Vom 20.-22. Februar fanden im
Berliner Haus der Kulturen der Welt die Thementage „Krieg erzählen“ statt. Im Vordergrund stand die Auseinandersetzung
mit dem Paradox über ein soziales Phänomen wie den Krieg zu erzählen, das als
„unbeschreiblich“ gilt und menschliches Fassungsvermögen übersteigt. Eingeladen
waren Kriegsberichterstatter, Fotografen, Wissenschaftler und Menschenrechtler.
Eines der Querschnittsthemen, das sich durch die Tagung zog, war die Frage nach
den Möglichkeiten Krieg mit Hilfe der Fotografie in Bildern zu erzählen. So gab
es am Freitagnachmittag und am Samstagmorgen mehrere Diskussionen in denen
Wissenschaftler und Fotografen dem Thema in Dialogen auf den Grund gingen.
Die Lüche zwischen den Bildern
Den Anfang machten am
Freitagnachmittag der Berliner Fotojournalist Sebastian Bolesch und der Kieler
Kunsthistoriker Gerhard Paul zum Thema „Die
Lücke zwischen den Bildern“. Sie versuchten der Frage auf den Grund zu
gehen, wie der moderne Krieg in (fotografischen) Bildern umgesetzt werden kann.
Kündigten Bolesch und Paul zu Beginn noch an, gleichberechtigt in einen Dialog
zu treten, so übernahm Paul mit der Zeit das Zepter und forderte Bolesch mit
seinen Thesen zu den Bilderkriegen heraus. Paul, der nach eigener Aussage noch
nie in einem Kriegsgebiet gewesen ist, stellte grundsätzlich in Frage ob es
möglich ist, Krieg bildnerisch darzustellen. In den von ihm präsentierten
Bildbeispielen wies er immer wieder auf Manipulationen durch Medien und
Fotografen hin. Er sprach davon, dass der Medienkonsument als Betrachter
vorgeführt und betrogen werde und illustrierte dies zum Beispiel an der wohl
bekanntesten Fotografie des Vietnamkriegs von Nick Ut eines nackten Mädchens. Bolesch
oblag es, diesem sehr schwarz gezeichneten Verständnis visueller Kommunikation,
seine Erfahrungen aus der Praxis entgegenzusetzen. Bolesch wies darauf hin,
dass Bilder aus Kriegsregionen immerhin kleine Fenster in die Wirklichkeit
seien, durch deren Masse sich ein nachvollziehbares Bild ergeben könne. Paul
argumentierte, dass Fotografien für ihn keine Abbilder von Wirklichkeit sondern
Waren auf dem Markt seien, worauf Bolesch konterte, dass dies im Kapitalismus
für so gut wie jedes Produkt gelte, die Fotografie ebenso wie die
wissenschaftliche Arbeit. Unklar blieb bis zum Schluss, was die Zielrichtung
von Pauls Medienkritik ist, wenn er die Qualität der Kriegsfotografie an dem
Anspruch misst, Krieg in seiner Komplexität nachvollziehbar machen zu können.
Es gibt wohl kaum eine Repräsentationsform die diesem gerecht wird.
Was kostet erzählen?
Das Panel „Was kostet erzählen?“ am Samstagmittag widmete sich der Frage nach
den Kosten fotojournalistischer Berichterstattung sowie dem Verhältnis von
NGO`s und Fotografen im Feld. Moderiert vom Historiker Valentin Groebner
diskutierten die Fotojournalisten Michael Kamber und Marcel Mettelsiefen sowie
Kattrin Lempp, die bei Ärzte Ohne Grenzen e.V. die Öffentlichkeitsarbeit
leitet. Es wurde schnell deutlich, dass es verschiedene Dimensionen der
Kostenfrage für Einsätze in Krisenregionen gibt. So geht es einmal um die
Sicherheitsausrüstung. Dazu kommen Ausgaben für Unterkunft, für Fahrer und
Dolmetscher. Diese Kosten variieren, je nach Region und je nach Eskalationsstufe
des Konflikts. Marcel Mettelsiefen erzählte, dass entsandte Fotojournalisten in
der Regel nicht selbst über die Ausrüstung wie kugelsichere Westen etc.
verfügten, da diese meist vom Auftraggeber gestellt wird. Deutlich wurde die
Asymmetrie zwischen Fotografen mit
Redaktionsauftrag und Freelancern, die alle Kosten selbst tragen und in eine
finanzielle Vorlage treten müssen. Vor allem Michael Kamber machte die
moralische Verantwortung der Medien gegenüber den Freelancern deutlich. Marcel
Mettelsiefen wies darauf hin dass sich die Kosten schnell auf 1.000 Dollar pro
Tag summieren können wenn ein Auto, Fahrer und Dolmetscher nötig sind. Deutlich
wurde dass seit der Medienkrise immer mehr dieser Kosten auf den Fotografen als
Produzenten abgewälzt werden. Auf eine weitere Veränderung wies Michael Kamber
hin: Er kritisierte, dass immer mehr junge, unerfahrene Fotoreporter als
Freelancer ins Feld ziehen und deren Bilder zum Dumpingpreis von den
Redaktionen aufgekauft würden. Dies sei vor allem in Lybien und in Syrien zu
beobachten gewesen und habe unter anderem mit der guten Erreichbarkeit zu
geringen Kosten von Europa aus zu tun.
Vor allem ausgehend von den
Beiträgen Lempps wurden die verschiedenen Konzeptionen von Sicherheit deutlich.
So wies sie darauf hin, dass für Ärzte ohne Grenzen als Organisation der
humanitären Hilfe Akzeptanz der wichtigste Faktor für die Sicherheit des
eigenen Personals sei und sie in der Regel nicht auf kugelsichere Westen und
Sicherheitspersonal zurückgreifen würden. Auch wenn Marcel Mettelsiefen sich
bemüßigt fühlte zu ergänzen, dass auch für Journalisten gute Netzwerke und die
Akzeptanz in der lokalen Bevölkerung die beste Sicherheit seien, so wurde doch
deutlich dass Fotografen heute in vielen Kriegsregionen im Einsatz sind, in denen
der Einsatz von physischen Schutzmitteln zwingend notwendig ist. Vor allem die
von den USA geführten Kriege im Irak und in Afghanistan sind hier
Paradebeispiele, insbesondere aufgrund der hohen Anzahl von Journalisten die „embedded“ gearbeitet haben. Deutlich
wurde des Weiteren, wie wichtig die Kooperation von NGO’s und Fotografen im
Feld heute ist. Schon in der Veranstaltung zum Thema „Wer entscheidet?“ hatte die Vize-Direktorin von Human Rights Watch
Carroll Bogert darauf hingewiesen, dass die Produktion von Bildmaterial für
ihre Organisation sehr wichtig sei und dass dazu zum Teil immense Ressourcen
aufgewendet werden müssen. Dabei hat dieses Verhältnis viele Facetten wie Lempp
und Mettelsiefen ausführten. So sind die NGO’s ein wichtiger Ansprechpartner
für Journalisten da diese über eine gute Infrastruktur verfügen und Zugänge ins
Feld ermöglichen. Darüber hinaus verfügen internationale NGO’s heute über
eigene Budgets für multimediale Produktionen und werden zunehmend als
Auftraggeber für Journalisten und Fotografen interessant. Kattrin Lempp wies
darauf hin, dass die Bedeutung der NGO’s als Informationsquelle aus
Krisenregionen auch durch den Wegfall fester Korrespondentenstellen gestiegen
sei. Das Problem daran sei jedoch, dass vor allem humanitäre Organisationen
aufgrund ihrer Verpflichtung zur Neutralität keine politischen Kommentare
abgeben dürften und somit nicht die journalistische Arbeit ersetzen könnten.
Von Bildern und Gegenbildern
In ein sehr intensives
Zweiergespräch über „Bilder und Gegenbilder“
tauchten der Kunsthistoriker Peter Geimer und der Fotograf Marcel Mettelsiefen
am frühen Samstagnachmittag ein. Erstaunlich war dabei das „Bild“ welches Peter Geimer von der
zeitgenössischen Kriegsfotografie zeichnete und mit Beispielen aus der Pressefotografie
und dem World Press Photo Award untermalte und den „Gegenbildern“ die Marcel Mettelsiefen entwickelte. Während Geimer
das Bild des heroischen Kriegsfotografen und Abenteurers à la Robert Capa
nachzeichnete, lehnte Mettelsiefen den Begriff Kriegsfotograf an sich für seine
Arbeit ab, um sich stattdessen als Fotojournalist zu verorten, der immer wieder
auch aus Kriegs- und Krisenregionen berichtet. Auch in vielen anderen Panels
war deutlich geworden dass die als „Kriegsreporter“
eingeladenen Journalisten dieses Label in der Regel ablehnen. Mettelsiefen wies
darüber hinaus auf die Unterscheidung in unterschiedlichen Formate wie
Nachrichtenfotografie und Dokumentarfotografie hin, die jeweils anderen
Gesetzmäßigkeiten folgen und andere Ergebnisse produzieren. Schon am Vortag war
beim Gespräch zwischen Gerhard Paul und Sebastian Bolesch deutlich geworden,
wie sehr Kriegsfotografie in seiner analytischen Betrachtung auf Einzelbilder
aus der Nachrichtenfotografie reduziert wird und davon ausgehend Schlüsse auf
das ganze Gewerbe gezogen werden. Geimer vernetzte Bildbeispiele mit
Artikelzitaten und Ausschnitten aus einem Interview mit dem Fotografen Luc
Delahaye zu einem kritischen Bilddiskurs. So sprach er in Bezug auf das
bekannte Gewinnerbild des World Press Photo 2012 von Samuel Aranda, das eine
tief verschleierten jemenitischen Frau zeigt die den halbnackten Körper ihres
Sohnes in den Armen hält, den Whitening-Vorwurf an: Der hohe Kontrast in
Bildern haben zur Folge, dass die Hautfarbe der Menschen oft hell erscheine,
obwohl dies in der Realität nicht der Fall sei und damit westliche
Sehgewohnheiten bedient würden. Anhand seines Kunduz Projektes schilderte
Marcel Mettelsiefen, wie inszenierte Porträts eine Alternative Erzählform sein
können und wie das Zeigen seines Projektes im Kunstkontext andere Formen des
Auseinandersetzung außerhalb des journalistischen Rahmens erlaubt hätte. Er
zeigte Verständnis dafür, wenn Fotografen versucht sind, den journalistischen
Kontext zu verlassen und sich der Kunst zuzuwenden.
Schieflagen des Bilddiskurses
Eines der Ziele der Diskussionen
zum Thema Fotografie und Krieg war laut der Kuratorin der Thementage Carolin
Emcke, verschiedene Disziplinen miteinander in Dialog zu bringen: in diesem
Fall namentlich die Fotografen aus der Praxis und ihre Arbeit analysierende
(Kunst-) Wissenschaftler. An vielen Stellen hatte man den Eindruck, als müssten
vor allem die Praktiker den Wissenschaftlern erst einmal erklären, was sie denn
bei der Arbeit im Feld überhaupt machen. Deutlich wurde dabei, dass
Wissenschaftler wie Gerhard Paul oder Peter Geimer die veröffentlichten Bilder
als Produkte analysieren und nur über wenig Kenntnis des Produktionskontextes
und –alltages sowie der Distribution verfügen. Genau dies führte eine (kunsthistorische)
Analyse von Bildern an vielen Stellen ad absurdum. Denn die Fragen, welche die
kunsthistorische Forschung interessieren, haben für die Praxis nur wenig
Bedeutung und die Fragen die den Fotografen auf den Nägeln brennen, sind für
die Wissenschaft oft banal. Darüber hinaus sind Fotografen oft mit dem
Totschlagargumente des Manipulationsvorwurfs an ihr Gewerbe konfrontiert. Dies
ist schade und deutet auf das allzu oft elitäre und abgehobene Gebaren
wissenschaftlicher Bildanalyse hin. Denn wozu dient diese wenn sie nicht in der
Lage ist, mit der Praxis in Dialog zu treten: nichts anderem als einem selbst
referentiellen Wissenschaftsdiskurs. In seiner Eröffnungsrede zu den
Thementagen sprach der Kurator des Haus der Kulturen der Welt Bernd M. Scherer von
der Notwendigkeit, eine neue „Grammatik
des Sehens“ zu entwickeln. Wie schwierig dies ist und welche Gräben dafür
zwischen Produzenten, Konsumenten und Wissenschaftlern zu überwinden sind, dies
wurde auf der Konferenz mehr als deutlich. Vor allem bezogen auf die Fotografie
ist dabei die Frage nach der „agency“ zentral: Wer hat das Mandat über
Fotografie zu sprechen und die Grundzüge einer Grammatik des Sehens zu
schreiben: Die Fotografierten, die Fotografen, die Konsumenten oder die
Bildwissenschaftler? Dass es nicht ausreicht Fotografen und Wissenschaftler an
einen Tisch zu setzen ist bei den Thementagen deutlich geworden. Trotz allem
gab es viele erkenntnisreiche Momente und es bleibt eine wichtige Aufgabe,
weiter nach Formen und Formaten zu suchen, wie die verschiedenen Milieus
miteinander ins Gespräch kommen können.
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