Mittwoch, 13. Juni 2012

Ethik im Fotojournalismus – Ein Kommentar zur Haviv Kontroverse


Die aktuelle Kontroverse um den amerikanischen Fotojournalisten Ron Haviv zeigt, wie wichtig die Debatte um fotojournalistische Ethik ist und wie hoch die Erwartungen sind, denen sich Fotojournalisten ausgesetzt sehen. Dabei stellt sich die Frage, ob nicht für jeden Menschen prinzipiell die gleichen ethischen Maßstäbe gelten und es in der Auseinandersetzung um Fotojournalisten, ihre Ethik und das (vermeintliche) Missverhältnis nicht darum geht, sich an einer Berufsgruppe abzuarbeiten, von deren heroischen und selbstlosen Verhalten man nun enttäuscht ist.

Aber ganz von Anfang an. Ausgelöst wurde die Kontroverse von einem Blogeintrag der Gruppe Duckrabbit[1] Ende Mai. Darin wird Ron Haviv dafür kritisiert, ein Bild an einen der weltgrößten Waffenhersteller Lockheed Martin verkauft zu haben. Das wurde für ein Werbeplakat über Präzisionswaffen genutzt[2]. Eine der Kontroversen entzündete sich daran, das Haviv als Bildkredit nicht nur seinen Namen, sondern auch den der Agentur VII angegeben hatte, über die er seine dokumentarischen und journalistischen Arbeiten vertreibt. Relativ schnell wurde sowohl von Haviv[3] wie von VII[4] klargestellt, dass es sich bei der Nennung der Agentur um einen Fehler handelte und die Bildverwendung über den kommerziellen Agenten Havivs lief, nicht die jedoch die Agentur. Die zweite und eigentlich interessantere Kontroverse besteht darin, dass ein Fotojournalist, der die Folgen und die Opfer von Krieg und Gewalt dokumentiert, wissentlich und ohne schlechtes Gewissen seine Bilder an einen Waffenproduzenten verkauft. Denn der Fakt dass Haviv das Plakat auf seiner Website platziert lässt darauf schließen, dass er inhaltlich mit der Aussage einverstanden ist. Dies bestätigt eine Antwort auf die Kritik in seinem Blog in der es heißt: „I support humanitarian intervention, detente and defense as I’ve seen what can happen when those things don’t exist“[5]. Vor allem diesem Aspekt soll im Weiteren Verlauf Aufmerksamkeit geschenkt werden.

Nicht ganz unverschuldet – trägt es doch zu ihrer Vermarktung und Selbstheroisierung bei – haben Fotojournalisten häufig immer noch ein Mutter-Theresa-Image. Sie gelten als die selbstlos Guten, die auf eigene Faust durch die Welt ziehen, um den Opfern von Krieg und Gewalt eine Stimme zu geben. Aber das dies nur die eine Seite der Medaille ist, dessen sind sich zumindest in diesem Business eigentlich alle bewusst. Und auch diejenigen Medienkonsumenten oder Medienkritiker, die immer wieder aufschreien bei Fällen wie Havivs, in denen herauskommt das die unbefleckte Empfängnis auch im Falle der Konflikt-Fotografie nur ein Mythos ist, hätten bei kritischem Nachdenken selbst zu diesem Schluss kommen können. Sofern sie mit ihrer Kritik nicht eine eigene Agenda, wie die der bewussten Beschädigung des fotojournalistischen Berufsstandes, folgen. Die enttäuschte Reaktion hat Newton sehr schön beschrieben: „However, once we determined that our projection of objective truth onto photography was naive, we responded as if we had been betrayed by an intimate friend, rejecting visual reportage as nothing more than subjective constructionism“[6].

Die Folgen und die Opfer von Krieg und Gewalt zu dokumentieren, heißt nicht automatisch auch einer pazifistischen und antimilitaristischen Grundhaltung zu folgen, auch wenn dies am nahe liegendsten erscheint. Ebenso wie es Mannigfaltige Gründe für den Ausbruch und die Anwendung von Gewalt gibt, so gibt es ebenso viele Gründe diese zu dokumentieren. Dies bestätigt ein Blick in Debatten im deutschen Bundestag ebenso wie das Lesen der Kommentarseiten deutscher Tageszeitungen oder der intellektuellen Ergüsse der Friedens- und Konfliktforschung. Krieg und Gewalt sind Teil unserer Weltordnung, wenn auch in der Regel weit weg von den Gesellschaften des reichen Nordens. Und trotzdem ist Frieden zumindest das verbal erklärte Lebensziel der wohl großen Mehrheit unserer Weltgesellschaft. In diesem nicht zu übersehenen Spannungsverhältnis sind natürlich auch die Fotojournalisten zu Hause. Zu allererst machen sie einen harten Brotjob, der dem Betrachter im Norden Bilder von Kriegen und Konflikten, meist aus der Südhalbkugel der Erde, in Zeitungen, Fernseher oder Monitore spült. Dazu kommt dass sie wenn sie - wie einige wenige – in den Olymp des Fotojournalismus aufgestiegen sind, mit ihrer Arbeit auch viel Geld verdienen können.

Fotojournalisten leben und arbeiten heute in einem sehr komplexen Berufsfeld. Auf der einen Seite werden von ihnen extrem hohe ethische und moralische Standards abverlangt, die vom Umgang mit den Fotografierten, über die Recherche und die Garantie der Wahrhaftigkeit der übermittelten Informationen bis zum Bann jeglicher digitaler Manipulation reichen. Auf der anderen Seite sind sie in einem hoch kompetitiven Geschäftsfeld tätig, in dem nur eine Finanzierung über verschiedene Kanäle das eigene Auskommen sichert. So ist es heute Standard das Fotojournalisten gleichzeitig journalistisch für Magazine und Tageszeitungen tätig sind, wie im Kommunikationsbereich für NGO’s und nationale und internationale (Regierungs-) Institutionen. Oder im Bereich der Werbung wie im Falle von Haviv für Lockheed Martin. Dies ist erst ein Mal eine Realität, die es anzuerkennen gilt.

Die Crux liegt jetzt im Detail. In der Regel trifft die Kritik nicht Fotografen wie Haviv, sondern diejenigen, die für NGO’S und UN-Institutionen arbeiten. In beiden Fällen haben wir es zweifellos mit einem nicht-journalistischen Auftrag zu tun, mit klassischer PR. Meiner Ansicht nach muß man jedoch zwischen privaten Akteuren wie Lockheed Martin, die ihr Geld mit Waffen verdienen und damit im weitesten Sinn mit Krieg und Gewalt und NGO’s, die sich der Verteidigung der Menschenrechte auf gewaltfreie Art und Weise verschrieben haben, einen qualitativen Unterschied machen. Trotzdem bleibt es jedem und jeder überlassen, sich für das eine oder andere Geschäftsfeld zu entscheiden. Das mag natürlich unseren – und in diesem Fall auch meinen – Überzeugungen widersprechen. Aber es ist nicht mehr oder weniger verwerflich als die internationale Politik, die im bestimmten Rahmen das gewalttätige Austragen von Konflikten immer noch legitimiert und sei es nur im Falle einer humanitären Intervention.

Zu klären bleibt natürlich die Frage, ob Agenturen und Institutionen, die mit ihrem humanitären Image arbeiten und Geld  verdienen und es zulassen, dass ihre Mitglieder sich auf diese Art und Weise ihr Geld verdienen, nicht dem Ruf des gesamten Berufsstandes, zumindest aber ihrer eigenen Institution schaden, wenn sie bezogen auf die hier nicht diskutierten Fragen nicht klar Position beziehen. Aber genau hier tut sich das gesamt Feld des Fotojournalismus schwer. Denn ob es darum geht, politisch Stellung gegenüber Embedded Journalism, Responsability to Protect oder humanitären Interventionen zu beziehen, oder die Felder von Public Relation und Journalismus klar abzugrenzen, aus Opportunismus-Gründen und um das eigene Milieu nicht zu verschrecken und zu spalten, tun sich die meisten schwer mit klarer Festlegung. Dabei würden klare Festlegungen allen helfen sowohl die Glaubwürdigkeit des Mediums Fotografie zu erhalten, wie auch die Transparenz der Arbeitsweisen der sie vertretenden Einzelpersonen und Institutionen zu erhöhen.


[1] http://duckrabbit.info/blog/2012/05/vii-photo-agency-ron-haviv-and-the-worlds-two-largest-arms-producers/
[2] http://www.ronhaviv.com/#mi=2&pt=1&pi=10000&s=20&p=2&a=0&at=0
[3] http://ronhaviv.wordpress.com/2012/05/27/ron-haviv-response/
[4] http://www.viiphoto.com/news/vii-photo-may-30-2012/
[5] http://ronhaviv.wordpress.com/2012/05/27/ron-haviv-response/
[6] Newton, Julianne Hickerson (2001): The burden of visual truth: the role of photojournalism in mediating reality, Mahwah, NJ [u.a.]: Erlbaum; S. 6.

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