Montag, 18. Juni 2012

Fotojournalistische Bilderflut: Ein Eindruck vom Lumix Festival in Hannover


Gestern ging in Hannover das 3. Lumix Festival für jungen Fotojournalismus zu Ende. Die 60 Ausstellungen und 22 Multimediapräsentationen waren eine fotojournalistische Bilderflut, die zu rezipieren kaum in einem Tag zu meistern war. Dabei waren die gezeigten Themen am nahe Puls der Zeit und die Bandbreite reichte vom arabischen Frühling bis hin zur Occupy-Bewegung in den USA. Es war jedoch auch ein recht düsterer Blick auf unsere Zeit, mit vielen Arbeiten die menschlich Grenzsituationen aus Kriegen und Konflikten in den Vordergrund stellten. Auffallend wie beim letzten Festival war die demokratische Präsentationsweise, ein zentrales Konzept des Festivals. Alle Serien wurden in einfachen Holzrahmen mit Passepartout gezeigt, in der Regel in der gleichen Größe und im Querformat. Nur einige wenige Arbeiten wichen durch durchgehende Hochformate oder Quadrate hiervon ab. Während durch die insgesamt neun Ausstellungsorte schon eine gewisse Entzerrung erreicht wurde, so gab es doch auch Orte wie der Skywalk, der ein kuratorisches Grauen war. In einem langen verglasten Gang hing hier Arbeit neben Arbeit an einem Bauzaun.

Interessant war, dass in diesem Jahr eher die leisen Arbeiten überzeugten, seien es Geschichten aus der deutschen Provinz oder die dokumentarische Reisefotografie über Korea. So zeigten Arbeiten wie die von Jonas Ludwig Walter über den Abriss der Atomkraftwerksruine in Stendal oder von Marcus Reichmann über den Alltag einer Familie, die in Mecklenburg-Vorpommern aufs Land gezogen ist, wie sich interessante Geschichten auch direkt vor der Haustür finden lassen, ohne dass eine Reise in die Kriegs- und Krisengebiete dieser Welt vonnöten wäre. Eine sensible Arbeit über ein Thema, welches immer mehr auch die Schlagzeilen der Nachrichten bestimmt, war die Serie von Dominic Bracco II über die von der Gewalt des Drogenkriegs heimgesuchte Stadt Ciudad Juarez an der Nordgrenze Mexikos. Auffallend in vielen Arbeiten war die düstere Stimmung, die durch den Einsatz von Schwarz/Weiß oder reduzierte Farbigkeit sowie erhöhte Kontraste und Vignettierung erzeugt wurde. So hatte es den Eindruck als müsse die an sie schon triste Realität durch die Bildbearbeitung noch bewusst gesteigert werden. Vom thematischen Ansatz her interessant, die Verbindung zwischen Landproblemen und Armut in Äthiopien und dem agro-industriellen Anbau von Nutzpflanzen für den europäischen Markt herzustellen, wies die Arbeit von Jan Lieske visuell und erzähltechnisch leider noch einige Lücken auf.

Der Gewinner des diesjährigen FREELENS Award ist der amerikanische Fotojournalist  Peter von Agtmael. Die von ihm gezeigte Serie heißt „Disco Night Sept. 11“ und zeigt neben Kriegsbildern aus dem Irak und Afghanistan Bilder aus dem Alltag und der Wahlkampfzeit in den USA. Das innovativste an seiner Arbeit scheint aber nur der Titel zu sein. Ausgezeichnet wurde er unter anderem für den schmalen Grad „zwischen seiner naiven Faszination, die er als Kind für den Krieg empfand, und der Brutalität, die er später als Kriegsfotograf im Irak und Afghanistan erlebte“, wie es auf der Festivalhomepage heißt. Wo sich dies in den Bildern wiederspiegeln soll, ist allerdings fragwürdig. Denn der persönliche Zugang – die naive Faszination von Krieg – wie es auch der vom Fotografen verfasste Ausstellungstext hervorhob, ist visuell nicht wirklich präsent. Die Arbeit erscheint vielmehr in einer Reihe mit zahlreichen anderen Arbeiten der letzten Jahre zu stehen, die US-Soldaten im Krieg zeigen. Und das diese das primäre Ziel der Arbeit sind – und damit den typischen Blick des Westlers auf den Krieg darstellen – zeigt beispielsweise das Bild eines afghanischen Jungen, in deren Bildunterschrift statt auf seine afghanische Geschichte Bezug zu nehmen, auf die 100 Soldaten die an seinem Wohnort ums Leben kamen hingewiesen wird. Somit eine vertane Chance sowohl etwas über Krieg aus Sicht der einheimischen und zentral betroffenen Bevölkerung zu erzählen als auch die persönlichen Erfahrungen und Dilemmata des Fotografen im Krieg in den Vordergrund zu stellen.

Alles in allem war das Festival in Hannover auch in diesem Jahr wieder ein lohnendes Ziel, auch wenn wirklich starke Arbeiten fehlten. Der umfangreiche Katalog bietet in jedem Fall auch über das Festival hinaus eine gute Möglichkeit, sich einen Überblick über das Schaffen junger Fotojournalisten weltweit zu verschaffen. Somit hat diesbezüglich das Festival ein Ziel erreicht, dieser Szene eine Plattform zu geben.

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