Donnerstag, 10. Juli 2014

Crowdfunding im Fotojournalismus


Auf dem Festival für jungen Fotojournalismus in Hannover vor zwei Wochen gab es einen Thementag zum Crowdfunding. Von den angekündigten Infoständen und Vorträgen blieben leider nur die Vorträge übrig. Für diese waren der holländische Fotograf Rob Hornstra, die deutschen Fotografen Claudius Schulze und Kai Wiedenhöfer, die amerikanische Filmemacherin Sarah Mabrouk sowie Sebastian Esser vom Online-Magazin Krautreporter eingeladen. Leider fehlte eine Moderation durch den Tag, so dass die zusammenfassende Betrachten der verschiedenen Optionen sowie eine kritische Diskussion und Einordnung des Themas dem Besucher vorbehalten blieb.

Claudius Schulze beim Vortrag auf dem LUMIX Festival

Zu Beginn einige grundsätzliche Worte zum Crowdfunding. Diese relativ neue Form der Finanzierung basiert auf dem Sammeln von Geld durch die Crowd, auch Schwarm genannt, also die Gemeinschaft der Internetnutzer. Die Grundidee ist, über die direkte Vermarktung des eigenen Produkts oder der eigenen Idee viele kleine Geldbeträge zu sammeln um auf die benötigten Investitionssummen zu kommen. Damit soll Finanzierungslücken, die durch die weltweite Medienkrise entstanden sind, entgegengewirkt werden. Grundsätzlich ist zwischen dem „reward based“ und dem „donation based“ Crowdfunding zu untscheiden. Beim ersten Prinzip erhalten die Geldgeber ein Produkt oder eine immaterielle (Dienst-) Leistung für ihren Geldbetrag. Darunter finden sich oft kleine Gimmicks wie Postkarten oder Stoffbeutel, die finanzierten Produkte wie z.B. Fotobücher oder die Einladung zu speziellen Events. Das zweite Modell ist mit der klassischen Spende vergleichbar, wo der Geldgeber keine Gegenleistung bekommt. Crowdfunding für journalistische Projekte funktioniert meist nach dem „reward based“ Prinzip. Eine weitere Möglichkeit ist das sogenannte Crowdinvestment. Dies wird vor allem von Start-Up Unternehmen genutzt. Dabei ist mit dem Crowdinvestment meist die Übertragung eines Unternehmensanteils oder die Beteiligung an möglichen Gewinnen verbunden.

Den Auftakt des Thementages beim Lumixfestival bildete ein toller und sehr inspirierender Vortrag des niederländische Fotografen Rob Hornstra. Er finanzierte große Teile seines mehrjährigen in Zusammenarbeit mit Arnold van Bruggen entstandenen „The SotchiProject“ über Crowdfunding. Er zeigte, wie hoch die Meßlatte liegt wenn es um das Crowdfunding geht und wie eine perfekte Vermarktung einher gehen kann mit einem qualitativ hervorragenden Fotografie-Projekt und erfolgreicher Acquise im Internet. Der zentrale Moment ist dabei laut Hornstra dass die Unterstützer in den Fotografen, nicht in sein Projekt investieren. Sie geben Geld weil sie einen Menschen persönlich kennen und dies Glaubwürdigkeit verleiht. Und der größte Teil der Arbeit ist laut Hornstra diese Gruppe der Unterstützer, die eigene Community, zu pflegen. Dazu gehört das Beantworten von Emails, das Organisieren privater Events, ect. Das ist sozusagen das Privileg, was sich die Community mit der Unterstützung des Projekts erkauft. Aufschlussreich war Hornstras Einschätzung des Interessentenkreises. Er sprach von mehreren konzentrischen Kreisen um den Fotografen, ausgehend von dessen Lebensmittelpunkt und Bekanntheitsgrad. Der erste Kreis besteht klassischerweise aus Familie und Freunden, der zweite aus der Stadt in der er lebt, der dritte aus seinem Land, der fünfte aus Europa und der letzte einem weltweiten Publikum. Hornstra warnte davor dem Hype zu verfallen und zu erwarten dass man plötzlich Unterstützer aus der ganzen Welt bekommen würde: die wichtigste Community sei immer noch im engeren Umfeld und im eigenen Land zu finden.

Hornstra schlachtete in seinem Vortrag dann auch gleich noch einige heilige Kühe des Fotojournalismus, in dem er dazu aufrief die leidige Diskussion über das mangelnde Geld in den Medien zu beenden und Bilder auch umsonst zum Abdruck freizugeben. Ganz umsonst? Na ja insofern, als dass es keine direkten Geldzahlungen gibt, aber die entsprechenden Publikationen dann wiederum Anzeigen für die eigenen Bücher oder die Crowdfundingaktion drucken. Hornstra erläuterte dies am Beispiel der Kooperation mit dem Magazin „Foreign Affairs“. Diese Kooperationen seien wichtig, um das Publikum zu erhöhen, so Hornstra. Und für das Publikum ist der wichtigste Moment das Bespielen diverser Socialmedia-Kanäle. Hornstra und van Bruggen posten dort vor allem Inhalte, kleine Geschichten die während der Arbeit entstehen und halten so die Unterstützer bei der Stange. Dass dies erfolgreich ist zeigte sich an den 25.000 Euro die von den beiden über vier Jahre jährlich eingesammelt wurden.

Das man Crowdfunding auch völlig anders verstehen kann zeigte der Vortrag des deutschen Fotografen ClaudiusSchulze. Er finanzierte sein erstes Fotobuch „Socotra“ sowie Teile seines aktuellen Projekts „Naturzustände“ über Crowdfunding. Dabei kam er ohne die Hilfe einer Crowdfundingplattform aus und sammelte sein Geld allein über seinen Emailverteiler und Ankündigungen auf seiner Webseite ein. Entsprechend bescheiden waren auch seine Einkünfte. Für sein Buch „Socotra“ sammelte er 6.500 Euro durch den Verkauf einer Special Edition des Buches mit einem Abzug ein. Die Unterstützer wurden auf der letzten Seite des Buches genannt. Sein Publikum waren bei seinem ersten Projekt vor allem Familie und Freunde. Bei seinem zweiten Projekt „Naturzustände“ konnte er schon auf einen professionell geführten Emailverteiler zurückgreifen und seinen Kreis ausweiten. Interessant war Schulzes Hinweis, wie wichtig es sei mit dem eigenen Projekt eine bestimmte Zielgruppe zu finden. So hatte sein Buch „Socotra“ weniger in der Fotobuchcommunity als unter Inselforschern Erfolg, wo er einen Großteil seiner Bücher absetzte. Dies zeigt wie das Suchen spezieller Fachpublika zum Erfolg führen kann.

Den klassischen Weg des Crowdfunding über eine bestehende Crowdfunding Plattform wählte der Berliner Dokumentarfotograf Kai Wiedenhöfer. Im Vortrag stellte er die Kampagne zur Teil-Finanzierung seiner Ausstellung „Wall on Wall“ vor, die auf Kickstarter lief. 2013 plakatierte er Teile seines Projekts über Grenzzäune und –wälle weltweit auf den Resten der Berliner Mauer. Wiedenhöfers Vorgehen ist insofern atypisch als dass sein Projekt mit sehr kurzer Vorbereitungszeit entstand. Dies ist auch dem Video anzusehen. Trotz allem hatte er Erfolg und sammelte fast 15.000 Euro ein.

Die verschiedenen Vorträge zeigten, dass Crowdfunding auf der einen Seite ein sehr weiter Begriff ist, unter den sehr verschiedene Formen der Finanzierung fallen. Auf der anderen Seite wurde deutlich, dass diese Formen nicht immer neu sind, wie erfolgreiche Finanzierungsstrategien über Editionen im Freundes-, Familien- und Kollegenkreis zeigen. Dies weist darauf hin, dass jedes Projekt seine eigene Form der Finanzierung finden muss, die auf den Inhalt des Projekts, den Fotografen, seine Netzwerke und seine Ressourcen (zeitlich, finanziell, ...) zugeschnitten ist. Ein großer Vorteil des Crowdfunding ist, dass ein Projekt mit der Onlinepräsentation schon eine gewisse Öffentlichkeit bekommt. Damit ist auch ein Teil der Bewerbung schon erledigt und es baut sich ein Kreis von Interessierten auf, der am finalen Produkt (Ausstellung, Buch, ...) Interesse hat. In jedem Fall ist Crowdfunding weder eine Geldmaschine noch die Lösung für Probleme im traditionellen Journalismus sondern zuallererst ganz einfach viel Arbeit.

In einem weiteren Blogbeitrag habe ich einige Links zu Literatur zum Thema, zu Ratgebern, Studien und Crowdfundingplattformen zusammengestellt.

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