Gestern ging in Hannover das 3. Lumix Festival für jungen
Fotojournalismus zu Ende. Die 60 Ausstellungen und 22 Multimediapräsentationen
waren eine fotojournalistische Bilderflut, die zu rezipieren kaum in einem Tag
zu meistern war. Dabei waren die gezeigten Themen am nahe Puls der Zeit und die
Bandbreite reichte vom arabischen Frühling bis hin zur Occupy-Bewegung in den
USA. Es war jedoch auch ein recht düsterer Blick auf unsere Zeit, mit vielen
Arbeiten die menschlich Grenzsituationen aus Kriegen und Konflikten in den
Vordergrund stellten. Auffallend wie beim letzten Festival war die
demokratische Präsentationsweise, ein zentrales Konzept des Festivals. Alle
Serien wurden in einfachen Holzrahmen mit Passepartout gezeigt, in der Regel in
der gleichen Größe und im Querformat. Nur einige wenige Arbeiten wichen durch
durchgehende Hochformate oder Quadrate hiervon ab. Während durch die insgesamt
neun Ausstellungsorte schon eine gewisse Entzerrung erreicht wurde, so gab es
doch auch Orte wie der Skywalk, der ein kuratorisches Grauen war. In einem
langen verglasten Gang hing hier Arbeit neben Arbeit an einem Bauzaun.
Interessant war, dass in diesem Jahr eher die leisen
Arbeiten überzeugten, seien es Geschichten aus der deutschen Provinz oder die
dokumentarische Reisefotografie über Korea. So zeigten Arbeiten wie die von
Jonas Ludwig Walter über den Abriss der Atomkraftwerksruine in Stendal oder von
Marcus Reichmann über den Alltag einer Familie, die in Mecklenburg-Vorpommern
aufs Land gezogen ist, wie sich interessante Geschichten auch direkt vor der
Haustür finden lassen, ohne dass eine Reise in die Kriegs- und Krisengebiete
dieser Welt vonnöten wäre. Eine sensible Arbeit über ein Thema, welches immer
mehr auch die Schlagzeilen der Nachrichten bestimmt, war die Serie von Dominic
Bracco II über die von der Gewalt des Drogenkriegs heimgesuchte Stadt Ciudad
Juarez an der Nordgrenze Mexikos. Auffallend in vielen Arbeiten war die düstere
Stimmung, die durch den Einsatz von Schwarz/Weiß oder reduzierte Farbigkeit
sowie erhöhte Kontraste und Vignettierung erzeugt wurde. So hatte es den
Eindruck als müsse die an sie schon triste Realität durch die Bildbearbeitung
noch bewusst gesteigert werden. Vom thematischen Ansatz her interessant, die
Verbindung zwischen Landproblemen und Armut in Äthiopien und dem
agro-industriellen Anbau von Nutzpflanzen für den europäischen Markt
herzustellen, wies die Arbeit von Jan Lieske visuell und erzähltechnisch leider
noch einige Lücken auf.
Der Gewinner des diesjährigen FREELENS Award ist der
amerikanische Fotojournalist Peter
von Agtmael. Die von ihm gezeigte Serie heißt „Disco Night Sept. 11“ und zeigt
neben Kriegsbildern aus dem Irak und Afghanistan Bilder aus dem Alltag und der Wahlkampfzeit
in den USA. Das innovativste an seiner Arbeit scheint aber nur der Titel zu
sein. Ausgezeichnet wurde er unter anderem für den schmalen Grad „zwischen
seiner naiven Faszination, die er als Kind für den Krieg empfand, und der
Brutalität, die er später als Kriegsfotograf im Irak und Afghanistan erlebte“,
wie es auf der Festivalhomepage heißt. Wo sich dies in den Bildern
wiederspiegeln soll, ist allerdings fragwürdig. Denn der persönliche Zugang –
die naive Faszination von Krieg – wie es auch der vom Fotografen verfasste
Ausstellungstext hervorhob, ist visuell nicht wirklich präsent. Die Arbeit
erscheint vielmehr in einer Reihe mit zahlreichen anderen Arbeiten der letzten
Jahre zu stehen, die US-Soldaten im Krieg zeigen. Und das diese das primäre
Ziel der Arbeit sind – und damit den typischen Blick des Westlers auf den Krieg
darstellen – zeigt beispielsweise das Bild eines afghanischen Jungen, in deren
Bildunterschrift statt auf seine afghanische Geschichte Bezug zu nehmen, auf
die 100 Soldaten die an seinem Wohnort ums Leben kamen hingewiesen wird. Somit
eine vertane Chance sowohl etwas über Krieg aus Sicht der einheimischen und
zentral betroffenen Bevölkerung zu erzählen als auch die persönlichen
Erfahrungen und Dilemmata des Fotografen im Krieg in den Vordergrund zu
stellen.
Alles in allem war das Festival in Hannover auch in diesem Jahr
wieder ein lohnendes Ziel, auch wenn wirklich starke Arbeiten fehlten. Der
umfangreiche Katalog bietet in jedem Fall auch über das Festival hinaus eine
gute Möglichkeit, sich einen Überblick über das Schaffen junger
Fotojournalisten weltweit zu verschaffen. Somit hat diesbezüglich das Festival ein
Ziel erreicht, dieser Szene eine Plattform zu geben.
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