Donnerstag, 27. Juni 2013

Zwischen Hofberichterstattung und unkritischem Desinteresse

Noch bis zum 13. August hängt im Art Place Berlin im Park Inn Hotel am Alexanderplatz die Ausstellung „Time in Turkey“, die vorher auf dem Berlin Fotofestival The Browse und auf dem Alexanderplatz zu sehen war. Die Ausstellung zeigt die Werke von 25 international bekannten Fotografen, die auf Einladung der türkischen Tageszeitung Zaman zu deren 25-jährigem Jubiläum die Türkei bereisten. Angetreten mit dem Anspruch, die Türkei aus globaler Perspektive zu betrachten, zeigt das Projekt leider einen unkritischen, inhaltlich weichgespülten Blick auf das Land an der Brücke zu Asien. Gerade angesichts der aktuellen Kritik an der Berichterstattung türkischer Medien über die Proteste am Taksim Square, erscheint eine genauere Betrachtung der Ausstellung interessant.

Was kommt heraus, wenn sich 25 international bekannte Fotografen auf den Weg machen, um ein Land wie die Türkei zu porträtieren? Was sind die Themen, die ihnen dabei unterkommen? Was halten sie für wichtig über die Türkei zu erzählen? Diese und einige andere waren Fragen, die den Autor mit großem Interesse in die Ausstellung „Time in Turkey“ führten. Denn nur selten sind in einem Projekt Granden des Fotojournalismus von Paolo Pellegrin über Bruno Barbey bis hin zu Steve McCurry versammelt. Dabei wurde die Meßlatte für eine Beurteilung der Arbeiten hoch gesetzt. Sie sollten frei von orientalistischen Sichtweisen, vorgefertigten Einstellungen gegenüber der Türkei und ohne Klischees sein, so Selahattin Sevi, Bildredakteur von Zaman, in der Einleitung zum Ausstellungskatalog.

Die Bandbreite der bearbeiteten Themen ist dabei tatsächlich beachtlich. Vor ausgewählt von der Zaman Redaktion, beschäftigten sich die Fotografen mit Themen wie der industriellen Entwicklung der Türkei, urbaner Migration oder der türkischen Jugend. So begleitete Jane Evelyn Atwood türkische Bergarbeiter in eine Kohlemine, Eric Bouvet war mit der Istanbuler Polizei auf nächtlicher Streife während Christopher Morris den türkischen Präsidenten Abdullah Gül hinter die Kulissen der Macht begleitete oder Rena Efendi sich dem Schicksal des von Gentrifizierung betroffenen Stadtteils Tarlabasi in Istanbul zuwandte.

Das traurige an diesem Projekt ist jedoch, dass die Arbeiten ausschließlich seicht an der Oberfläche der angesprochenen Themen dahinplätscherten. Das Projekt tut keinem Weh, formuliert keine Kritik und stellt kaum kritische Fragen. Und gerade deswegen ist es kein Aushängeschild für qualitativ hochwertige journalistische Fotografie, wie sie Selahattin Sevi im Einleitungstext des Ausstellungskataloges ankündigte. Journalistische Fotografie erschöpft sich nicht in visueller Qualität und Vielfalt, sondern benötigt vor allem eine kritische Auseinandersetzung mit gesellschaftlicher Realität. Ansonsten bekommt sie wie im Falle von „Time in Turkey“ den Beigeschmack von Hofberichterstattung.

Sehr gut deutlich wird dies an der Arbeit „Under water“ von Samuel Bollendorf. Die Panoramabilder zeigen drei romantische Landschaftsaufnahmen. In warmem Licht fotografiert sind Felder, ein Flusstal und ein nächtlich beleuchteter Park zu sehen. Im Text wird davon berichtet, wie kontrovers das Thema Wasser Management in dieser Region sei und wie umstritten das Projekt des Ilisu-Staudamms, der die 1000-jährige Stadt Hasankeyf unter seinen Fluten begraben wird. Genau diese Themen, die von großem journalistischen Interesse sind und geradezu danach schreien, in Bildern umgesetzt zu werden, sind in Bollendorfs Fotografien leider nicht zu finden.

Der Betrachter der Ausstellung fragt sich, wo die Schattenseiten des ökonomischen Booms sind, wie sich das Spannungsverhältnis zwischen säkularer und religiöser Bevölkerung entwickelt, was mit den Menschen passiert, die im Zuge der „Modernisierung“ aus Tarlabasi und anderen Stadtteilen Istanbuls vertrieben werden, wo die Auseinandersetzung mit dem türkischen Nationalismus, der armenischen Minderheit und der Kurdenfrage bleibt. All dies sind gleichzeitig extrem spannende und hochbrisante Themen. Ebensowenig wie es angebracht wäre, das eine deutsche Tageszeitung ein Deutschlandalbum veröffentlicht, wo ausschließlich die kulturelle Vielfalt, High-Tech und multikulturelles Allerlei in Berlin zu sehen sind, sollte eine türkische Tageszeitung dies als guten Fotojournalismus verkaufen. Das sind Projekte, die nicht in die Hände von Journalisten und Fotografen, sondern wenn überhaupt in die PR-Abteilungen von Tourismusverbänden und Regierungen gehören.

So bleibt am Ende der Ausstellung ein schaler Beigeschmack. Im Raum steht die Frage, was die Fotografen dazu veranlasst hat, an solch einem Projekt teilzunehmen und ihre Namen herzugeben. Sicher, visuell sind die Arbeiten hervorragend und zeigen eine große Bandbreite visueller Ausdrucksmöglichkeiten. Aber wenn es um den dezidiert formulierten Anspruch geht, qualitativ hochwertigen Fotojournalismus zu zeigen, kann dies die hier formulierten Mängel nicht aufheben. Ob dies an den redaktionellen Vorgaben von Zaman oder an anderen Gründen lag, darüber kann an dieser Stellt nur spekuliert werden. Zu hoffen bleibt, dass es nicht am Desinteresse der involvierten Fotografen und einer naiven und unkritischen Zugangsweise an das Thema lag.


Links:

Dienstag, 18. Juni 2013

Konfliktfotografie im Spannungsfeld neuer und alter Medien

Gestern ging in Berlin die Professional Week des Berliner Fotofestival „The Browse“ zu Ende. In diesem Rahmen gab es ein gutes Dutzend Veranstaltungen und Podiumsdiskussionen zu so unterschiedlichen Themen wie die Zukunft mobiler Fotografie, den Fotojournalismus in der Türkei, den World Press Photo Award und die Situation lokaler Medienaktivisten in Syrien. Darüber hinaus fanden parallel mehrere Workshops statt. Nach der am Wochenende veröffentlichten Ausstellungskritik soll an dieser Stelle auf einige der Veranstaltungen, die der Thematik des Blogs nahekommen, detaillierter eingegangen werden.

Die Herausforderungen für das Nachrichtenbusiness angesichts neuer Medien und einer zunehmenden Bilderflut standen im Fokus einer Diskussion am Freitag Nachmittag. Moderiert von Luz Fischmann (Freelens) war mit Vertretern von dpa und AFP auf dem Podium zum einen die Seite der Agenturen und mit Bildredakteuren von FAZ und Der Spiegel zum anderen die Seite der Abnehmer von Nachrichtenbildern präsent. Deutlich wurde in der Diskussion der Wandel des Geschäfts mit Nachrichtenbildern, der sich schon alleine in der quantitativen Zunahme von Bildern zeigt. Damit verbunden ist jedoch auch ein qualitativer Wandel in der Bildredaktion. So wird die Bildersuche heute vor allem über Datenabfragen mit Hilfe von Schlagwörtern vorgenommen. Christian Pohlert (FAZ) merkte an, dass es so immer schwieriger werde, tolle Fundstücke im Sinne von atmosphärischen Bildern aufzutreiben. In Amateurbildern, die von Smartphones aufgenommen werden, sahen die Anwesenden keine Konkurrenz auf dem Nachrichtenmarkt, da diesen in der Regel jegliche journalistische Substanz fehle. Trotz der Schwierigkeiten auf dem Zeitungs- und Magazinmarkt wollte diesbezüglich jedoch keine Trauerstimmung aufkommen. Die Orientierungsfunktion auf der einen Seite und die Möglichkeit gut recherchierte Hintergrundberichte zu liefern auf der anderen Seite, sei weiterhin die große Stärke der traditionellen Medien.

War was my playground

„Konfliktfotografie im Wandel“ war der Titel einer Diskussion am Samstag Nachmittag. Dort diskutierten die Fotografen Geert van Kesteren, Kai Wiedenhöfer und Patrick Baz sowie die Kuratorin Anna Shapkova über die Herausforderungen der fotojournalistischen Arbeit in Konflikten. Sehr schnell wurden vor allem die unterschiedlichen fotografischen Herangehensweisen der drei Fotojournalisten deutlich. Während Kai Wiedenhöfer heute ausschließlich konzeptionell arbeitet, macht Patrick Baz als Angestellter von AFP klassische Nachrichtenfotografie. Auch die Motivationen zur Arbeit als „Konfliktfotograf“ sind sehr unterschiedlich. Während es für van Kesteren vor allem um die menschliche Seite geht („I love people“), wuchs Patrick Baz im libanesischen Bürgerkrieg auf („War was my playground“). Wiedenhöfer hingegen wuchs in einem protestantisch geprägten Haushalt auf und wurde von der Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus sowie dem Fall der Berliner Mauer nachdrücklich geprägt. Kontrovers war die Diskussion hinsichtlich des Umgangs mit den Möglichkeiten digitaler Fotografie. Während Patrick Baz dafür plädierte, offen auch für neue Trends zu sein („We need to stick to the trend“) kritisierte Wiedenhöfer die Auswüchse digitaler Postproduktion am Beispiel des Gewinnerphotos des World Press Photo Award 2013. Baz argumentierte aus der Business Perspektive und zeigte sich auch Hipstamatic gegenüber aufgeschlossen. Wiedenhöfer hingegen forderte eine Orientierung an der „Realität“ um die Glaubwürdigkeit des Fotojournalismus nicht zu verspielen.

Reaching new audiences with crowdfunding

Der Montagnachmittag stand im Zeichen des Crowdfunding. Mathias Wahler von Reporter ohne Grenzen (ROG) stellte die Erfahrung der deutschen Sektion mit diesem Instrument vor. Eine Mitarbeiterin der deutschen Crowdfundingplattform Startnext erläuterte darüber hinaus die Prinzipien des Crowdfundig. Über Startnext haben ROG in diesem Jahr ihr Jahrbuch für die Pressefreiheit finanziert und über 8.000 Euro eingeworben. Klar wurde in der Diskussion, dass für ROG der Vorteil des Crowdfunding vor allem in der neuartigen PR für die eigene Arbeit liegt. So bot die Projektpräsentation auf Startnext die Möglichkeit, sowohl über den Produktionsprozess zu informieren als auch neue Unterstützer zu gewinnen. Nach Angaben von Wahler waren ca. 40% der Unterstützer auf Startnext vorher keine Unterstützer von ROG. Das Jahrbuch jedoch hätte auch ohne das Crowdfunding publiziert werden können. Interessant wäre es gewesen, Kai Wiedenhöfer zum Podium einzuladen der gerade ein Crowdfunding für sein Projekt Wall on Wall gestartet hat, jedoch auf der amerikanischen Plattform Kickstarter.

Citizen journalists or witnesses with a new tool?

Sowohl in der Diskussion über „Neue Medien und das Nachrichtenbussiness“ am Freitag als auch in der Veranstaltung über „Konfliktfotografie im Wandel“ am Samstag wurde das Spannungsverhältnis von journalistischer Konfliktfotografie und Citizen Journalism mit Smartphones angesprochen. Patrick Baz plädierte in der Diskussion vom Samstag dafür, nicht den Begriff Citizen Journalists zu verwenden sondern von „modern witnesses with a camera“ zu sprechen. Nicht das Konzept hätte sich geändert, sondern nur das Medium, so sein Tenor. Zeuge (witnesses) seien wichtig für das Nachrichtenbusiness, aber sie seien eben auch keine Journalisten. Am Freitag warnten die Teilnehmer auf dem Plenum junge Fotoreporter davor, ungeplant in die aktuellen Krisenregionen zu stürmen. Umgekehrt wurde beim Gespräch jedoch auch deutlich, wie eine gute fotografische Arbeit als Freelancer über die Agenturen auch den Weg in renommierte Publikationen finden und somit den Kick-Off für eine Karriere bedeuten kann.

Schade war, dass viele der Diskussionsveranstaltungen der Professional Week am Gleisdreieck eher mäßig besucht waren. Über die ReferentInnen und die an der Ausstellung teilnehmenden FotografInnen waren meist nur wenige Professionals im Raum. So war es weniger ein Treffen und Austausch auf professioneller Ebene, als ein öffentliches Forum zum Thema Dokumentarfotografie und Fotojournalismus. Dieser wiederum hätte mehr Publikum verdient. Dass die vielen jungen Fotografen und Fotostudierenden in Berlin nicht in größerer Zahl vertreten waren, verwundert doch sehr. Wie schon in Bezug auf die Ausstellung, ist vielleicht eine gute Devise für das kommende Jahr ein „weniger ist mehr“ mit einer Kondensierung des Programms auf zwei gut gefüllte Tage.


Linktipps zum Artikel:

Freitag, 14. Juni 2013

Berlin Calling – The Browse 2013


Nach dem ersten Aufschlag im vergangenen Jahr scheint sich das Berlin Fotofestival The Browse in der deutschen Festivallandschaft zu etablieren. Die neue Location „The Station“ kommt der Präsentation der Ausstellungen entgegen und auch ein spannendes Vortragsprogramm für die Professional Week konnte wieder zusammengestellt werden. Noch bis Montag den 18. Juni sind dort die Pforten für die Besucher geöffnet.

War die Eröffnung am Donnerstagabend noch gut besucht, so waren die schönen Industriehallen des Veranstaltungsorts „The Station“ am Berliner Gleisdreieck am Freitag leider nur spärlich besucht. Auf zwei Etagen finden sich hier über 20 Fotoausstellungen, die einen breiten Bogen von Reportagefotografie bis zu künstlerischen Projekten schlagen. Die Auswahl der einzelnen Arbeiten lässt jedoch leider eine kuratorische Handschrift vermissen und ist etwas konflikt- und gewaltlastig. Ein gewisses Name Dropping international bekannter Fotografen mag dabei eine Rolle gespielt haben, ebenso wie die Arbeit mit Kooperationspartner wie den Nachrichtenagenturen dpa und AFP oder der privaten Hochschule Best Sabel.

Dabei sind es wie so oft eher die leiseren Arbeiten von bisher weniger bekannten Fotografen die zu überzeugen wissen. So ist eine Arbeit des italienischen Fotoreporters Valerio Bispuri mit dem Titel „The Paco“ zu sehen. Sie zeigt eindrücklich den „Siegeszug“ dieser Droge in Lateinamerika. Das von der Droge ausgelöste Elend ist nicht zu übersehen und wird in Bildern von großer erzählerischer Kraft dargestellt. Auch der deutsche Fotojournalist Kai Löffelbein, bekannt vor allem durch seine Arbeit „Kids of Sodom“, hat mit „Hidden Hongkong“ eine neue Geschichte über das Wohnen armer Menschen in Hongkong beigesteuert, die wie immer durch eine tolle visuelle Qualität besticht. Von hervorragender visueller und erzählerischer Qualität sind auch die Bilder des Fotojournalisten Emmanuel Ortiz über die Balkankriege. In klassischer Schwarz-Weiß Fotografie zeigen sie auf eindrückliche Weise den Alltag in der Krisenregion. Viele epische Bilder mit sehr viel erzählerischer Qualität sind darunter. Ortiz praktizierte kein  dumpfes Draufhalten, sondern hat mit Empathie und Nähe den Alltag und den Wahnsinn im Krieg aufgenommen.

Von dieser Qualität Ortiz sind andere der gezeigten Arbeiten aus Kriegs- und Krisenregionen weit entfernt. Teilweise strotzen diese nur so vor blutigen Szenen. So gibt es in der Arbeit des amerikanischen Fotoreporters Robert King über den Syrienkonflikt, versehen mit dem passenden Titel „Democratic Desert“, kaum ein Bild ohne blutverschmierte Opfer. Wer auf dem Festival vor einem Jahr den Dokumentarfilm über die Arbeitsweise Kings zwischen Krisen und Kriegen gesehen hat, den verwundert dies kaum. Aber Fotojournalismus sollte mehr bieten können als Draufhalten. Drei weitere schwer verdauliche Arbeiten sind von der Galerie War Photo Limited gefeatured und zeigen Kindersoldaten in Afrika. Auch hier: eine Arbeit neben der anderen mit blutverschmierten Kinder und waffenstarrenden Jugendlichen. Selbst wenn diese Arbeiten fotografisch gut umgesetzt sind, so ist es doch ein bisschen viel der Gewalt.

Etwas ratlos steht der Betrachter vor der großformatig präsentierten Ausstellung „Times in Turkey“. Zum 25-jährigen Jubiläum ihrer Gründung lud die türkische Tageszeitung Zaman international renommierte Fotografen wie Steve McCurry oder Ed Kashi ein, in der Türkei zu arbeiten. Herausgekommen ist eine Mischung aus weichgespülter Editorialfotografie und touristischer Werbekampagne. Technisch und visuell hervorragend gemacht, fragt man sich jedoch, wo der fotojournalistische Spürsinn und die Kritikfähigkeit der Fotografen geblieben sind. Auch der Gedanke, was die Demonstranten auf dem Taksim Square in Istanbul angesichts der unrühmlichen Rolle der türkischen Medien in den aktuellen Protesten zu dieser Präsentation sagen würden, bleibt im Kopf zurück.

Zu sehen sind darüber hinaus in der Fotografenwelt sehr bekannte Projekte wie „Baghdad Calling“ von Geert van Kesteren sowie  „The Sochi Project“ von Rob Hornstra und Arnold van Bruggen. Hier ist es interessant zu sehen, wie anders eine Wandpräsentation im Vergleich zu den sehr populären Fotobüchern der beiden Projekte wirkt. Schön ist, dass es auch eine Arbeit aus Berlin in die Ausstellung geschafft hat und dort eine politische Duftmarke setzt. In der Arbeit von Yusuf Beyazit, der zur Gruppe „Photographers in Solidarity“ gehört, geht es um den Refugee protest in Berlin und damit aktuelle Probleme direkt vor der Haustür.

Es bleibt zu hoffen dass dem Berlin Fotofestival The Browse der Erfolg beschert wird der nötig ist, auch eine dritte Ausgabe möglich zu machen. Potential ist auf jeden Fall vorhanden und es ist auch eine deutliche Steigerung zum letzten Jahr zu sehen. Ob die breit angekündigte Professional Week die in sie gesetzten Ansprüche halten kann, wird  sich in den kommenden Tagen zeigen. Vielleicht würden dem Festival jedoch auch ein etwas bescheidenerer Auftritt, sowie ein Fokus auf Qualität und einem gemeinsamen Thema besser zu Gesicht stehen. Und über einen weniger sperrigen Titel ohne Anleihen in der englischen Sprache würden sich sicherlich auch andere Menschen außer dem Autor dieses Beitrags freuen.


Interessante Links:

Dienstag, 14. Mai 2013

Linksammlung zur Paul Hansen Kontroverse

Im folgenden eine Zusammenstellung von Internetlinks, die die Diskussion um das World Press Photo des Jahres 2012 des schwedischen Fotojournalisten Paul Hansen dokumentieren. Besonders interessant ist, wie in der Zuspitzung der Auseinandersetzung und neuer Vorwürde in dieser Woche das Thema zunehmend politisiert wird. Vor allem aus den Reihen pro-israelischer Medienaktivisten wird die, bisher nicht bewiesene, These der "Manipulation" verbreitet, die sich nicht mehr nur noch auf die digitale Postproduktion sondern die Entstehung des Bildes selbst bezieht.

Ankündigung von World Press Photo zur Verleihung des Preises für das Bild des Jahres 2012 an Paul Hansen:

Artikel des British Journal of Photography über das Siegerbild von Paul Hansen:

Kommentar auf diesem Blog zur Bildästhetik von Paul Hansens Bild:

Interessanter Kommentar über die Frage, welche Rolle die digitale Nachbearbeitung für den Wahrheitsgehalt des Bildes spielt:

Englischer Artikel auf Spiegel Online über die digitale Bildbearbeitung von Paul Hansen:

Hintergrundinformationen von Matthias Krug vom Spiegel zum Bild von Paul Hansen:

Artikel des Technologieblogs Extremetech der Paul Hansen Manipulation und Fälschung vorwirft:

Blogbeitrag auf Designboom der den Vorwurf von Extremetech aufgreift:

Argumentation des Bloggers Tom Leininger gegen die Manipulationsthese:

Onlinezeitung Times of Israel stellt Bezug zwischen Hansen und "Pallywood" Vorwurf her:

Kommentar auf dem Blog A Photo Editor:

Aktuelle Ankündigung von World Press Photo das Bild erneut untersuchen zu lassen:





Freitag, 22. März 2013

Phnom Penh: Das Verschwinden verhindern


Am Donnerstag den 21. März 2013 wurde in der ifa-Galerie in Berlin die Ausstellung „Phnom Penh: Das Verschwinden verhindern“ im Beisein einiger der dort ausstellenden kambodschanischen Künstler eröffnet. Die Ausstellung zeigt die kritische Beschäftigung lokaler kambodschanischer Künstler mit der städtebaulichen Entwicklung der kambodschanischen Hauptstadt, mit einem Schwerpunkt auf fotografischen Arbeiten.

Politische und soziale Konflikt haben multiple Formen und finden in vielen unterschiedlichen sozialen wie geografischen Räumen statt. Nicht nur die Diskussion über Gentrifizierungsprozesse in Berlin, sondern auch die Stadtentwicklungsprozesse in Großstädten des globalen Südens wie Phnom Penh zeigen die soziale Sprengkraft und das Konfliktpotential von Urbanisierung und Modernisierung. Deswegen ist die Frage, wie die Fotografie als dokumentarisches und künstlerisches Medium mit diesen Fragestellungen umgeht, auch für diesen Blog und die Auseinandersetzung mit dem Themenkomplex „Fotografie und Konflikt“ von großem Interesse.

Die Ausstellung stellt insofern eine Premiere dar, als das zum ersten Mal zeitgenössische kambodschanische Kunst in den Mittelpunkt einer Ausstellung in Deutschland gerückt wird und gleichzeitig politische Probleme in Phnom Penh thematisiert werden. Verantwortet wurde das Projekt von der in Kambodscha lebenden Kuratorin und Galeristin Erin Gleeson. Von den zehn auf der Ausstellung zu sehenden KünstlerInnen sind drei, die hauptsächlich fotografisch arbeiten. Ihre Arbeiten werden im Vordergrund dieses Artikels stehen. Alle drei sind in den 1980er Jahren geboren und stehen noch am Anfang ihrer fotografischen und künstlerischen Karriere.

Die Arbeit von Kvay Samnang heißt die „Natur des Menschen“ (2010 - 2011) und zeigt großformatige Portraitaufnahmen. Das irritierende an diesen Aufnahmen, die in den Wohnräumen der Menschen entstanden sind und die sich allesamt im bekannten „weißen Haus“ in Phnom Penh befinden, ist, dass die Gesichter der Portraitierten von einer Maske verdeckt sind. So erzählen nur die Räume eine Geschichte und die Menschen werden zu einer eher austauschbaren Staffage. Im Katalog heißt es dazu: „Ihre zum Ausdruck kommende Furcht vor der Indexikalität der Fotografie – also deren Fähigkeit zur Identifikation oder gar zu überführen – entspricht einer Zurückhaltung, die sowohl kulturell bedingt als auch politisch geprägt ist“ (S. 29). Damit verweist diese Arbeit unter anderem auch auf das politische Erbe Kambodschas in Form des Terror-Regimes der Roten Khmer und die Angst vor Denunziation, die diese Zeit so stark prägte.

Lim Sokchanlina ist in der Ausstellung mit der Arbeit „Eingegrenzte Zukunft“ vertreten. Die Arbeit zeigt in Farbfotografien Bauzäune und Eingrenzungen aus dem Stadtraum Phnom Penhs, die als „Indikatoren des Wandels (...) einen Großteil der Topografie des heutigen Phnom Penh“ charakterisieren, so der Katalog (S. 44). Eigentlich als großformatige Arbeiten geplant, ist die Serie in Berlin in Form von Postkarten ausgestellt, die vom Besucher mitgenommen werden dürfen. Damit bekommt die Arbeit einen „Work in Progress“ Charakter der die Serialität auf der einen und die Beständigkeit des bebilderten Phänomens auf der anderen Seite hervorheben.

Die dritte fotografische Arbeit der Ausstellung stammt von Vandy Rattana und trägt den Titel „Erstes Hochhaus“. Neun, zu einem Tableau arrangierte Schwarz-Weiß Bilder zeigen Szenen von der Baustelle der Errichtung des ersten Wolkenkratzers Phnom Penhs. Rattan rückt damit die Ereignisse am Rande dieses Wahrzeichens der Modernisierung in den Blickwinkel. Über die Motivation zu seiner fotografischen Arbeit findet sich im Katalog der interessante Kommentar dass am Beginn seine Besorgnis stand, dass „keine greifbare Dokumentation der für seine Kultur besonderen Geschichten, Charakteristika und Denkmäler existierte“ (S. 101). Dass ihm dies in seiner Form fotografischer Dokumentation gelingt, zeigen auch die anderen im Katalog abgebildeten Arbeiten.

Die übereinstimmenden Merkmale dieser drei fotografischen Arbeiten sind, dass sie zum einen lokale politische Probleme im Stadtraum thematisieren und zum anderen eine konzeptionelle Herangehensweise an die Fotografie haben. Die Fotografie wird von allen dreien zwar in einer dokumentarischen Tradition genutzt – im Sinn der Sichtbarmachung bestimmter sozialer Phänomene – um gleichzeitig durch einen seriellen Charakter auf ein übergreifendes Konzept zu verweisen. Damit orientieren sich die Arbeiten auch am zeitgenössischen fotografischen Diskurs, wie er Museen und Galerien in Europa und den USA prägt, und sind dahingehend sicherlich auch markttauglich.

Zur Ausstellung ist herausgegeben vom ifa ein umfangreicher Katalog erschienen. Dort werden alle in der Ausstellung zu sehenden Künstler und ihre Arbeiten ausführlich vorgestellt. Vor allem die konzeptionellen Hintergründe zu den einzelnen Arbeiten sowie die Künstlerbiographien bieten interessante Einblicke. Ergänzt werden sie durch verschiedene Essays die der zeitgenössischen Kunst und ihren Institutionen in Kambodscha gewidmet sind. So entsteht ein umfassendes Bild das Lust macht, mehr künstlerische und vor allem fotografische Arbeiten aus Kambodscha zu sehen.





Zur Ausstellung gibt es auch ein interessantes Begleitprogramm mit Führungen durch die Ausstellung, Stadtspaziergängen und einer Podiumsdiskussion.


Literatur: Institut für Auslandsbeziehungen (2013): Phnom Penh: Das Verschwinden verhindern, Berlin 2013.

Montag, 4. März 2013

Das Apartheid-Regime im Blick lokaler Fotojournalisten

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Dass der Leiter des Hauses der Kunst in München Okwui Enwezor etwas von afrikanischer Fotografie versteht, hat er in den letzten Jahren vielfach unter Beweis gestellt, wie beispielsweise in der Eröffnungsausstellung der Walther Collection im Jahr 2010. Jetzt ist im Haus der Kunst in München die von ihm mitkuratierte und in Zusammenarbeit mit dem International Center for Photography in New York entstandene Ausstellung „Aufstieg und Fall der Apartheid“ zu sehen. Wie es im Einführungstext der Ausstellung heißt, geht es in der Ausstellung „weniger um die Geschichte der Apartheid, als um die Frage, wie sich Apartheid im Alltag der Menschen manifestiert hat“ und wie die Fotografie als Medium lokaler Fotojournalisten dies erzählt.

Wer sich in die Ausstellung begibt, sollte viel Zeit und Geduld mitbringen. Hunderte, vor allem Schwarz-Weiß Bilder in kleiner Größe zeigen chronologisch die Geschehnisse im Apartheidsregime in Südafrika, den Alltag und die sich wandelnden Formen des Widerstandes. Dazu sind in Vitrinen Bücher und Zeitschriften, die entweder aus Südafrika selbst stammen oder sich mit dem Apartheidsregime beschäftigen, ausgestellt. Leider ist der chronologische Aufbau der Ausstellung implizit und für den Besucher nicht ersichtlich. So sieht der Besucher sich abgesehen von der Haupthalle mit einer Flut von Bildern konfrontiert. Um sich diesen von Anfang bis Ende zu widmen braucht man entweder ein großes geschichtliches Interesse oder man muß ein großer Fan der Schwarz-Weiß Fotografie sein. Umso intensiver die riesigen Bilder des Protests in der Haupthalle, die eindrücklich die Kraft der dokumentarischen Fotografie zeigen.

Die große Leistung der Ausstellung ist es, die Geschichte der Apartheid mit den Augen lokaler, südafrikanischer Fotojournalisten zu zeigen. Wohl nur intime Kenner afrikanischer Fotografie kannten vorher das Magazin „Drum“, das in den 50er Jahren in Südafrika erschien und der schwarzen Bevölkerung eine Stimme verlieh. Auch Afrapix, die südafrikanische Foto-Agentur die in den 80er Jahren das Aushängeschild politisch engagierter Fotografie war, ist eher Insidern bekannt. Und die Namen der hervorragenden südafrikanischen Fotografen wie Omar Badsha oder Peter Magubane waren bisher eher weniger geläufig. Im historischen Überblick kontextualisiert sich auch der sogenannte „Bang Bang Club“ der über das autobiografische Buch von Greg Marinovich und João Silva und seine Verfilmung international Berühmtheit erlangte. Im Vergleich zur fotografischen Geschichte der Apartheid, welche die Ausstellung zeigt, ist die Bedeutung des „Bang Bang Club“ eher gering und hinter der internationalen Bekanntheit der Gruppe steht wohl eher der Wunsch nach Heroisierung von Konfliktfotografen.

Schade ist, dass die informativen Texte, welche die Ausstellung begleiten, eher ein einsames Dasein in den Raumecken finden. So ist es mitunter schwierig den Zusammenhang zwischen den Texten und den entsprechenden Bildstrecken herzustellen. Und nur wer aufmerksam liest bekommt beispielsweise mit, dass es sich bei einigen Bildstrecken um Propagandastrecken aus Sicht des Apartheidregimes handelt, die die reibungslose Kooperation weißer und schwarzer Eliten zeigen. Auf bildnerischer Ebene ist dieser Unterschied nicht zu erkennen.

Sehenswert und erkenntnisreich ist die Ausstellung allemal. Und sie sollte zu denken geben, ob es immer notwendig ist, die Geschichte auch aktuell konfliktträchtiger Länder immer mit den Augen weißer, westlicher Fotojournalisten zu erzählen, oder ob die Suche nach lokalen Fotojournalisten, die kenntnisreich ihre eigene Geschichte erzählen, nicht eine Alternative darstellen könnte.


Links:



Donnerstag, 21. Februar 2013

Wie viel Bildbearbeitung verträgt der Foto-Journalismus?

Vor gut einer Woche wurde der Gewinner des World Press Photo des Jahres 2012 bekanntgegeben. Der schwedische Foto-Reporter Paul Hansen gewann mit einer Aufnahme einer Beerdigung von zwei Kindern im Gazastreifen diesen renommierten Preis. Nach anfänglicher Euphorie innerhalb der Fotojournalistengemeinde hat in den letzten Tagen die Diskussion um die Art und Weise der digitalen Bearbeitung des Siegerbildes an Fahrt gewonnen. Diese Diskussion soll an dieser Stelle kommentiert werden.

Jeder Nutzer der digitalen Fotografie weiß es: ein bisschen rumspielen an den Reglern für Kontrast und Sättigung und schon werden die zuerst noch dunklen, im Schatten liegenden Bildparteien auf ein Mal hell. Es ist ein einfacher Vorgang, der erst ein Mal keinerlei Manipulation des Bildinhaltes bedeutet. Zumindest lassen alle ethischen Grundsätze des Fotojournalismus dies bislang zu. Es geht hier um eine Optimierung am Bild so gemeinhin die Auffassung. Und trotzdem ist es ein Gegenstand der Diskussion.

Wer sich das Siegerbild von Hansen genauer anschaut, der sieht sehr schnell dass auch der schwedische Foto-Reporter in dieser Hinsicht sein Bild bearbeitet hat. Auffällig ist der artifizielle Charakter des Bildes, der so entsteht. Es wirkt ein bisschen unwirklich, die Farben unnatürlich. Und genau dass ist beklemmende an diesem Bild: Denn es stellt sich die Frage, ob dieses aus journalistischer Sicht gut gemachte Bild diese Form der Bearbeitung braucht und verträgt. Hinsichtlich der Bearbeitung ist vor allem zu bemängeln, dass es der Angleichung fotojournalistischer Bilder an Produkte der Werbefotografie weiter Vorschub leistet. Diese Tendenz, die schon seit mehreren Jahren zu beobachten ist, verstärkt sich weiter wenn Betrachter beim Anblick eines journalistischen Fotos aufgrund der digitalen Bearbeitung den Eindruck der Artifizialität bekommen.

Darüber hinaus ist zu überlegen, ob die entsprechenden ethischen Kodices, die eine solche Bearbeitung erlauben, noch zeitgemäß sind. Bildbearbeitung gab es schon immer sagen viele in der Branche und auch die analoge Fotografie lebte davon dass im Labor Farben und Kontraste angeglichen werden konnten. Die digitale Fotografie hat dies mit dem Siegeszug von Photoshop jedoch weiter vereinfacht. Insofern ist es berechtigt auch immer wieder aktuelle Standards zu hinterfragen.

Eine Sache jedoch darf mit der Diskussion um die Fragwürdigkeit der digitalen Bearbeitung des Bildes nicht vergessen werden: die Authentizität des Augenblicks der von Hansen eingefangen wurde und der wahrscheinlich auch die Jury überzeugte. Hansen hat ein tragisches politisches Ereignis eingefangen, welches Teil der Konflikt-Realität im Gazastreifen bedeutet. Hieran besteht kein Zweifel und sollten auch keine Zweifel genährt werden. Die Frage die sich hieraus jedoch ableitet, ist, ob ein solches Bild eine derartige Bildbearbeitung zur Unterstützung der Bildaussage braucht oder nicht.

Nicht zu unterschätzen ist dass mit der Auszeichnung von Bildern durch den World Press Photo Award Standards gesetzt werden. Und dies ist vielleicht das beunruhigendste an der diesjährigen Jury-Entscheidung. Denn damit wird eine alltägliche fotojournalistische Praxis der Bildbearbeitung, die vielleicht nicht ethisch falsch, aber durch fragwürdig ist, gewürdigt. Generationen von jungen, aufstrebenden Fotojournalisten auf der ganzen Welt orientierten und orientieren sich was Bildsprache und Visualität angeht an diesem Preis. Was mit dem Preis heute ausgezeichnet wird, ist morgen Standard im Fotojournalismus. Ob damit dem qualitativ hochwertigen Fotojournalismus ein guter Dienst erwiesen wurde, ist somit berechtigterweise in Frage zu stellen.


Weitere interessante Artikel zu diesem Thema:

La post-producción del dolor by Ana Prieto (Auf Spanisch)



Montag, 21. Januar 2013

Über die visuelle Vermischung von Dokumentar- und Werbefotografie


Ende Dezember ging im Haus der Kulturen der Welt in Berlin die sehr interessante und vielseitige Ausstellung „Über Grenzen“ der Berliner Fotografen-Agentur Ostkreuz zu Ende. Dort waren insgesamt 18 sehr unterschiedliche thematische und fotografische Herangehensweisen an das Thema zu sehen. „In ihrer neuen Gemeinschaftsausstellung erzählen die 18 Fotografen der Agentur OSTKREUZ Geschichten über Grenzen. Sie erforschen sichtbare und unsichtbare, territoriale, gesellschaftliche und ethische Grenzen“ hieß es in der Pressemitteilung zur Ausstellung. Die Spannweite der Arbeiten reichte von Reportagen aus Ländern des Südens, über Selbstportraits bis hin zur Auseinandersetzung mit der Deutsch-Deutschen Vergangenheit.

Interessant war die Ausstellung vor allem ausgehend von der Perspektive aktueller journalistischer Bildsprachen. So war es auffällig, dass einige Arbeiten die Grenzen der bildjournalistischen Darstellung hin zu Corporate-, Werbe- und Modefotografie ausloteten bzw. durchaus auch überschritten. So mutete die großformatige angelegte Arbeit von Frank Schinski über den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag wie einem Corporate Magazin eines börsennotierten Konzerns entnommen. Die inhaltlich gut recherchierte und sehr spannende Arbeit „Terminal“ von Tobias Kruse stellte in ihrer Wandhängung das Bild einer halbnackten für die Kamera posierenden jungen Frau in den Vordergrund. Dieses Bild ist ästhetisch zwischen zeitgenössischer Modefotografie und Arbeiten von Larry Clark zu verorten. Bei dieser Optik ist es nicht verwunderlich, dass das Zeit-Magazin die Strecke druckte. Es bleibt jedoch ein komischer Beigeschmack bei der Zurschaustellung der fragilen Weiblichkeit im Bild der jungen Frau. Über die Bild-Inszenierung der Serie "Mission and Task" von Julian Röder erfährt der Betrachter nicht durch den erklärenden Bild-Text, sondern in einem Kommentar während einer öffentlichen Führung. Röder komponierte die Bilder der FRONTEXT Grenzschützer vor Ort und nutze die Hilfe eines Assistenten und eines Blitzgeräts zur Generierung der gewünschten Bildwirkung. Fragt sich, wie es um die Glaubwürdigkeit vermeintlich journalistischer Fotografie bestellt ist, wenn die Fotografen inszenatorisches Arbeiten nicht kenntlich machen. Darüber hinaus bleibt die Frage, warum es nötig ist, dieses Thema zu inszenieren. Andere Arbeiten zum Thema FRONTEX zeigen dass dies auch anders möglich ist.

Die hier angesprochen Arbeiten aus der Ausstellung weisen somit darauf hin, wie innerhalb der deutschen – sich politisch generierenden – Dokumentarfotografie die Grenzen zwischen Inszenierung und Dokumentation sowie werblicher und journalistischer Bildsprache verschwimmen. Angesichts der Strukturen des Bildermarktes und dem Zwang für viele Fotografen, sowohl klassische PR-Fotografie als auch journalistische Aufträge zu übernehmen ist dies nicht verwunderlich. Dazu kommen die Tendenzen Werbe- und Mode-Fotografie „reportagig“ zu gestalten. Dass dies irgendwann zu einem Boomerang-Effekt führt und Dokumentarfotografie werblich wird, ist dabei ein fast zwangsläufiger Nebeneffekt. Es ist jedoch zu fragen, ob es auf Dauer der Glaubwürdigkeit des journalistischen Bildmediums nicht mehr Schaden zufügen wird.

Der Katalog zur Ausstellung ist bei Hatje Cantz erschienen. Die Bildstrecken sind auch auf der Homepage der Agentur einsehbar http://www.ostkreuz.de/feature/