung von Andréas Lang läuft noch bis zum 26.
Februar 2016 im DHM und ist täglich zwischen 10 und 18 Uhr geöffnet (Eintritt 8
Euro, Ermäßigt 4 Euro; Unter den Linden 2, 10117 Berlin).
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