Die aktuelle Kontroverse um den amerikanischen
Fotojournalisten Ron Haviv zeigt, wie wichtig die Debatte um
fotojournalistische Ethik ist und wie hoch die Erwartungen sind, denen sich
Fotojournalisten ausgesetzt sehen. Dabei stellt sich die Frage, ob nicht für
jeden Menschen prinzipiell die gleichen ethischen Maßstäbe gelten und es in der
Auseinandersetzung um Fotojournalisten, ihre Ethik und das (vermeintliche)
Missverhältnis nicht darum geht, sich an einer Berufsgruppe abzuarbeiten, von
deren heroischen und selbstlosen Verhalten man nun enttäuscht ist.
Aber ganz von Anfang an. Ausgelöst wurde die Kontroverse von
einem Blogeintrag der Gruppe Duckrabbit
Ende Mai. Darin wird Ron Haviv dafür kritisiert, ein Bild an einen der weltgrößten
Waffenhersteller Lockheed Martin verkauft zu haben. Das wurde für ein
Werbeplakat über Präzisionswaffen genutzt
.
Eine der Kontroversen entzündete sich daran, das Haviv als Bildkredit nicht nur
seinen Namen, sondern auch den der Agentur VII angegeben hatte, über die er
seine dokumentarischen und journalistischen Arbeiten vertreibt. Relativ schnell
wurde sowohl von Haviv
wie von VII
klargestellt, dass es sich bei der Nennung der Agentur um einen Fehler handelte
und die Bildverwendung über den kommerziellen Agenten Havivs lief, nicht die
jedoch die Agentur. Die zweite und eigentlich interessantere Kontroverse
besteht darin, dass ein Fotojournalist, der die Folgen und die Opfer von Krieg
und Gewalt dokumentiert, wissentlich und ohne schlechtes Gewissen seine Bilder
an einen Waffenproduzenten verkauft. Denn der Fakt dass Haviv das Plakat auf
seiner Website platziert lässt darauf schließen, dass er inhaltlich mit der
Aussage einverstanden ist. Dies bestätigt eine Antwort auf die Kritik in seinem
Blog in der es heißt: „I support humanitarian intervention, detente and defense
as I’ve seen what can happen when those things don’t exist“
.
Vor allem diesem Aspekt soll im Weiteren Verlauf Aufmerksamkeit geschenkt
werden.
Nicht ganz unverschuldet – trägt es doch zu ihrer
Vermarktung und Selbstheroisierung bei – haben Fotojournalisten häufig immer
noch ein Mutter-Theresa-Image. Sie gelten als die selbstlos Guten, die auf
eigene Faust durch die Welt ziehen, um den Opfern von Krieg und Gewalt eine
Stimme zu geben. Aber das dies nur die eine Seite der Medaille ist, dessen sind
sich zumindest in diesem Business eigentlich alle bewusst. Und auch diejenigen
Medienkonsumenten oder Medienkritiker, die immer wieder aufschreien bei Fällen
wie Havivs, in denen herauskommt das die unbefleckte Empfängnis auch im Falle
der Konflikt-Fotografie nur ein Mythos ist, hätten bei kritischem Nachdenken
selbst zu diesem Schluss kommen können. Sofern sie mit ihrer Kritik nicht eine
eigene Agenda, wie die der bewussten Beschädigung des fotojournalistischen
Berufsstandes, folgen. Die enttäuschte Reaktion hat Newton sehr schön
beschrieben: „However, once we determined that our projection of objective
truth onto photography was naive, we responded as if we had been betrayed by an
intimate friend, rejecting visual reportage as nothing more than subjective
constructionism“
.
Die Folgen und die Opfer von Krieg und Gewalt zu
dokumentieren, heißt nicht automatisch auch einer pazifistischen und
antimilitaristischen Grundhaltung zu folgen, auch wenn dies am nahe liegendsten
erscheint. Ebenso wie es Mannigfaltige Gründe für den Ausbruch und die
Anwendung von Gewalt gibt, so gibt es ebenso viele Gründe diese zu
dokumentieren. Dies bestätigt ein Blick in Debatten im deutschen Bundestag
ebenso wie das Lesen der Kommentarseiten deutscher Tageszeitungen oder der intellektuellen
Ergüsse der Friedens- und Konfliktforschung. Krieg und Gewalt sind Teil unserer
Weltordnung, wenn auch in der Regel weit weg von den Gesellschaften des reichen
Nordens. Und trotzdem ist Frieden zumindest das verbal erklärte Lebensziel der
wohl großen Mehrheit unserer Weltgesellschaft. In diesem nicht zu übersehenen
Spannungsverhältnis sind natürlich auch die Fotojournalisten zu Hause. Zu
allererst machen sie einen harten Brotjob, der dem Betrachter im Norden Bilder
von Kriegen und Konflikten, meist aus der Südhalbkugel der Erde, in Zeitungen,
Fernseher oder Monitore spült. Dazu kommt dass sie wenn sie - wie einige wenige
– in den Olymp des Fotojournalismus aufgestiegen sind, mit ihrer Arbeit auch
viel Geld verdienen können.
Fotojournalisten leben und arbeiten heute in einem sehr
komplexen Berufsfeld. Auf der einen Seite werden von ihnen extrem hohe ethische
und moralische Standards abverlangt, die vom Umgang mit den Fotografierten,
über die Recherche und die Garantie der Wahrhaftigkeit der übermittelten
Informationen bis zum Bann jeglicher digitaler Manipulation reichen. Auf der
anderen Seite sind sie in einem hoch kompetitiven Geschäftsfeld tätig, in dem
nur eine Finanzierung über verschiedene Kanäle das eigene Auskommen sichert. So
ist es heute Standard das Fotojournalisten gleichzeitig journalistisch für
Magazine und Tageszeitungen tätig sind, wie im Kommunikationsbereich für NGO’s
und nationale und internationale (Regierungs-) Institutionen. Oder im Bereich
der Werbung wie im Falle von Haviv für Lockheed Martin. Dies ist erst ein Mal
eine Realität, die es anzuerkennen gilt.
Die Crux liegt jetzt im Detail. In der Regel trifft die
Kritik nicht Fotografen wie Haviv, sondern diejenigen, die für NGO’S und
UN-Institutionen arbeiten. In beiden Fällen haben wir es zweifellos mit einem
nicht-journalistischen Auftrag zu tun, mit klassischer PR. Meiner Ansicht nach muß
man jedoch zwischen privaten Akteuren wie Lockheed Martin, die ihr Geld mit
Waffen verdienen und damit im weitesten Sinn mit Krieg und Gewalt und NGO’s,
die sich der Verteidigung der Menschenrechte auf gewaltfreie Art und Weise verschrieben
haben, einen qualitativen Unterschied machen. Trotzdem bleibt es jedem und
jeder überlassen, sich für das eine oder andere Geschäftsfeld zu entscheiden.
Das mag natürlich unseren – und in diesem Fall auch meinen – Überzeugungen
widersprechen. Aber es ist nicht mehr oder weniger verwerflich als die
internationale Politik, die im bestimmten Rahmen das gewalttätige Austragen von
Konflikten immer noch legitimiert und sei es nur im Falle einer humanitären
Intervention.
Zu klären bleibt natürlich die Frage, ob Agenturen und
Institutionen, die mit ihrem humanitären Image arbeiten und Geld verdienen und es zulassen, dass ihre
Mitglieder sich auf diese Art und Weise ihr Geld verdienen, nicht dem Ruf des
gesamten Berufsstandes, zumindest aber ihrer eigenen Institution schaden, wenn
sie bezogen auf die hier nicht diskutierten Fragen nicht klar Position
beziehen. Aber genau hier tut sich das gesamt Feld des Fotojournalismus schwer.
Denn ob es darum geht, politisch Stellung gegenüber Embedded Journalism, Responsability
to Protect oder humanitären Interventionen zu beziehen, oder die Felder von
Public Relation und Journalismus klar abzugrenzen, aus Opportunismus-Gründen
und um das eigene Milieu nicht zu verschrecken und zu spalten, tun sich die
meisten schwer mit klarer Festlegung. Dabei würden klare Festlegungen allen
helfen sowohl die Glaubwürdigkeit des Mediums Fotografie zu erhalten, wie auch
die Transparenz der Arbeitsweisen der sie vertretenden Einzelpersonen und
Institutionen zu erhöhen.