Montag, 15. Oktober 2012

Fotojournalismus – Alles eine Frage der Haltung?


Was unterscheidet den professionellen Fotojournalisten in Zeiten der Allgegenwart von Smart-Phones und Digitalkameras eigentlich vom gewöhnlichen Amateur-Fotografen oder Bildproduzenten? Wenn eines der zentralen Kriterien der Nachrichtenwelt heute die Schnelligkeit ist, die wie auch immer fotografierte Dokumentation eines Ereignisses, wofür braucht es dann noch professionelle Fotojournalisten?

Um es gleich vorwegzusagen: es soll hier nicht um eine Bashing der Fotojournalisten gehen, um einen Abgesang auf ihre Profession. Ich möchte hingegen ein paar Gedanken zu diesem Berufsstand formulieren, die mir wichtig erscheinen um diesen weiterzuentwickeln und als relevantes Berufsfeld zu erhalten. Der Hintergrund dieser Überlegungen liegt in vielen Gesprächen, die ich im vergangenen Jahr im Rahmen der Recherchen für meine Promotion mit Fotojournalisten geführt habe.

Dabei ist es mir wichtig, zuerst den Rahmen meiner Überlegungen zu skizzieren. Vor allem drei Phänomene sind es, die meiner Ansicht nach große Auswirkungen auf den zeitgenössischen Fotojournalismus haben. Zum einen der Siegeszug der Digitalkameras. Digitalkameras haben die Schwelle zum Einstieg in die (semi-)professionelle Fotografie erheblich gesenkt. Anhand der Kameras ist heute oft nicht mehr unterscheidbar, ob wir es mit einem Amateur oder einem Profi zu tun haben. Dazu kommen die Smartphones. Es ist davon auszugehen, dass heute in so gut wie jeder sozialen Situation mindestens eine Person anwesend ist, die ein Handy mit Kamera besitzt. Damit ist es auch möglich, von fast allen sozialen Situationen an Bilder zu kommen. Wenn kein Fotojournalist verfügbar war greifen die Medien auch heute schon auf Bilder von Smartphone-Benutzern zurück, sofern es sich um ein relevantes Ereignis und eine als wichtig empfundene (Bild-)Nachricht handelt. Ein dritter Aspekt ist die Allgegenwart von Bildern. Ob im öffentlichen Raum, in den U-Bahnen oder dem eigenen PC, ob auf dem eigenen Facebook-Profil oder den Flickr-Accounts von Freunden. Bilder sind überall und diese Verfügbarkeit lässt die Wertigkeit von Bildern und das Verständnis für die Notwendigkeit und die Berechtigung, professionell journalistische Bilder zu produzieren sinken.

Die Frage ist, wie das fotojournalistische Gewerbe sich demgegenüber positionieren kann. Denn dass eine Positionierung erfolgen muss, ist sicherlich allen klar, denn nicht umsonst ist das Gerede von der Krise des Marktes in den letzten Jahren nicht gerade weniger geworden. Natürlich ist es dabei wichtig, auf die Qualität einzugehen, auf den Unterschied in der Bildgestaltung und der fotografischen Arbeit von Amateuren und Profis. Denn hier sind unstreitbar Unterschiede zu finden. Und wenn es über das reine dokumentieren von Ereignissen hinaus um Features und Dokumentarfotoprojekte geht, haben natürlich nur noch Profis das Können und das Wissen um diese produzieren zu können. Aber leider ist dies nur ein kleiner Teil des Marktes, und ein Großteil der Bilderflut besteht heute aus tatsächlichen oder vermeintlichen Bildnachrichten, die eben theoretisch auch von Nicht-Profis produziert werden könnten.

Der zentrale Unterschied zwischen Amateuren und Profis muss meiner Ansicht nach an der Frage der Haltung festgemacht werden. Oder der Einstellung, wem dieser Begriff besser passt. Einige mögen hier sofort aufschreien, und einen Versuch vermuten, durch die Hintertür die Ideologisierung des Fotojournalismus einzufordern um journalistische Standards aus dem Fenster zu schmeißen. Weit gefehlt. Es geht mir darum zu erörtern, mich welchem Wissen, welcher Reflektion der eigenen Arbeit und gesellschaftlicher Prozesse Fotojournalisten ans Werk gehen sollten. Für den Smart-Phone Besitzer ist es einfach: Sieht er etwas was er interessant findet, drückt er auf den Auslöser. Bildethische Fragen, Einschätzungen zu seiner Rolle etc. müssen ihn nicht tangieren. Er ist Beobachter einer sozialen Situation, die er zufällig dokumentiert. Anders hingegen verhält es sich meiner Ansicht nach mit dem Fotojournalisten. Seine gesellschaftliche Aufgabe, aus welchem Grund auch immer er diese gewählt hat, ist die Produktion von Bildern in einem journalistischen Kontext. Damit verfügt er auch über eine gewisse gesellschaftliche Macht. Er sollte sich, anders als der Smart-Phone Benutzer über die Konsequenzen seines gesellschaftlichen Handelns Gedanken machen. Hier kommt der Punkt der Haltung hinzu. Haltung bedeutet für mich, dass der Fotojournalist sich seiner gesellschaftlichen Verantwortung bewusst ist, dass er die Art und Weise wie und was für Bilder er produziert reflektiert und selbstkritisch ist bezüglich der Rolle von Bildern in der Gesellschaft. Dies ist natürlich besonders relevant für die fotojournalistische Arbeit über Konflikte. Aber es spielt letztlich bei jeder fotografischen Produktion eine Rolle. Deswegen müssen Fotojournalisten über eine große Bildkompetenz verfügen, über Bild-Wissen hinsichtlich der von ihnen bearbeiteten Themen. Warum wird wer in Bildern wie dargestellt muss eine zentrale Fragestellung sein. Dies gilt für die ganze Bandbreite von Themen, sowohl bezüglich des Afrika-Bildes, als auch der fotografischen Darstellung von Geschlechterrollen, wie auch dem Umgang mit gesellschaftlicher Diversität. Journalistische Bilder zu produzieren bedeutet eine Form gesellschaftlicher Macht, da sie im besten Fall gesellschaftliche Diskurse prägen. Insofern brauchen Fotojournalisten eine Haltung, mit die sie bezüglich ihrer Arbeit und ihrer gesellschaftlichen Rolle eine Position beziehen. Damit würden sie sich zentral von Bilder produzierenden Amateur-Fotografen unterscheiden und könnten obendrein fruchtbare Impulse bezüglich einer Neu-Ausrichtung fotojournalistischer Arbeit senden.

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